1. November 2023
Magazin-Tipp

„Was könnte ich denn mal machen?“

Arbeitswelt Teil 2: Personalmangel ist die eine Seite. Die anstehende Berufswahl der nächsten Generationen ist die andere Seite. Einige Berufe gelten als unattraktiv, andere gibt es gar nicht mehr. Und dann sind da noch die überlaufenen Studiengänge wie BWL oder Nischen mit wenig Perspektiven.

Welche Berufe finden die nächsten Abschlussjahrgänge attraktiv? - Keyword: Job

Welche Berufe finden die nächsten Abschlussjahrgänge attraktiv? // Foto: Luis Villasmil auf Unsplash (cropped)

Der Personalmangel hat viele Branchen im Griff. Egal ob hochqualifiziert oder Aushilfe, es fehlt überall an Arbeitskräften. In unserer Juli-Ausgabe haben wir das Thema seitens der Arbeitgeber beleuchtet. Die waren sich einig, dass Arbeit an Wertschätzung verliere, Work-Life-Balance hingegen immer mehr Bedeutung zugemessen bekomme. Besonders die „Generation Z“ sei weit entfernt von der Arbeitsmoral der vorherigen Generationen. Nun haben wir die andere Seite befragt: 18 Schülerinnen und Schüler, die 2024 oder 2025 Abitur machen, haben uns ihre Pläne verraten, was sie nach der Schule machen wollen, wie sie zu ihren Jobwünschen gekommen sind und was ihnen im späteren Arbeitsleben wichtig ist.

Schonmal vorweg: Fehlende Lust auf Arbeit oder der Wunsch nach einer Vier-Tage-Woche war nicht zu erkennen. Eigentlich waren sich alle einig: Wenn man einen Job hat, der einem Spaß macht, arbeitet man bestimmt gerne, auch fünf Tage und 40 Stunden. Besonders in den ersten Berufsjahren könne man sich voll reinhängen und was reißen – um dann später, wenn vielleicht auch Familienplanung ansteht oder man schon etwas erreicht hat, kürzertreten zu können.

Was passiert, wenn Plan A nicht klappt?

Aber die erste Schwierigkeit dabei ist, einen Job zu finden, der einem auch Spaß macht und sich dann für einen Job, eine Ausbildung oder ein Studium zu entscheiden. Ohne wirklich zu wissen, wie der Alltag in dem Job aussieht und ob einem das wirklich liegt – und das am besten 40 Jahre lang oder länger.
Die Schülerinnen und Schüler, mit denen wir gesprochen haben, hatten schon alle einen groben Plan oder wussten zumindest einen Bereich, in den es gehen soll, der sie besonders interessiert und zu ihnen passt. Wenn das richtige Studienfach oder die passende Ausbildung noch nicht gefunden ist, Plan A nicht klappt oder auch einfach, weil man nicht direkt nach der Schule starten möchte: Ein Jahr Pause machen ist nicht unbeliebt. Reisen durch Europa, Work and Travel in Kanada, aber auch ein Sprachkurs, um sich auf ein Studium im Ausland vorzubereiten, ein Kochkurs, Praktika oder die dreimonatige Ausbildung zum Sanitäter stehen auf der Liste für die „Pause“.

Ein Großteil der Befragten hat jedoch vor, direkt nach dem Abitur mit der Ausbildung oder dem Studium zu starten. Zumeist gerade dann, wenn der Berufswunsch schon sehr klar ist oder schon in der Schulzeit ein Auslandsjahr anstand.

