29. Januar 2024
Magazin-Tipp

So fördern und fordern die Schulen

Vom 5. bis 9. Februar finden in Hamburg die Anmeldungen an den weiterführenden Schulen statt. Für Eltern, deren Kinder einen Forder- oder Förderbedarf haben, findet sich hier ein Überblick.

Plakat in der Schule für mehr Individualität

Ein Plakat der Bugenhagenschule macht klar: Individualität statt Schubladendenken!

Redaktion: Sophie Rhine/Michael Wendland

Dieser Artikel ist als „letzter“ Überblick vor der Schulwahl oder erster Eindruck für Eltern von Drittklässlern gedacht. Wir erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit und bitten um Verständnis, dass eine Auswahl der Schulen getroffen wurde. Wir haben uns hierbei auf Stadtteilschulen und Gymnasien eingeschränkt. Im unteren Teil des Artikels finden Sie eine Sammlung hilfreicher Links zu den Förder- und Forderprogrammen der Schulen im Hamburger Westen. 

Die Wahl der weiterführenden Schulen verbinden viele Eltern mit einer gewissen Unsicherheit. Der kürzlich aus dem Amt verabschiedete Schulsenator Ties Rabe beschwichtigt: Die Schule um die Ecke müsse die beste sein. Womit er meinte, jede Schule in Hamburg müsse die Bedürfnisse der Kinder erfüllen können. Bei den vielen Unterschieden, etwa zu Musik-, Sport- oder Arbeitsgemeinschaften wird klar, Ties Rabe bezog sich auf das grundlegende Unterrichtsniveau, Förder- und Forderangebote.

Förderung und Tempo

Fragen werfen da erneut die Ergebnisse der PISA-Studie aus 2023 auf. Die Förderung von Schülerinnen und Schülern ist ein wiederkehrendes Thema, vor allem in Deutschland. Doch Hamburgs Schulen stehen hier vergleichsweise gut da. Und das nicht „nur“ bei der Förderung von Kindern und Jugendlichen, die kleine Defizite beim Rechnen oder Schreiben haben. Es geht auch um jene, die eine Lernbehinderung oder Auffälligkeiten wie AD(H)S haben oder unter psychischen Belastungen, etwa durch Flucht oder häusliche Gewalt, leiden.

Die Frage ist, wie fängt man diese Kinder auf, ohne den Rest der Klasse aufzuhalten? Und wie sieht es am anderen Ende des Spektrums aus? Wie verhindert man, dass hochbegabte Kinder durch ein „normales“ Lerntempo ausgebremst werden? Bewohnerinnen und Bewohner der Elbvororte haben auch hier ein Luxusproblem, denn die Auswahl der Schulen ist groß, die Qualität hoch.

Förderung

Für die Förderung an Hamburgs Schulen gibt es zwar einheitliche Vorgaben, aber kein einheitliches Vorgehen. Das heißt, die Schulen sind personell, materiell und konzeptionell verschieden aufgestellt und so ergeben sich Unterschiede. Vorgeschrieben ist hamburgweit zum Beispiel das Konzept „Fördern statt Wiederholen“. Das bedeutet, dass Schülerinnen und Schüler, bei einer Leistung ab „ausreichend minus“ nicht automatisch sitzenbleiben, sondern die Wahl haben, an einem Förderkurs teilzunehmen, um den Stoff nachzuholen und die Leistung in dem Fach zu verbessern. Diese finden meist außerhalb des Regelunterrichts statt.

Das Förderband

Ein weiteres Konzept ist das Förderband, das in Hamburg weitestgehend etabliert ist, auch an den Grundschulen. Die Förderbänder können unterschiedlich nach den jeweiligen Gegebenheiten in den Schulen organisiert werden: für verschiedene Jahrgangsstufen, klassenübergreifend, täglich oder an mehreren Tagen für 30 Minuten, meist in den Hauptfächern. In Hamburgs Gymnasien wird zu 85 Prozent außerhalb des Regelunterrichts oder in sogenannten Förderbändern gefördert.

Am Marion Dönhoff Gymnasium (MDG) ist das Förderband zum Beispiel in den Vormittag integriert, vom zweiten Halbjahr der Jahrgangsstufe 6 bis 10. Außerdem gibt es hier zusätzliche Förderkurse am Nachmittag sowie ein Lerntraining. Auch die Stadtteilschulen (STS) bieten das Förderband an, so zum Beispiel in Rissen von der 5. bis zur 10. Klasse. Zusätzlich bietet man dort für die Jahrgänge 5 bis 7 montags bis donnerstags nach der Mittagspause eine Lernzeit an.

