Vor mir steht eine Tasse Cappuccino, warm, duftend, der Milchschaum schön verziert. Dazu ein Pistaziencroissant, ebenfalls warm und duftend. 9 Uhr. Perfekte Zeit für so ein süßes Frühstück und insbesondere einen Kaffee. Einen Spezialitätenkaffee. Da stimmen mir scheinbar viele Leute zu, denn bei Carroux ist es ziemlich voll. Vorm Tresen wird geschnackt, die Stimmen vermischen sich mit dem Klappern von Geschirr, den Geräuschen der Kaffeemaschine und des Rösters.
Seit über 25 Jahren röstet Uli Carroux schon Kaffee, damit war er ein Pionier der Kaffeebranche. Lediglich die Kaffeerösterei Burg gab es in Hamburg damals schon. „Damals gab es nur Industriekaffee. Der hat aber nicht geschmeckt, das hat keinen Spaß gemacht“, erzählt Uli. „Da musste was getan werden.“ Also tat er was, erfüllte sich seinen Traum der eigenen Espresso Marke und brachte guten Kaffee in die Elbvororte. Blankenese war damals wie heute ein guter Standort: „Die Leute hier wissen gute Produkte zu schätzen. Man muss aber abliefern.“
Das tut das Carroux-Team seit 1998, mit gleichbleibend hoher Qualität. Natürlich schmeckt der Kaffee nicht immer exakt gleich: „Es ist ein Naturprodukt. Jede Ernte schmeckt anders“, erklärt Shop-Manager und Röster Kolja. Das Geschmacksprofil bleibt aber gleich, das Sortiment der Rösterei auch. „Am Anfang ist es sehr viel Arbeit und Verkosten, bis man die richtige Mischung findet“, sagt Uli. Er hat damals die richtige Hausmischung für sich gefunden.
Das Sortiment ist seitdem gleichgeblieben: ein dunkel gerösteter Espresso, ein heller Crema und eine entkoffeinierte Röstung sowie drei Filterkaffees. „So gewährleisten wir, dass die Qualität stimmt und alle Sorten immer verfügbar sind“, so der Inhaber. Zwei Rösttrommeln laufen nahezu jeden Tag. Eine in Billbrook, wo für die Großkunden aus der Gastronomie geröstet wird, und die andere im Café an der Elbchaussee. Zwei Tonnen Kaffee pro Monat kommen dabei ungefähr rum.
An der Rösttrommel geht eine kleine Klappe auf, braune Bohnen rasseln ins Kühlsieb, wo sie „gerührt“ werden. Die 20 Minuten sind scheinbar um. Kolja wirft einen prüfenden Blick auf die Bohnen und scheint zufrieden. Er röstet auf Sicht, nicht stumpf nach Programm. Und bei maximal 220 Grad. „In der Industrie wird oft dreifach so heiß geröstet, dafür viel kürzer – meiner Meinung nach die schlechte Variante“, sagt er. Eigentlich sollen die fertig gerösteten Bohnen mindestens eine Woche entgasen, damit sie ihren vollen Geschmack entfalten können. „Wir stellen sie nach dem Rösten nicht sofort ins Regal. Aber manche Kunden lieben das und wollen den tagesfrischen Kaffee“, sagt er lachend.
Man schmeckt den Unterschied
Ein etwas größeres Sortiment verteilt auf eine auch etwas größere Menge Spezialitätenkaffee produziert Jan-Cort Hoban. Er röstet seit 2012 in Rissen. Etwas versteckt liegt das eher unscheinbare Gebäude von Mr. Hoban´s direkt an der Wedeler Landstraße. Wir sitzen auf den einzigen beiden Stühlen auf der kleinen Wiese, eine kleine Kanne Filterkaffee und zwei Tassen. „Einer meiner aktuellen Favoriten – davon gab es nur zwei Säcke und ich war zufällig gerade auf der Farm zu Besuch und konnte sie mir sichern“, erzählt er.
