4. Mai 2015
Magazin

„Cannabis-Konsum macht dumm“


INTERVIEW DES MONATS

„Cannabis-Konsum macht dumm“

Sagen Sie mal …
… Ralf Martin Meyer, Polizeipräsident 

Hamburgs Polizeipräsident ist am 1. Mai seit einem Jahr im Amt. Mit dem langjährigen Beamten sprach KLÖNSCHNACK-Redakteur Schwalbach über Delikte wie Einbruch und Drogenhandel.

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„Vieles davon findet nicht in der Öffentlichkeit statt.“
Herr Polizeipräsident, als Sie am 1. Mai 2014 Ihren Posten antraten, sprachen Sie von großem Respekt vor der Aufgabe. Wie verlief das erste Jahr?
Die Sicherheit der Menschen in dieser Stadt zu gewährleisten mit vielen Facetten – die Kriminalität, dem Terrorismus und vieles mehr. Gleichzeitig eine Organisation mit 10.000 Mitarbeitern zu leiten, mit ganz vielen Schicksalen, Geschichten und Problemen. Das alles ist eine Aufgabe, vor der ich nach wie vor Respekt habe.

Sie sind seit fast vier Jahrzehnten bei der Polizei. Gibt es da noch Überraschungen?
In meiner Position als Polizeipräsident lerne ich auch Bereiche kennen, mit denen ich früher weniger zu tun hatte. Etwa, wenn ich Dienststellen wie die Wasserschutzpolizei besuche, mir ihre Arbeit erklären lasse und mir ein Bild von ihren Aufgaben mache. In Gesprächen mit Kolleginnen und Kollegen entwickeln sich immer wieder neue Aspekte und Ansätze: Wie ist es um die Führungskultur bestellt, wie steht es um die Gesundheit unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und welche Bedürfnisse haben sie? Am Ende geht es darum, die Polizei noch besser zu machen als sie schon ist.

Welche Linie verfolgen Sie als Polizeipräsident?
Mir geht es darum, dem Sicherheitsanspruch der Bürgerinnen und Bürger, aber auch der Besucher dieser Stadt mit einer modernen Großstadtpolizei gerecht zu werden. Ich möchte, dass meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die größtmögliche Zeit in ihren Kernaufgaben verbringen, nämlich für den Bürger da zu sein, um zum Beispiel bei 110-Anrufen schnell reagieren können. Hierfür muss man bestehende Arbeitsabläufe prüfen, wie wir eine Entlastung von administrativen Aufgaben erreichen können. So möchte ich, dass Zivilfahnder möglichst viel in Zivil auf der Straße fahnden und nicht so viel an Dienststellen sitzen, um am PC Berichte schreiben zu müssen. Dabei wollen wir insbesondere die technischen Möglichkeiten noch mehr nutzen. So sollen in einigen Jahren die Streifenwagen mit Tablet PC ausgestattet sein. Das bringt mehr Polizei auf die Straße.

Wer sich die vergangenen Jahrzehnte der Hamburger Polizei ansieht, dem fällt auf, dass es immer wieder Trends gab. Einer Zentralisierung folgte die Dezentralisierung. Dann wieder Kommando zurück. Wo geht es zur Zeit lang?
Es gab in der Vergangenheit immer wieder unterschiedliche Strömungen in der Organisationsphilosophie. Heute ist die Polizei modernisiert. Wir haben gerade einen umfangreichen Umorganisationsprozess hinter uns. Ich sehe keinen Grund, jetzt wieder alles auf den Kopf zu stellen. Wenn wir aber feststellen, dass sich etwas nicht bewährt, dann steuern wir um. Mein Hauptaugenmerk liegt jetzt vielmehr auf der Optimierung der Arbeitsabläufe. Welche Aufgaben können wir mit weniger Aufwand wahrnehmen und wo vermeiden wir Doppelarbeit?

Naturgemäß hat die Polizei eine andere Wahrnehmung von Kriminalität als die Bevölkerung.
Neben den nüchternen Zahlen ist ein wesentlicher Faktor der Sicherheit das Sicherheitsempfinden in der Bevölkerung. Zu unseren Aufgaben gehört deshalb auch, die Sicht der Menschen zu betrachten und ein Gefühl für ihre Sorgen und Nöte zu entwickeln und zu handeln, wo es brennt.

Wo brennt es denn zur Zeit besonders?
Unzweifelhaft sorgt sich der Bürger insbesondere bei dem Thema Wohnungseinbruch, wo wir bundesweit steigende Zahlen verzeichnen. Auch mir liegt die Bekämpfung der Einbruchskriminalität sehr am Herzen, denn Einbrüche verursachen nicht nur einen Sachschaden, sondern führen bei den Opfern nicht selten zu traumatischen Folgen. Deshalb werden wir auch in diesem Jahr verstärkt gegen Einbrecher vorgehen.

Wo sehen Sie die Ursachen für die Zunahme von Wohnungseinbrüchen?
Täter gehen dorthin, wo es optimale Gelegenheiten zum Einbruch gibt. Das sind insbesondere anonyme Ballungsgebiete, Metropolen wie Hamburg. Da gibt es zum einen die reisenden Täter, die gezielt zum Einbrechen kommen und nach kurzem Aufenthalt weiterreisen. Sie hinterlassen dadurch kaum identifizierbare Spuren. Das erschwert die Aufklärung. Daneben gibt es aber auch nach wie vor ortsansässige Einbrecher, die so ihren Lebensunterhalt oder ihre Drogensucht finanzieren wollen.

Wohlwissend, dass Sie sich beim Thema organisierte Kriminalität zurückhalten müssen, die Frage: Wie weit oben steht das Thema bei Ihrer Arbeit?
Das ist im Landeskriminalamt die zweitgrößte Abteilung, die sich mit dem Thema befasst. Daran kann man schon ablesen, dass die organisierte Kriminalität nach wie vor ein großes Thema bleibt.