Lese- und Rechtschreibschwäche

Viele Schulen bieten Kurse zur Sprachförderung an. Diese richten sich an Schülerinnen und Schüler mit einer Lese- bzw. Rechtschreibschwäche oder solche, die eine andere Muttersprache haben und Deutsch neu lernen müssen. So üben an der STS Blankenese ehrenamtliche Lesementoren eine Stunde pro Woche in eins zu eins Betreuung mit einem Kind Lesen. Solche Mentorenprogramme finden sich auch andernorts. Die Förderbänder helfen ebenfalls bei der Sprachförderung.

AD(H)S

Immer häufiger wird das Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom diagnostiziert. Nicht alle Betroffenen leiden auch unter Hyperaktivität. Und nicht alle mit diesem Syndrom haben einen Förderbedarf. Liegt er aber vor, sind die Hilfsmöglichkeiten so breit gefächert wie die Erkrankung selbst. Von schulischer Seite gehört dazu etwa der Umgang mit einem Nachteilsausgleich, auf den viele Betroffene Anspruch haben. Unterstützung durch sozialpädagogische Kräfte, Vertrauenslehrkräfte, Förderkurse, der Einsatz von Bewegung und Reizregulierung, etwa durch Kopfhörer, sind weitere Hilfsangebote. Und es gibt noch folgende Möglichkeiten:

Emotionale und soziale Defizite

Insel an der Schule in Rissen
Die Pädagogin Claudia Stolley bei ihrer Arbeit an der Stadtteilschule Rissen in der „Insel“ // Foto: STS Rissen

Wer eine Auszeit braucht, kriegt die an vielen Schulen. Die STS Rissen bietet etwa an, dass Schüler ein Zeichen verabreden, wenn sie eine kurze Auszeit möchten. Auch an der Bugenhagenschule (Bewerbungsfrist endete bereits am 31.12.2023) gibt es solche Möglichkeiten. Die Stadtteilschulen Rissen, Blankenese und Bugenhagen haben außerdem sogenannte Inseln. Das sind Orte, an denen Kinder in ruhiger Atmosphäre und in kleineren Gruppen lernen oder auch ausruhen können. Kinder mit besonderer Belastung können hier täglich „aufgefangen“ werden. Damit ist hier genau das erfüllt, was die PISA-Studie Estland hoch anrechnete: Kinder mit Förderbedarf aus dem Klassenverband zu nehmen zum gegenseitigen Vorteil. Neben AD(H)S betrifft dies oftmals Kinder und Jugendliche mit emotionalen und sozialen Störungen.

Die Bedarfe entdecken und handeln

Um hier Bedarfe überhaupt zu bemerken, sind die Lehrkräfte in der Pflicht. An den STS Blankenese, Rissen und der Bugenhagen-Schule helfen ihnen dabei Sozialpädagoginnen und -pädagogen. „So bekommt man einen besseren Überblick und verschiedene Perspektiven auf die Schülerinnen und Schüler“, sagt Imke Tober, Förderkoordinatorin der STS Blankenese. Häufig fallen diese Stellen mit dem Pädagogischen und Therapeutischen Fachpersonal (PTF) zusammen. Für dieses haben die Stadtteilschulen je nach Größe und örtlichen Anforderungen ein entsprechendes Budget. Die Inseln bieten einen geschützten Raum. PTFler können hier gezielt das Gespräch suchen und gegebenenfalls schauen, ob eine Diagnostik angezeigt ist. Läuft es auf einen sonderpädagogischen Förderbedarf hinaus, wird entsprechend geplant. Die STS Rissen hat für diesen Fall derzeit sechs Sonderpädagoginnen und -pädagogen. Eine solche Besetzung gibt es an den wenigsten Gymnasien.

Autismus

Für Kinder und Jugendliche aus dem autistischen Spektrum gibt es nicht selten eine simple Lösung: „Wir passen die Aufgabenstellungen an, insbesondere in Klausuren“, sagt Heidi Schönfeldt vom Gymnasium Blankenese. Jemand mit dem Asperger Syndrom müsse zum Beispiel keine zwischenmenschlichen Beziehungen analysieren.

Körperliche Behinderungen

Hier ist die STS Blankenese als Schwerpunktschule bestens ausgestattet. So gibt es zum Beispiel einen eigenen Therapieraum für Physio- und Ergotherapie. Oft gehen körperliche Einschränkungen auch mit einer Schulbegleitung einher – sprich, einer Person, die die Schülerin oder den Schüler im Alltag begleitet.
Am Gymnasium Blankenese wurde für einen schwerhörigen Schüler ein Klassenraum akustisch ertüchtigt, sprich mit Mikrophonen ausgestattet, so dass alles, was die Mitschülerinnen, Mitschüler, Lehrer und Lehrerinnen sagen, besser verständlich ist und zusätzlich auf das Hörgerät übertragen wird.
Einer anderen Schülerin wurde trotz Hirntumor ein möglichst normaler Schulalltag ermöglicht: Ein Roboter war an ihrer Stelle in der Schule anwesend. „Sie konnte ihn steuern, bewegen und war so sichtbar in der Klasse, konnte alles sehen und kommunizieren“, sagt Schulleiter Michael Koops. „Natürlich gab es noch Einschränkungen, aber es war die beste Möglichkeit, die wir uns vorstellen konnten.“

