26. April 2024
Magazin-Tipp

Tims Thesen: Die Logik der Flat-Earther

An dieser Stelle erscheint jeden Monat Tim Holzhäusers Glosse mit einer gewagten These. Diesen Monat geht es um die Verschwörungstheorien der Flat-Earther.

Autor Tims Thesen

Redaktionsleiter Tim Holzhäuser

Einer der interessantesten Instagram-Auftritte kommt von der NASA. Man erfährt viel über Missionen zwischen Mond und Mars, unterfüttert mit Fakten. Nicht lesen sollte man die Kommentare. Wir alle haben von Flat-Earthern gehört, die glauben, dass die Erde eine Scheibe ist – buchen das aber eher als Nischenerscheinung im Trash-TV ab.

Mitnichten. Flat-Earther, Verschwörungstheoretiker, Impfgegner und Esoteriker finden sich unter jedem Social Media-Auftritt, der wissenschaftliche Arbeit darstellt: Stets eine Flut an Kommentaren, in denen keine Zweifel am Gezeigten geäußert werden, sondern Gewissheit, dass Corona eine Erfindung der CIA ist, die Erde flach, die Mondlandung nie stattgefunden hat, die Mars-Missionen im Studio entstehen.

Ich kann es nicht belegen, habe aber das deutliche Gefühl, dass die Zahl der Flat-Earther wächst. Woran das liegt? Dazu kommen wir gleich; erst aber eine weitere Beobachtung: Es gibt natürlich immer wieder die Bemühung, absurde Ansichten durch Fakten zu widerlegen. Dieses Unterfangen ist aber hoffnungslos. Es wurde schon vorgeschlagen, Flat-Earther in eine Rakete zu setzen und sie um die Erde kreisen zu lassen. Die Damen und Herren lehnten das ab mit folgender Begründung: Woher sollten sie wissen, dass die Bullaugen der Raumfähre keine Monitore seien, auf denen der Planet nur rund simuliert werde?

„Es geht nicht um Fakten, sondern um Opposition …“

Wir sehen, es geht nicht um Fakten, sondern um direkte Opposition gegen die Wissenschaft als solche. Flat-Earther negieren die Mondlandung ebenso wie die Wirksamkeit von Impfungen, obwohl keinerlei Zusammenhang besteht. Es ist der Mittelfinger gegen die Empirie. Don‘t look up! Aber warum werden sie nun mehr?

These: Wegen Phänomenen wie dem des Klimawandels. Der ist erwiesen, die Ursache ist belegt und doch hat die Mehrheit sich darauf geeinigt, das Phänomen nicht ernst zu nehmen. Wir tun so, als würden Brände, Artensterben und Flüchtlingsströme nicht existieren. Ein hochgradig irrationales Verhalten. Angesichts der Veränderungen, die jetzt schon deutlich werden, wäre eher Aktionismus erwartbar, Panik oder Realitätsflucht – und genau die sehen wir bei Flat-Earthern.

Wenn Wissenschaftler den Planeten auf eine existenzielle Krise zusteuern sehen und dies mit ihren Methoden belegen, gleichzeitig aber Gesellschaften rund um den Globus diese Warnungen nicht ernst nehmen, dann könnte man logisch schlussfolgern: Mit der Methodik stimmt etwas nicht, die Wissenschaft liegt grundsätzlich falsch. Der Silberstreif am Horizont, die Hoffnung, dass es letztlich noch mal gut geht, ist dann durch Abkehr vom Ursache-Wirkungs-Denken zu erreichen. Genau das tut der Flat-Earther – und ich muss zugeben: Mit einer gewissen Logik.

Auch interessant