10. Juni 2025
Magazin-Tipp

Tims Thesen: Was kommt nach dem Crash?

An dieser Stelle erscheint jeden Monat Tim Holzhäusers Glosse mit einer gewagten These. In diesem Monat geht es um das absaufende Rentensystem.

Autor Tims Thesen

Redaktionsleiter Tim Holzhäuser

Tims Thesen im Juni 2025: Stellen Sie sich ein Binnenschiff vor. Es fährt seit Jahrzehnten. Dem Kapitän fällt allerdings auf, dass die Ladungsmenge immer weiter zunimmt. Das Schiff wird schwerer und schwerer. Auf seine Beschwerde hin verspricht der Spediteur einen neuen Anstrich.

In den kommen Jahren wird die Ladung noch schwerer; das Schiff liegt immer tiefer im Wasser. Der Kapitän weist darauf hin, dass ein Binnenschiff irgendwann einfach stecken bleibt. Ein Typ von der Versicherung steht mit dem Taschenrechner daneben und bestätigt: Wenn die Ladung weiter steigt, dann ist 2035 Endstation.

Der Kapitän sieht die Verträge für das nächste Jahrzehnt und findet heraus: Es gibt einen Haufen Vereinbarungen, mit einem Haufen Leute, die immer mehr Ladung zwingend erforderlich machen. Die Menge wird auf das Doppelte der derzeitigen Fracht steigen. Nix zu machen. Schiffsführer und Versicherer zücken ihre Taschenrechner und weisen nach: Geht nicht.

„Die junge Generation tritt hoch verschuldet an.“

Sie merken es, das Binnenschiff ist unser Sozialsystem, mit der Rente als Schwergewicht. Dieses System säuft gerade ab. Mit mathematischer Sicherheit. Die geburtenstarken Boomer gehen in Rente und geburtenschwache Generationen treten an ihre Stelle. Konservative Prognosen rechnen mit Sozialabgaben in den 2030er-Jahren von bis zu 50 Prozent. Wohlgemerkt, noch ohne Steuern. Derweil vergrößert der Staat seine Ausgaben. Fünf Prozent des BIP für Rüstung? Nun, das sind 42 Prozent des gesamten Haushalts.

Die junge Generation tritt demnach hoch verschuldet an. In ihren Büchern stehen neben Abgaben und Zinsbelastungen Naturkatastrophen aus einem Roland Emmerich-Film.

Wie gesagt, das sind keine Theorien, der ganze Salat ist quantifizierbar und lässt nur einen Schluss zu: Es wird in Deutschland zu einem Wohlstandseinbruch nie gekannten Ausmaßes kommen (zumindest in Friedenszeiten). Wer mit Versicherern und Mathematikern spricht, der erkennt: Der Einbruch hat längst begonnen. Die Politik muss den Wählern versprechen, dieses Systemversagen zu ignorieren, sonst war‘s das mit der Regierungsverantwortung. Die perfekte Sackgasse.

„Die große Dystopie bleibt aus …“

Die Frage muss daher lauten: Wenn dieser Wohlstandsverlust klar und unausweichlich ist, wie werden wir damit umgehen? Also vielleicht in zehn Jahren, wenn das Ausmaß vollends sichtbar wird? Meine These hierzu: Die große Dystopie bleibt aus. Die Menschen passen sich an und versuchen, die neue Lage in ein neues Weltbild einzupassen. So etwas konnte unsere Spezies schon immer gut.

Gab es am Maledivenstrand nicht eh diese fiesen Sandflöhe? War es nicht schon immer eher Glaubenssache, den Blanc de Blanc lecker zu finden? Kommt es nicht einer Erleichterung gleich, wenn die Kinder nicht mehrere Kubikmeter Spielsachen haben? Zumal keine persönliche Schuld erkennbar sein wird. Neues Biedermeier, der Mensch als fröhliches Fähnchen im Wind …

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