Geistige Einschränkungen

Schülerinnen und Schüler mit geistigen Einschränkungen wie zum Beispiel dem Down-Syndrom brauchen oft mehr oder auch eine andere Art von Aufmerksamkeit. Hier greifen neben Lern- und Schulbegleitenden spezielle Förderungen. An der Bugenhagen-Schule gibt es daher das Projekt „Alltagshelden“: Drei Stunden pro Woche bekommen Kinder und Jugendliche mit Förderbedarf dort schulunspezifische Themen nähergebracht. „Das ist in der Tiefe im inklusiven Setting nicht möglich“, erklärt Standortleiter Hayo Janssen. „Da geht es um die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel, Bezahlen oder auch Sexualkunde.“ In den höheren Jahrgängen gibt es zusätzlich den „Campus Blankenese“: eine Berufsorientierung und ein Netzwerk für Jugendliche mit Förderbedarf.

Begabtenförderung

Häufig kommt der Vorwurf, an Schulen würden auch die Schwächsten mitgezogen und die Besten würden dadurch auf der Strecke bleiben. Dafür gibt es an den Schulen zahlreiche Möglichkeiten, seine Interessen und Talente auszuweiten.
„Alle Schülerinnen und Schüler haben Talente, aber auch Baustellen“, sagt Alice Greven, Beauftragte für Begabungsförderung an der STS Blankenese. „Und um sich den Baustellen widmen zu können, braucht man als Ausgleich auch Konzentration auf die Talente.“

Die Begabungspiloten

Lego Kurs an der Schule
Begabungen erkennen und fördern: An der STS Blankenese können Jugendliche mit Lego programmieren.

Die Schule ist Teil des Projekts „Begabungspiloten“ und der bundesweiten Initiative „Leistung macht Schule“ (LEMAS). „Wir sind dadurch mit über 300 Schulen vernetzt, tauschen uns über neue Konzepte aus und kriegen auch regelmäßig Input von außenstehenden Expertinnen und Experten“, erklärt Alice Greven. Auch ein Teil der Finanzierung läuft hierüber. Ganz klassisch gibt es Neigungskurse und Begabtenkurse, die im Anschluss an den regulären Unterricht stattfinden.

Damit Zeit kein Hindernis darstellt, gibt es zusätzlich das Drehtürenmodell: Drei verschiedene Kurse laufen gleichzeitig, immer über drei Monate. Sie haben verschiedene Themen – aktuell gibt es Kurse zu Programmieren mit Lego, Physik und Jugend debattiert – und richten sich an verschiedene Jahrgangsstufen. Über drei Wege können Kinder und Jugendliche in diese Kurse kommen: Sie können sich selber bei Interesse vorschlagen, sie können sich untereinander vorschlagen oder von Lehrkräften vorgeschlagen werden. Zwei Schulstunden pro Woche dürfen sie dann im regulären Unterricht fehlen und sich im Drehtürkurs etwas widmen, woran sie Spaß haben.

Drehtürkurse, FabLab und vieles mehr

Einen Drehtürkurs pro Schuljahr gibt es auch am Lise-Meitner-Gymnasium. Hier wird zwei Stunden pro Woche gemeinsam getüftelt, die Ergebnisse werden am Ende des Schuljahres in einer schulöffentlichen Präsentation vorgestellt. Zudem werden nach der Jahrgangsstufe sechs die Klassen regelhaft neu nach Interessen zusammengesetzt: Es entstehen eine MINT-Profil-Klasse und mehrere Universal-Profil-Klassen. Die MINT-Profil-Klasse nimmt verstärkt an mathematischen und naturwissenschaftlichen Wettbewerben teil. In den Universal-Profil-Klassen weitet sich der Fokus auf unterschiedliche Themen. Wettbewerbe haben dort eher gesellschaftswissenschaftliche Schwerpunkte. Auch das MDG bietet solche Kurse an.

Ein etwas anderes Konzept fährt das Gymnasium Blankenese: Wer in einem oder mehreren Fächern scheinbar außerordentlich begabt ist, bekommt eine Förderbescheinigung ausgestellt und darf im schuleigenen Forschungszentrum nach seinen eigenen Interessen forschen. Im FabLab können technisch und handwerklich begeisterte Schülerinnen und Schüler programmieren, basteln oder am 3D-Drucker lernen. Auch das Gymnasium Rissen bietet Talentförderungen an: Es hat einen bilingualen Schwerpunkt, ein MINT-Profil, eine Begabtenförderung und eine Volleyball-Talentförderung.