Hier in Rissen wird geröstet, verpackt, etikettiert und verschickt. Das Team besteht nur aus ihm und seiner Frau. Den Großteil verkauft er an die Gastronomie oder online, aber auch direkt vor Ort erhält man die sechs verschiedenen Filterkaffees und vier Espressi. Man bekommt auch eine Tasse Kaffee, eine wirkliche Gastronomie gibt es aber nicht. „Das wäre schon ein Fulltime-Job, aber da habe ich keine Lust drauf. Ich möchte rösten und die Beziehungen zu den Produzenten pflegen“, erklärt Jan-Cort. Auch ohne Café kommen die Kaffeeliebhaber zu ihm, und zwar nicht nur die absoluten Nerds: „Es kommen alle, bunt gemischt, auch ohne viel Ahnung von Kaffee. Aber auch die merken den Unterschied zu Industriekaffee und das ist schön.“
Sein Sortiment war mal größer, „jetzt liegt der Fokus mehr auf der Beziehung zu den Produzenten. Und ich möchte jedem einzelnen so viel abnehmen wie möglich“, erklärt Jan-Cort. Aus sechs verschiedenen Ländern bezieht er Rohkaffee, überall stehen lokale Projekte dahinter. Aufforstung, regenerativer Anbau, soziale Projekte zur Stärkung von Frauen und Kindern. „Das sind alles Projekte, bei denen ich das Gefühl habe, da muss man was machen, das fühlt sich einfach richtig an“, sagt er. Von Kaffee kann er nie genug kriegen: „Klar, das ist meine Arbeit, aber es ist auch das, was ich am liebsten mache“, sagt Jan-Cort. Er trinkt ihn auch leidenschaftlich gern. An Rösttagen acht Espressi. Einen Lieblingskaffee hat er nicht, „das ist wie die Frage nach dem Lieblingskind.“
Erstmal schwarz probieren!
Tag drei, Rösterei drei. Es sieht nach Industriegelände aus und erstmal verlaufe ich mich, von außen sieht alles gleich aus, wie kleine Lagerhallen. Schließlich finde ich jemanden, der mich zum Ziel bringt: Back Delight. Seit 2008 gibt es die Spezialitäten-Rösterei, entstanden aus dem Spezialitäten-Importeur Tranquillo. Auch wenn Italiener viel können: Die klassische italienische Röstung, also dunkel und schokoladig, überzeugte nicht für Filterkaffee. „Kurzerhand wurde eine eigene Rösterei gegründet, die Produktion nach und nach gesteigert“, erzählt Ferdinand Zwiener, der für die Qualitätssicherung zuständig ist und ab und zu auch selber röstet. Knapp 40 Tonnen Kaffee purzeln im Jahr durch den Trommelröster. Der Kaffee wird von lokalen Händlern bezogen, da sich die Kaffeemenge auf ein relativ großes Sortiment verteilt und insbesondere bei den wechselnden, saisonalen Specialties dementsprechend nur eine kleine Menge Rohkaffee benötigt wird.
„Manchmal entscheiden wir uns sehr schnell für eine Bohne, wie bei dem hier“, sagt Ferdinand und gießt uns Kaffee ein. Ein Single Origin aus Kolumbien, der ganz neu im Sortiment ist. „Bei Blends ist es komplizierter, da hat man ein Geschmacksprofil im Kopf und es kann eine Weile dauern, bis man die perfekte Mischung und dafür dann die perfekte Röstkurve gefunden hat.“ Die perfekte Mischung bedeutet für ihn Ausgewogenheit, nicht nur Säure oder Bitternoten. „Da gibt es dann viele Richtungen und es ist letztendlich Geschmackssache. Kaffee muss schmecken, ich bin auch nicht beleidigt, wenn jemand Milch reinkippt – nur erstmal probieren ist schön.“
Cupping heißt das Verfahren zur Bewertung und Analyse des Kaffees. In kleinen Cups wird gemahlener Kaffee mit heißem Wasser übergossen und mit Löffeln probiert. So können die verschiedenen Aromen und Nuancen bewertet werden. „Das ist immer spannend – Kaffee hat über 800 Aromen und schmeckt eigentlich nie gleich“, so Ferdinand. „Eine Espressoverkostung kann aber auch echt anstrengend werden“, sagt er lachend.
Spezialitätenkaffee nur für Nerds?
Der nächste Besuch führt mich in die Speicherstadt. Nicht zur Speicherstadt Kaffeerösterei, die den meisten ein Begriff ist. Knapp hundert Meter weiter zu Kaffeeheimat. Hier röstet er nicht, das passiert in Seestermühe. Hier hält Erik Brockholz Kaffeeseminare für Einsteiger und Nerds. Angefangen hat er damit 2015 und dann schnell gemerkt, dass Seminare ohne den richtigen Kaffee nicht so viel Sinn ergeben. Kurz darauf kamen die ersten Sorten von Kaffeebrewda auf den Markt. Mittlerweile gibt es noch drei weitere Marken, die zur Kaffeeheimat gehören: die Landrösterei und zwei „Spielereien“, nämlich aromatisierte Kaffees im Candy Club und experimentelle Sorten mit dem Logo Nöörd.
