15. Mai 2023
Magazin-Tipp

Tims Thesen: Endet der Adapterwahnsinn?

An dieser Stelle erscheint jeden Monat Tim Holzhäusers Glosse mit einer gewagten These. Diesen Monat geht es um Kisten voller Kabel.

Autor Tims Thesen

Redaktionsleiter Tim Holzhäuser

Tims Thesen im Mai 2023:Wissen Sie, was jeder technikaffine Mensch hat? Eine Adapterkiste: Anfangs nur ein paar Kabel, dann ein Schuhkarton und schließlich eine Umzugskiste – voll mit Kabellage!

Immer wenn ich das Gewirr ansehe, höre ich einen 80er-Jahre Gitarrensound. Es sieht unfassbar retro aus, diese drei- und fünfpoligen Stecker, die 3,5-mm-Klinke auf 2,5-mm-Klinke, oder eben auf 6,35 mm. Bereits hier brauchen Sie mathematisches Geschick, um alle möglichen Kombinationen zu erfassen. Aber es geht fröhlich weiter: USB auf HDMI, USB auf Klinkenstecker, Thunderbolt auf VGA, Thunderbolt auf USB. Hinzu kommen verschiedene Kamerakabel, denn wir wissen: Jeder Hersteller benutzt einen eigenen Stecker. Außerdem liegt da ein Dutzend Monitorkabel, auch alle unterschiedlich – und dann die Konstruktion, mit der es mir gelungen ist, das Röhrenradio Bluetooth-fähig zu machen (Fünfpol-Stecker auf 3,5-mm-Klinke, die Klinke in einen sogenannten Bluetooth-Aux-Adapter).

Wie viele Kabel braucht man?

Bei jedem neuen Kabel der Gedanke: „Jetzt habe ich alles.“ Ist natürlich Quatsch! Nehmen wir mal an, es gäbe nur zwölf unterschiedliche Stecker. Dann hätten wir 1.000.000.000.000 Steckkombinationen. Der Plan dahinter ist klar: Die Industrie will den Konsumenten zwingen, nur Geräte der eigenen Marke miteinander zu verbinden. Nebenbei hat sie leider einen Leviathan mit 1.000.000.000.000 Kombinationsmöglichkeiten erschaffen, der mehrere asiatische Länder ernährt.

Würde man die Industrie nun zwingen, den Bockmist auf drei verschiedene Stecker einzudampfen, dann blieben wie viele Kombinationsmöglichkeiten? Zehn. Die Vereinfachung würde also nicht weniger ändern als weite Teile der Weltwirtschaft.

Ende in Sicht?

Wird es zu solch einer Vereinfachung kommen? Ja und nein. Die EU hat beschlossen, dass bis Ende 2024 Mobiltelefone, Tablets und Kameras über einen USB-C-Anschluss verfügen müssen. Langfristig wird diese Vereinfachung aber wieder kompensiert von Wildwuchs an anderer Stelle. Die Geräte werden komplexer und sie funktionieren immer häufiger mit Zubehör, wie externen Mikrofonen oder Lautsprechern. Die kommen weiterhin alle mit unterschiedlichen Steckern, denn hier gilt: Die Industrie vereinheitlicht nur, wenn es nicht anders geht. Eine nachhaltige Vereinfachung der Kabellage werden wir wohl erst nach einem drastischen Technologie-Sprung erleben, der die drahtlose Signalübermittlung als Standard etabliert.

Aber wir wissen: Jede neue Technik schafft neue Probleme. Vielleicht kämpfen wir dann mit Störungen, die sich nur durch Filter beheben lassen. Und Sie glauben doch nicht ernsthaft, dass Filter A dann ohne weiteres mit Produkt B kombinierbar ist?! Nein, komplizierte Lebensformen brauchen komplizierte Technik ebenso dringend wie 150 Sorten Cornflakes …

 

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