 

Der Weg zur (richtigen) Berufswahl

Aber warum ist es so unterschiedlich, ob man schon weiß, was man machen möchte oder nicht? Das liegt wohl neben der persönlichen Entwicklung auch daran, wieviel Zeit man in diese Frage investiert und ob man sich eigenständig informiert. Selten steht der Berufswunsch schon viele Jahre fest. Oft verändern sich die Interessen gerade in der Oberstufe noch mal. Wenn der Berufswunsch schon lange feststeht, hat er bei den Schülerinnen und Schülern meist wenig mit aktiver Jobsuche zu tun, sondern damit, dass man zu bestimmten Berufsfeldern und Themen schon früh engen Kontakt hatte.
So stand bei Johanna B. schon in Steckbriefen in der fünften Klasse, dass sie Medizin studieren will. Auf die Frage, ob sie Ärztinnen und Ärzte in ihrem Umfeld kennt, kommt wie aus der Pistole geschossen: „Alle in meiner Familie, außer meinen Eltern. Aber meine Großeltern, meine Cousinen, alles Ärztinnen und Ärzte.“ Sie hat entsprechend ihrem Ziel auch die Praktika geplant: eins in einer Arztpraxis, eins in der Grundschule, „einmal Kinder, einmal Medizin, beide Bereiche abgedeckt“, sagt sie. Auch Louisa Sophie Schewtzuck und Ferdinand Groebler wissen schon lange, was sie machen wollen.

„Welcher Job passt zu meinem Charakter, meiner Persönlichkeit und meinen Interessen?“

Bei beiden hatte nicht unbedingt die Familie einen entscheidenden Einfluss, sondern die Interessen an sich: Während Louisa immer von Tieren umgeben war und das auch gerne in ihrem Berufsleben sein möchte, machen Ferdinand handwerkliche Arbeiten, insbesondere mit Holz, Spaß.
Bei den meisten anderen haben sich die genaueren Vorstellungen erst im Laufe der vergangenen ein bis zwei Jahre oder auch Monate und Wochen herauskristallisiert. Ein Hauptgrund ist natürlich, dass der Abschluss näher rückt und auch zu Hause die Frage aufkommt: „Was willst Du denn nach der Schule machen?“ Die kann nerven, aber auch hilfreich sein: „Ich rede seit einiger Zeit regelmäßig mit meinen Eltern darüber, was infrage kommt, was zu meinem Charakter, meiner Persönlichkeit und meinen Interessen passt“, erzählt Luzie Vierck. „Es hilft, sich damit aktiv auseinanderzusetzen. Bis Ende des Jahres möchte ich einen genauen Plan haben.“

Viele Infos bekommen die Schülerinnen und Schüler von ihren Familien, von Geschwistern, die schon studieren sowie von Bekannten, die in einem ähnlichen Bereich arbeiten. Und natürlich auch durch die Schulen.

Vorbereitung in der Schule

An den Schulen, mit denen wir zu tun hatten, sind zwei oder drei Praktika Pflicht. Oft handelt es sich um ein Sozialpraktikum und ein oder zwei Betriebspraktika, verteilt auf Mittel- und Oberstufe. Zusätzlich haben die Schulen an Infoveranstaltungen wie dem Universitätstag oder Jobmessen teilgenommen, in Projektwochen haben sich Unternehmen auf einer Art Marktplatz auf dem Schulgelände präsentiert. In den einzelnen Profilen gab es nochmals Tagesausflüge zu Betrieben, die in passenden Bereichen ausbilden und tätig sind. Und nicht selten haben auch die Profile dazu beigetragen, die schon vorhandenen Interessen der Schülerinnen und Schüler zu vertiefen.

„… immer noch wenig konkret“

Ganz zufrieden mit der Vorbereitung durch die Schule auf Studium, Ausbildung und Job sind allerdings nicht alle. „Es hilft bestimmt und ich bin nicht davon betroffen, aber ich schätze, fast die Hälfte aus meinem Jahrgang weiß noch nicht wirklich, was sie nach dem Abitur machen will“, sagt Johanna B.: „Wir haben auch gelernt, wie man Bewerbungen schreibt, aber nicht viel Praktisches darüber hinaus – was für Dokumente braucht man noch, was ist beim Vertrag wichtig, wie macht man eine Steuererklärung?“ „Es war alles sehr theoretisch und eng strukturiert. Wie es in der Praxis aussieht, weiß man trotzdem nicht“, kritisiert Antonia Stausberg. „Es war ein grober Überblick, aber immer noch wenig konkret“, findet Luzie Vierck. „Aber es gibt immer noch so viele Studiengänge und Berufe, die man nicht mal kennt.“

