Tims Thesen im Dezember 2022: Wollen Sie einen meiner hinterhältigen Pläne kennenlernen? Wenn mich mal jemand unflätig beleidigt, werde ich versuchen, ihn* anzuzeigen. Mir ist nämlich aufgefallen, dass die deutsche Rechtsprechung persönliche Herabsetzungen drakonisch bestraft. Grobe Kraftwörter können eine Strafe von mehreren Tausend Euro nach sich ziehen und selbst Schwächlinge wie „Hampelmann“ oder „Oberförster“ (zum Zöllner) bringen ein paar Hunderter.
Mir geht es da aber nicht nur ums Geld, sondern auch um das entsetzte Gesicht des Beleidigers, wenn er realisiert, dass sich Höflichkeit eben doch auszahlt oder zumindest das Leben einfacher macht. Für mich wäre das Geld eine Art Schadensersatz für ruinierte Lebenszeit.
20.000 Euro für einen Mittelfinger
Ein prominenter Beleidigungsfall passierte im Sommer im Hamburger Rathaus. Bekanntlich hat Udo Lindenberg dort den Mittelfinger in Richtung AfD-Fraktion aufblitzen lassen. Die Folge war eine Anzeige. Im Falle einer Verurteilung drohen Lindenberg angeblich bis zu 20.000 Euro. Staatsanwaltssprecherin Liddy Oechtering führte aus: „Der Strafrahmen für eine Beleidigung reicht von einer Geldstrafe bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe, unter besonderen Umständen aber auch bis zu zwei oder gar drei Jahren Freiheitsstrafe.“
Ich habe mir daraufhin die letzten Facebook-Posts der AfD angesehen: Ein Wust an Falschbehauptungen, Unterstellungen, Erfindungen, Diffamierungen. Das garniert mit russischer Propaganda, Leugnen der menschengemachten Klimakrise etc. Wenn Lindenbergs Mittelfinger 20.000 bringt, dann müsste man mit den Strafzahlungen der AfD die Energiewende finanzieren können. Zweimal.
Müsste, hätte, können. Wir wissen: Solche Strafzahlungen gibt es nicht in großem Umfang. Zwar wird hin und wieder ein AfD-Neonazi wegen Volksverhetzung verknackt, aber das Rumerzählen gefährlichen Blödsinns bleibt meist straffrei. Das ist ärgerlich, weil die deutschen Gesetze Klagen wegen Falschbehauptungen durchaus zulassen. Nach meiner Beobachtung wird das von Betroffenen aber wenig genutzt.
Klagen gegen Fake News?
Zur These: Es würde der Gesellschaft gut und Populisten schlecht bekommen, würde mehr gegen Fake News geklagt. Denkbar ist eine Schadensersatzklage. Stellen Sie sich eine Volksgruppe vor, die wird von einer Partei derart verunglimpft, dass es zu gewaltsamen Übergriffen kommt. Jemand wird verletzt, ist berufsunfähig, kann seine Familie nicht mehr ernähren. Wer ist der eigentliche Verursacher? Wer trägt den Schaden? Das könnte ein Gericht entscheiden. Das bewusste Streuen von Fake News würde damit zu einer äußerst riskanten politischen Handlung.
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*Übrigens, bei den Leserbriefen ist mal wieder von Gender-Diktatur die Rede. Ich habe diesen Text daher grob vorsätzlich in der männlichen Version geschrieben. Als Test. Wenn ich nächste Woche noch da bin, macht diese Diktatur offenbar gerade ein Mittagsschläfchen oder ist generell etwas schwach auf den Beinen.
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