Exzellenzkurse

Das Christianeum setzt auf Exzellenz-Kurse in Mathematik und Deutsch und bietet sprachbegabten Kindern die Möglichkeit, ab Klasse sechs zusätzlich chinesisch zu lernen.
An der Bugenhagen-Schule sind extra Kurse für Begabte (noch) kein Thema: „Da würden aufgrund unserer geringeren Größe pro Jahrgang nicht genügend Schülerinnen und Schüler zusammenkommen“, erklärt Stefanie Hintze, Abteilungsleiterin für die Unterstufe. Trotzdem werden alle ausreichend gefordert: „Wir können die Unterrichtsmaterialien in den einzelnen Lerngruppen auf verschiedenen Niveaustufen anpassen, so dass alle in den Lernzeiten auch wirklich ausgelastet sind.“ Außerdem gibt es zahlreiche Austausch- und Reiseangebote, um auch außerhalb der Schule zu lernen. Auch die Teilnahme an externen Wettbewerben in nahezu allen Fachbereichen wird an allen Schulen gefördert.

Die Stadtteilschule Rissen baut den Bereich Begabtenförderung indessen aus. Zwei Lehrkräfte kümmern sich derzeit um diese Aufgabe. Festhalten kann man hier, dass Begabungsförderung nicht mehr nur ein Thema der Gymnasien ist.

Besondere Projekte

Hunde an der Schule
Die Schulhündinnen Wilma, Merry und Emmi sorgen an der STS Blankenese für ein besseres Lernklima. //Foto: STS Blankenese

Im weiteren Sinn kann man auch Schulhunde zur Förderung zählen. Die gibt es an der STS Blankenese und der Bugenhagen-Schule. Und da reicht eigentlich schon die reine Anwesenheit: „Dadurch verändert sich die Atmosphäre im Klassenzimmer komplett“, erzählt Imke Tober. „Auf die Hunde nehmen alle automatisch Rücksicht, sind vorsichtiger, leiser. Wenn der Hund unterm Pult einschläft, wurde alles richtig gemacht.“ Neben diesen „analogen“ Helfern, setzt die Bugenhagenschule auch stark auf digitale Mittel wie Tablets. Und VirtualReality-Brillen gibt es auch, mit passenden Materialien für jedes Fach.

Die STS Rissen bietet einen eigenen Imkerkurs und einen Goldschmiedekurs. Das Gymnasium Blankenese hat ein „segelndes Kassenzimmer“, das eineinhalb Jahre lang die Teilnehmenden auf ihre Segeltour am Ende der zehnten Klasse vorbereitet. Und die Bugenhagenschule hat Berufskurse, auch gezielt mit inklusiven Anspruch.

Kleines Fazit zu einem großen Angebot

Insgesamt gibt es ein umfassendes Förder- und Forderangebot. Inklusion und Integration stehen dabei an erster Stelle, es soll möglichst wenig „Extra“ zum Unterricht geschehen, sondern möglichst währenddessen oder nebenbei. Und es gilt, auf die individuellen Bedürfnisse einzugehen. Dafür ist ein Austausch zwischen Eltern, Kindern und (Beratungs-)Lehrerinnen und Lehrern erforderlich. Und um die Bedürfnisse überhaupt zu kennen, ein achtsames Miteinander an der Schule.

Linksammlung

Gymnasien:

Gymnasium BlankeneseBegabtenförderung

Marion Dönhoff Gymnasium (Blankenese): Fördern und Fordern

Gymnasium Rissen:Fördern / Fordern

Gymnasium Hochrad: Fach- und Lernförderung / Begabtenförderung

Ganztagschule Jenisch Gymnasium Hamburg  (Nienstedten)

Christianeum Hamburg (Othmarschen): Fördern und Fordern

Lise Meitner Gymnasium (Osdorf): Förderunterricht / Sprachförderung

Stastteilschulen:

Geschwister-Scholl-Stadtteilschule (Osdorf/Lurup): Inklusion / Fördern und Fordern

Bugenhagenschule (Blankenese): Die Bugenhagenschule hat ein spezielles Förderangebot zudem Sie über das Schulbüro Informationen beziehen können sowie hier: Downloadbereich – Bugenhagenschule Blankenese (bugenhagen-schulen.de)

Stadtteilschule Blankenese:Begabungsförderung / Förderung

Stadtteilschule Rissen:Forder- und Förderangebote

Stadtteilschule Flottbek:Fördern statt wiederholen / Inklusion / Sprachförderung / Begabtenförderung

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