Worum geht es da vor allem?
Es geht vor allem um die Bekämpfung der Rauschgiftkriminalität. In einer Hafenstadt wie Hamburg ist das Phänomen von besonderer Bedeutung. Rotterdam betrifft das genauso wie andere Hafenstädte, die oft Drehscheiben des Drogenhandels sind. Daneben zählen Schleusungen, Menschenhandel und die sogenannte Rotlichtkriminalität zum Themenfeld. Vieles davon findet nicht in der Öffentlichkeit statt.

Der lange Jahre recherchierende Autor Don Winslow sowie andere Experten plädieren für eine Freigabe von Drogen. Nur so könne der Drogenkriminalität der Boden entzogen werden. Der falsche Weg?
Das ist ein Irrweg und kommt vielmehr einer Kapitulation vor dem Verbrechen gleich. Wenn man diesem Ansatz folgen würde, könnten wir gleich weitere Straftatbestände abschaffen.

Der Bundesstaat Colorado hat Cannabis für den privaten Gebrauch freigegeben.
Andere Bundesstaaten folgen teilweise.

Studien belegen mittlerweile, dass angesichts des heute bestehenden hohen THC-Gehaltes der regelmäßige Konsum von Cannabis zu Gehirnschäden führt. Insbesondere bei jungen Menschen wird die Konzentrations- und Gedächtnisleistung beeinträchtigt. Ich lehne die Freigabe deshalb eindeutig ab, zumal ich zudem befürchte, dass die Freigabe von Cannabis in Hamburg eine größere Sogwirkung auf Konsumenten hätte.

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„Manche Menschen haben Freude am Krawall.“
Ein relativ neues Aufgabengebiet für die Polizei ist die Internet-Kriminalität.
Je mehr sich das Leben der Menschen auch im Internet abspielt, desto mehr kommen auch dort Formen der Kriminalität zum Tragen. Hier gibt es die unterschiedlichsten Phänomene vom Mobbing, dem Betrug, Hackerangriffen und Datendiebstählen bis hin zu Erpressungen und Sabotageangriffen. Deshalb haben wir die Aus- und Fortbildung unserer Kollegen für die Bekämpfung der Internet-Kriminalität ausgebaut, setzen auf Prävention und Aufklärung und optimieren unsere Bekämpfungsansätze durch eine enge Verzahnung von Forschung und Lehre der Akademie der Polizei und unserem Landeskriminalamt.

Das Image der Hamburger Polizei ist überwiegend positiv. Einige behaupten aber, in Hamburg habe sich noch nie ein Polizist wegen Übergriffen auf Demonstranten verantworten müssen.
Eine Aussage, die so nicht stimmt. Es gibt verschiedene Urteile gegen Polizisten. Das ist schon deshalb eher selten, weil sich die Anschuldigungen tatsächlich in den meisten Fällen als gegenstandslos erwiesen. Oft waren die Vorwürfe aus der Luft gegriffen. Wenn die Polizei eingreift, jemanden festnehmen muss, der Widerstand leistet, muss sie Zwang anwenden. Das geht leider nicht, ohne den Arm eines Widersachers auf den Rücken zu drehen. Sollte es zu Vorwürfen gegen die Polizei kommen, haben wir mit dem Dezernat für interne Ermittlungen eine Dienststelle, die nicht Teil der Polizei ist und für die Staatsanwaltschaft ermittelt.

Auf der anderen Seite wundert sich mancher, was sich Polizisten an Beleidigungen und Pöbeleien bieten lassen.
In der Tat müssen Polizisten heute leider ein gewisses Maß an Anfeindungen aushalten. Die Grenze ist hier die Straftat, wenn ein körperlicher Angriff oder eine Beleidigung erfolgt ist. Mich ärgert, dass in diesen Fällen die Rolle der Polizei allzuoft verkannt wird. Die Polizei hat die Rolle des Schiedsrichters. Der kontrolliert auf dem Fußballfeld die Einhaltung der Regeln und trifft die Entscheidung bei Verstößen. Dabei kann er nicht zurückbeleidigen, sondern zeigt die gelbe oder rote Karte und stellt jemanden vom Platz. Die Polizei muss ähnlich handeln.

Hat die Gewaltbereitschaft insgesamt zugenommen?
Quantitativ hat die Gewalt gegen Polizisten nicht zugenommen. Verstärkt hat sich allerdings die Art der Gewalt. Zudem stellen wir fest, dass die Respektlosigkeit gegenüber Polizisten gestiegen und die Akzeptanz von Maßnahmen gesunken ist. Das erschwert selbst bei eigentlich einfachen Einsätzen das Einschreiten nicht unerheblich. So kommt es nicht selten vor, dass junge Menschen das Einschreiten der Polizei pauschal infrage stellen und unter Hinweis auf das Gesetzbuch auf ihre Rechte pochen.

Wie beim Amtsantritt im vergangenen Jahr, haben Ihre Kollegen es anlässlich des 1. Mais wieder mit Adrenalin-Junkies zu tun, die Lust am Krawall haben.
Bei manchen Ereignissen haben wir es leider auch mit Menschen zu tun, die eine besondere Freude am Krawall haben. Die Anlässe ausnutzen, es als Erlebnis betrachten, um ihre Gewaltfantasien auszuleben. Das verurteile ich und sehe, dass wir dagegen konsequent vorgehen müssen. Und das tun wir auch!

Herr Meyer, der KLÖNSCHNACK dankt für das Gespräch.

Autor: helmut.schwalbach(at)kloenschnack.de

www.polizei.hamburg.de

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