Auch die Praktika erachten nicht alle als ausreichend – teils, weil bei vielen eines coronabedingt ausfallen musste. „Gerade in der Mittelstufe hatte man da noch nicht wirklich eine Idee, viele haben dann einfach da das Praktikum gemacht, was sie aus ihrem Umfeld kannten, nicht eirklich zukunftsorientiert“, sagt Ava Stern.

Aber: „Eigentlich ist jedes Praktikum sinnvoll“, wirft Max Beeckmann ein. „Im Zweifel kann man einen Bereich aussortieren – ich hab zum Beispiel festgestellt, dass ich wirklich nicht der Typ für einen Schreibtischjob bin und Abwechslung brauche.“ „Wir hatten auch sehr viel Raum für Reflexion, sowohl im Praktikumsbericht und einem Zukunftsszenario, wo wir uns damit auseinandersetzen sollten, was es wirklich gebracht hat und was wir uns vorstellen“, sagt Janine Pylypchuk.

Studium oder Ausbildung?

Die große Mehrheit der befragten Schülerinnen und Schüler möchte nach dem Abitur studieren, eine Ausbildung streben nur wenige an. „Wenn ich erzähle, dass ich eine Ausbildung machen möchte, dann auch noch im Handwerk, sind immer alle begeistert, weil es das wohl kaum noch gibt“, sagt Ferdinand Groebler. Ein duales Studium kommt schon für einige in Betracht, eine reine Ausbildung aber nur selten, wenn dann als Plan B, wenn es mit dem Wunsch-Studium nicht klappt. Die Gründe sind verschieden. Die Chancen sind mit einem Studium breiter gefächert und größer, sind sich Öke Yazili und Jeremy Spreckels einig. Bei anderen entspricht ein Studium eher den Interessen, zum Beispiel, wenn es Richtung Wirtschaft, Recht oder Medizin gehen soll.

Vorurteile gegen Ausbildungen

Bei vielen ist und war eine Ausbildung aber auch gar nicht auf dem Radar: Während die Schülerinnen und Schüler vom Christianeum berichten, dass Ausbildungen in ihrer Berufsvorbereitung schon eine große Rolle gespielt haben, war es bei anderen Schulen eher studien-orientiert. Für viele andere hat eine Ausbildung immer noch den Ruf, sie sei nur etwas für die, die aus welchem Grund auch immer, kein Abitur haben und als wäre eine Ausbildung weniger angesehen. Bei anderen wurden Informationen zu Ausbildungsberufen zwar verbreitet, aber nicht tiefer darauf eingegangen, weil die Interessenslage eben eher Richtung Studium ging und dazu Fragen gestellt wurden.

Der Wunsch vom erfüllenden Job

Wirklich karrierefixiert waren die Schülerinnen und Schüler nicht. Aufstiegschancen spielen eher in dem Sinne eine Rolle, dass man sich weiterentwickeln kann und nicht für immer im selben Trott feststeckt. Auch Selbstständigkeit reizt einige, insbesondere wegen der Unabhängigkeit – andere haben keine Lust auf die Bürokratie. Eigentlich wollen alle geschlossen einen Job finden, der sie interessiert, Spaß bringt und sie erfüllt. Das ist – finden wir – eigentlich auch die richtige Motivation!

Auswahl der Schülerinnen und Schüler

Unsere Umfrage hat nicht den Anspruch, ein repräsentatives Bild der Oberstufenschülerinnen und -schüler in Hamburg oder den Elbvororten abzubilden. Wir haben verschiedene Schulen im Hamburger Westen angeschrieben. Darauf, welche Schülerinnen und Schüler von den Lehrkräften angesprochen wurden und bereit für ein Interview waren, hatten wir keinen Einfluss.

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