Den gelernten Koch kann man guten Gewissens als Kaffeenerd bezeichnen, die Leidenschaft für die Bohne ist ihm anzumerken. Diese Leidenschaft teilt er gerne, ebenso sein Wissen. „Ein Grundverständnis und -interesse sollte jeder haben, der Kaffee trinkt, sonst kann man viel falsch machen, egal, wie gut der Kaffee an sich ist“, sagt Erik. Und diese Leidenschaft steckt auch in jedem seiner Kaffees: „Von der Bohne bis zum Barista steckt in dem Produkt Liebe und Fleiß. Kaffee sollte kein Billigprodukt oder Mittel zum Zweck sein, sondern ein Genussmittel, was Wertschätzung verdient“, stellt er klar. Seine Bohnen bezieht er ebenfalls direkt vom Ursprung und kann Besuche vor Ort nur empfehlen: „Dann sieht man, wieviel Arbeit da drinsteckt, alleine das Pflücken.“
Mit Kaffee was verändern
Tag fünf, wirklich klein ist die Rösterei nicht: Mit 200 Tonnen pro Jahr gehört Elbgold zu den größeren Röstereien im Speciality Coffee Bereich. „Was wir machen, macht aber auch erst ab einer gewissen Größe Sinn“, sagt Daniel Shijaku, Business Development Manager. „Um etwas im Ursprung zu verändern, braucht man Signifikanz.“ Und verändern will die Rösterei in der Sternschanze insbesondere etwas hinsichtlich einer fairen Bezahlung der Kaffeebauern.
„Deshalb bezieht Elbgold alle Bohnen direkt von den Produzenten. Wir wissen immer, wer dahintersteht und bauen langfristige Partnerschaften auf Augenhöhe auf“, erklärt Daniel. Dazu gehört eine angemessene Bezahlung: „Wir verhandeln nicht, sondern fragen jedes Jahr aufs Neue, was die Kaffeeproduzenten brauchen. Und wenn es Ernteausfälle gibt, zahlen wir das, was sie benötigen, um diese zu kompensieren.“ Zudem finanziert Elbgold den Kaffee zinsfrei vor, sodass die Kaffeebauern das Geld direkt reinvestieren können, in Personal, verbesserte Qualitätsprozesse, neue Kaffeepflanzen und weitere Projekte.
Aber natürlich ist dabei die Kaffeequalität zentral. Spezialitätenkaffee beginnt bei 80 Punkten nach SCA (Specialty Coffee Association) Score, bei Elbgold geht es erst ab 85 Punkten los. Die Produzenten dieser exzellenten Bohnen lernt das Team entweder auf Reisen oder durch Wettbewerbe kennen. „Als Q-Grader sind wir oft in der Jury vertreten, zum Beispiel beim Cup of Excellence. Da kann man Kontakte herstellen, um dann die Menschen hinter den besten Kaffees kennenzulernen“, sagt Daniel. „Durch unsere persönlichen Beziehungen und langjährigen Partnerschaften sichern wir uns dann – basierend auf Vertrauen – den Zugang zu den besten Rohkaffees.“
In den Hamburger Elbgold Stores dient Kaffee als Kommunikationsmedium: „Über den Genuss wollen wir die Arbeit der Produzenten in den Mittelpunkt stellen und so Schluck für Schluck einen Beitrag leisten, um die Welt dahinter zu verbessern.“
Kaffee und seine Eigenheiten
Wieder in der Speicherstadt, diesmal in der Speicherstadt-Rösterei. 300 Tonnen Kaffee werden hier, mitten im Café, geröstet und eine Etage drüber verpackt und etikettiert, um dann zum Teil wieder unten im Café und Shop über den Tresen zu gehen. „Von den Zahlen sind wir keine kleine Rösterei mehr, von der Herangehensweise und der Leidenschaft schon“, sagt Marten Pulmer aus dem Außendienst. „Wir suchen die Bohnen erst nach Qualität, den Projekten dahinter und der Fairness aus, dann kriegen wir den Preis.“
23 Kaffees umfasst das Sortiment, von klassisch, schokoladig bis hin zu fruchtig und beerig. „Am Farbsystem kann man gut erkennen, welche Sorten ein ähnliches Geschmacksprofil haben“, erklärt er. Jedes Ursprungsland hat dabei seine Eigenheiten. Diese erhalten wir beim Rösten und arbeiten sie heraus. „Kaffee ist ein Naturprodukt und so vielfältig – die Vielfalt wollen wir abbilden. So ist auch für jeden der passende Kaffee dabei.“
Spezialitätenkaffee für alle!
Meine letzte Station: Hanseatic Coffee Roasters in Bahrenfeld. Mit knapp 350 Tonnen die größte Rösterei, die ich besuche. Ursprünglich wurde hier geröstet. Genau da, wo ich jetzt mit Sven und Frederic Peters sitze, natürlich wieder mit einer Tasse Kaffee vor mir. Allerdings gab es eine Beschwerde wegen des Kaffeegeruchs aus der Nachbarschaft – wie kann man davon zu viel kriegen? – und seitdem wird in Rahlstedt geröstet, gemeinsam mit den Public Coffee Roasters.
