Mit Interesse habe ich das Interview im letzten Klönschnack gelesen. Die Geschäftsführer der Buchhandlung Wassermann wagen eine Prognose bezüglich der Leistungsfähigkeit von KI. Die Frage lautete im Wesentlichen, ob morgen Unterhaltungsliteratur von Künstlicher Intelligenz verfasst wird. Antwort im Interview, sinngemäß: Eher nicht.
Ich bin mir da nicht so sicher. Von Insidern aus dem Silicon Valley häufen sich die Andeutungen, man möge eher groß denken als klein, um auch nur einen Bruchteil der Veränderung zu erahnen, die vor der Tür steht.
KI vs. menschliche Kreativität
Groß denken führt dann zwangsläufig zu folgender These: 2035 wird die überwältigende Mehrheit der veröffentlichten Bücher von Künstlicher Intelligenz verfasst. Machen wir uns nichts vor: Auch Thriller-Autoren vom Kaliber eines Stephen King schöpfen keineswegs nur aus ihrer Genialität, sondern – das räumen sie selbst unumwunden ein – aus einer Vielzahl von Anregungen aus Presse, Film etc. Die menschliche Kreativität basiert hier auf dem handwerklich gekonnten Verknüpfen bekannter Inhalte. Oder nehmen Sie Drehbuchautoren und deren Lehrwerke. Dort finden Sie eine handliche Anzahl von Plots, die seit „Ben Hur“ immer und immer wieder mit Leben gefüllt werden.
Die KI von Morgen
Ähnliches kennen wir aus der Musikindustrie. Ein großer Teil der Chart-Titel sind so schlicht, dass eine KI mit ihnen schon heute keine großen Schwierigkeiten hätte. Kurzum: Morgen schreibt die KI Bücher, Filme, produziert Computerspiele und schließlich so ziemlich all das, was uns umgibt.
Denken Sie mal an Ihr Auto. Keine Sekunde lang würden Sie annehmen, ein Mensch hätte es gebaut. Das war bis in die 80er-Jahre anders. Keine Sekunde hätte man es damals für möglich gehalten, dass ein Roboter ein Auto baut. Und so geht es mit der Mehrheit der Produkte. Während es früher als Selbstverständlichkeit galt, dass ein Mensch für Bügeleisen, Wandschrank, Radio, Sofa und Vase verantwortlich war, ist es heute eine Selbstverständlichkeit, dass kein Mensch mehr nennenswert in die Fertigung involviert ist.
Und doch kennen wir die liebenswerten Ausnahmen, die eigenhändig Tische zimmern, Glas blasen, Sofas restaurieren und Röhrenradios zusammenbauen. Ihre Produkte stehen bei Manufactum mit einem eindrucksvollen Preis, den wir aus einem nostalgischen Gefühl heraus bezahlen.
… die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass wir das normal finden werden.
Analoges könnte 2035 zu beobachten sein. Wir wissen, dass der neue Bestseller nicht von einem Menschen geschrieben wurde, kennen aber noch Menschen, die Bücher schreiben. Es wird einen Massenmarkt geben und einen für Liebhaber – und die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass wir das normal finden werden.
Fun fact zum Schluss. Zwischen dem ersten Auto moderner Prägung (Ford T) und der Mondlandung lagen ganze 61 Jahre.