21. Juni 2022
Magazin-Tipp

Tims Thesen: Milliardäre im Weltall

Redaktionsleiter Tim Holzhäuser schreibt für den Klönschnack jeden Monat eine Glosse zu den verschiedensten Themen – Tims Thesen eben.

Autor Tims Thesen

Redaktionsleiter Tim Holzhäuser

Tims Thesen im Juni 2022: Jeff Bezos, Elon Musk, Richard Branson – sie alle eint ein geradezu theatralischer Kontostand und der Drang, die Menschheit ins All zu führen.

Warum? Weil sie es können! Oder in der Langfassung: Menschen wie Bezos haben durch ihren Kontostand die Macht von Regierungen erlangt – eine Macht so groß, dass sie imstande sind, Menschheitsaufgaben zu erledigen. Sie sind zu Schlüsselfiguren der Geschichte geworden. Durch den Umgang mit Technik haben sie außerdem die Fähigkeit erlangt, über bekannte Grenzen hinaus zu denken. Sie sind also nicht weniger als Wahrsager, die selbst unsere ferne Zukunft voraussehen können.

Zumindest denken sie das. Hier kommen wir zur These. Das oben Gesagte ist in meinen Augen eine Art gegen den Urheber selbst gerichtete Propaganda. In Wirklichkeit steigt der Milliardär in die Rakete, um der eigenen Bedeutungslosigkeit davonzufliegen.

Elon Musk bedeutungslos?!

Gucken wir uns die Sache genauer an, sozusagen auf Bodenlevel. Elon steht morgens auf, denkt an seinen Kontostand und erlangt damit wie jeden Morgen das Gefühl, der Auserwählte zu sein. Er federt aus dem Bett, springt ins Bad und sieht eine neue Falte über der Nasenwurzel. Ärgerliches Rubbeln. Dabei fällt ihm auch wieder ein, dass der Zahnarzt beim letzten Besuch „Oh!“, gesagt hat. Bei der Bestellung des Frühstücks ordert Elon „Tee“, obwohl er gestern auf Kaffee umsteigen wollte. Warum hat er das schon wieder vergessen?! Er ist doch keine 70!

Spätestens zum Mittagessen ist es wieder da, dieses bedrohliche Gefühl, er selbst könnte am Ende wirklich sterben. Das Gefühl gewinnt an Schärfe, als er ein Zimmermädchen beobachtet, das mit Betten und Mindestlohn kämpft, ebenfalls sterben wird und so, allegorisch gesehen, direkt neben Elon liegt. Das geht aber nicht! Das Schicksal kann ihm ja schlecht die Fähigkeit zuteilen MILLIARDEN anzuhäufen und gleichzeitig sagen: „Guck mal, das arme Bienchen aus Puerto Rico. Mit der könntest du dich schon mal anfreunden, ihr nehmt bald denselben Zug.“

Eine Postkarte an die Nörgler

Nein, sagt Elon. Nein, nein! Das Schicksal ist einer dieser Retro-Nörgler, die das große Ganze nicht erkannt haben. Er wird den Nörglern in ca. 250 Jahren eine Postkarte schicken. Vom Mars. Faltenfrei.

Letzte Frage: Ist diese Glosse vielleicht auch Retro-Nörgeln? Auf „Arte“ lief gerade die Reportage „Letzte Ausfahrt: Weltall“, in der viele Wissenschaftler zu Wort kommen. Deren Job ist es, auf Naturgesetze hinzuweisen. Mein Lieblingsbeispiel: Der Raumfahrer, der hinter einer großen Glasscheibe steht und das Weltall bewundert, wie im Film, würde realiter in 30 Sekunden von kosmischer und UV-Strahlung gegrillt werden.

Terraforming, also die nachträgliche Erzeugung einer Atmosphäre, zum Beispiel auf dem Mars, wird als pure Science-Fiction bezeichnet, die grob, wirklich grob, an den Naturgesetzen vorbeiführt.

Irgendjemand wird es den Jungs sagen müssen.

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