Der Ansatz der beiden ist ein etwas anderer: „Wir wollen Spezialitätenkaffee für jeden zugänglich machen“, erklärt Frederic. Deswegen ist der Kaffee auch von Anfang an im Lebensmitteleinzelhandel zu finden. „Da waren wir mit die ersten, zusammen mit der Speicherstadt Rösterei“, sagt Sven. „Dafür wurden wir auch anfangs oft schief angeguckt oder uns wurde vorgeworfen, wir würden den Spezialitätenkaffee verraten. Die Sichtweise hat sich spätestens seit Corona verändert.“
Für Spezialitätenkaffee sind die Produkte vergleichsweise günstig, eben „um mit gutem Kaffee die Masse zu erreichen und dem Industriekaffee etwas entgegenzusetzen“, so Sven. Um die Preise trotz steigender Rohkaffeepreise einigermaßen stabil zu halten, sind die beiden nur selten in den Ursprungsländern. „Aber wir kennen die Farmer und die Projekte, die dahinterstehen durch unsere Händler und Videocalls“, sagt Frederic. „Wir gehen langjährige Partnerschaften ein und wechseln so selten wie möglich.“
Die beiden merken: Das Konzept geht auf, die Nachfrage steigt stetig. „Das Interesse an gutem, fairem Kaffee steigt, das Bewusstsein wird stärker“, stellt Sven fest. „Das sieht man sowohl hier im Laden als auch daran, dass immer mehr Büros weg vom Industriekaffee gehen“, ergänzt Frederic. Mit fruchtigem und experimentellem Kaffee tun sich allerdings noch viele schwer: „Diese Nuancen haben wir zum Teil in den Länderkaffees mit drin, aber der Großteil der Allgemeinheit will immer noch klassischen Kaffee.“
Ich erkenne ein Muster

Hell, dunkel, fruchtig, beerig, schokoladig, klassisch oder experimentell. Alle Röstereien haben ihren eigenen Schwerpunkt. In manchen Punkten sind sich aber alle einig: Kaffee darf nicht billig sein. Bei 2,19 Euro Kaffeesteuer pro Kilo, den Mengen Wasser, die die Pflanzen brauchen, den Transportwegen und dann sollen die Produzenten und ihre Mitarbeiter auf den Farmen fair bezahlt werden. Der Klimawandel sorgt zusätzlich für Ernteausfälle. Aber in allen Röstereien stellt man fest: Die Hamburgerinnen und Hamburger zeigen immer mehr Interesse an ihrem Kaffee, wo er herkommt, wer dahinter steht.
Auch beim Rösten an sich gibt es Gemeinsamkeiten. Die Bohne sollte nicht zu dunkel geröstet sein. Nicht zu heiß, nicht zu kurz, sondern schonend und zur Sorte passend. „Man kann aus jeder Bohne mit der passenden Röstung das Maximum an Geschmack rausholen“, bringt es Jan-Cort Hoban auf den Punkt. Woran man guten Kaffee erkennt? „Es sollten möglichst viele Infos auf der Packung stehen“, sagt Erik Brockholz. „Das Röstdatum, das Geschmacksprofil, für welche Zubereitungsart ist der Kaffee gedacht, wo kommt der Rohkaffee her, was ist es für eine Bohnenart…“ Und trotzdem ist Vorsicht geboten: „Man kann mit einer schicken Verpackung, einem Bio-Siegel und sogar falschen Infos leicht gute Qualität vortäuschen“, warnt Frederic Peters.
Also: Nichts geht über den Kauf in einem lokalen Fachgeschäft oder direkt in der Rösterei! Und was ich persönlich gelernt habe: Es lohnt sich, Spezialitätenkaffee erstmal schwarz zu trinken.
Hintergrundinfos zum Thema Kaffee finden Sie hier.
Was ist Spezialitätenkaffee?
Spezialitätenkaffee bezeichnet hochwertige Kaffeebohnen, die unter idealen Bedingungen angebaut, geerntet und verarbeitet werden. Diese Kaffees zeichnen sich durch außergewöhnliche Geschmacksnoten, hohe Qualität und Transparenz aus. Im Gegensatz zu Massenprodukten stammt Specialty Coffee von ausgewählten Anbaugebieten, und die gesamte Lieferkette — von der Bohne bis zur Tasse — ist vollständig nachvollziehbar. Die Bewertung von Specialty Coffee erfolgt durch professionelle Verkoster, sogenannte Q-Grader, nach den Standards der Specialty Coffee Association (SCA). Damit ein Kaffee als Spezialitätenkaffee eingestuft wird, muss er auf einer Skala von 0 bis 100 mindestens 80 Punkte erreichen.