Zukunftsforscher haben es vorausgesagt und nun erleben wir es: Die Probleme, denen sich Politik und Gesellschaft stellen müssen, werden größer und sie treten gehäuft auf. Erst die Corona-Pandemie, dann der Ukraine-Krieg, gefolgt von einer beispiellosen Energiekrise. Mit dem Klimawandel steht das nächste gewaltige Thema auf der Agenda. In Großstädten wie Hamburg verschwimmt dabei immer mehr die Lokal- mit Bundes- oder sogar Weltpolitik. Der Ferienflieger, der aufgrund von Ökoprotesten in Hamburg nicht abheben kann in ein brennendes Urlaubsgebiet, illustriert dies drastisch.
Wahlen werden aber nach wie vor an der Urne vor Ort entschieden. Kein Politiker kann das Lokale völlig aus dem Blick verlieren, auch wenn der Weltenbrand droht. Wie gehen die Volksvertreter mit diesem Widerspruch um? Welche Themen sind auf der Agenda? Wo gibt es Unterschiede, wo Gemeinsamkeit? Wir haben nachgefragt, ohne Themenvorgabe, ohne Einschränkungen.
Die Gastkommentatoren
Dennis Thering (CDU) ist seit März 2020 Vorsitzender der CDU-Bürgerschaftsfraktion und seit April diesen Jahres auch Landesvorsitzender der Christdemokraten. Überdies ist er der Bürgermeisterkandidat seiner Partei. Er ist angetreten, um der CDU mehr „Profilschärfe“ zu geben. Wie kaum ein anderer kennt er sich mit den Positionen der CDU aus.
Dr. Andreas Dressel (SPD) ist seit März 2018 Hamburgs Finanzsenator. Seine Behörde ist stets maßgeblich an den Planungen der Stadt beteiligt. Durch die enge Verbindung zu den anderen Behörden ist er naturgemäß einer der ersten, der sich mit künftigen Aufgaben und Problemen beschäftigen muss.
Dennis Thering
Landes- und Fraktionsvorsitzender der CDU Hamburg
Eine Politik-Kritik
Hamburg steht vor großen Herausforderungen, die Unzufriedenheit mit dem rot-grünen Senat wächst und die Zahl an politischen Baustellen in unserer Stadt nimmt täglich zu. Eine schwächelnde Wirtschaft, ein Hafen im Sinkflug, steigende Kriminalität, die einseitige Verkehrspolitik, ein erlahmender Wohnungsbau und ein unterfinanzierter Wissenschaftsstandort sind nur einige der vielen Themen, die dringend angegangen werden müssen. Hinzu kommen Inflation, steigende Kosten und die Energiekrise, die natürlich nicht spurlos an Hamburg vorbeigehen.
War Bürgermeister Tschentscher während der Corona-Krise noch dauerpräsent, ist seitdem nicht mehr viel von ihm zu hören. Dabei hat sich der zerstrittene Senat aus SPD und Grünen mittlerweile zu einem echten Standortnachteil entwickelt.
Hamburgs Wirtschaft und insbesondere unser Hafen müssen mit frischen Ideen, Investitionen und ideologiefreiem Pragmatismus endlich fit für die Zukunft gemacht werden. Eine starke Wirtschaft sichert Arbeitsplätze und den Wohlstand in unserer Stadt. Für Hamburg muss dieses Selbstverständnis politische Handlungsmaxime sein, wenn es um die Förderung und Sicherung von wirtschaftlichen Interessen geht. Hamburgs Hafen fällt gegenüber den Konkurrenzhäfen immer weiter zurück. Gleichzeitig kommen wichtige Infrastrukturprojekte nicht voran. Bei der Köhlbrandquerung hat die Wirtschaftsbehörde nach Jahren offensichtlicher Fehlplanungen vor kurzem quasi wieder alles „auf Null gestellt“. Bürgermeister Tschentscher schafft es einfach nicht, gerade jetzt mal positive Signale in den Hafen zu senden.
Auch die einseitige Verkehrspolitik von Peter Tschentscher und seinem Senat ist ein Trauerspiel und lässt die Wirtschaft im wahrsten Sinne im Stau stehen.
Wir haben als CDU-Fraktion unser Mobilitätskonzept für Hamburg vorgestellt. Denn Hamburgs Verkehrspolitik braucht einen Neustart. Es muss endlich Schluss sein mit Zwang und der einseitigen Bevorzugung einzelner Verkehrsmittel. Wir wollen als CDU endlich wieder alle Verkehrsteilnehmer in den Blick nehmen. Das Anwohnerparken in seiner jetzigen Form muss abgeschafft werden. Und der einseitige Kampf gegen das Auto muss aufhören. SPD und Grüne haben alleine seit 2022 1.475 Parkplätze in Hamburg abgebaut. Es bleibt dabei: Diese Verkehrspolitik ist und bleibt ein echter Standortnachteil für Hamburgs Wirtschaft, für den Mittelstand, für das Handwerk!
Die steigende Kriminalität in unserer Stadt macht mir große Sorgen. Denn die Lage ist an mehreren Orten mittlerweile unerträglich geworden: Gewalt, Kriminalität und Drogenhandel liegen dort an der Tagesordnung. Das gilt besonders auch für zentrale Orte der Innenstadt.
Rund um den Steindamm haben die Anwohnerinnen und Anwohner in der Dunkelheit ein mulmiges Gefühl und die Gewerbetreibenden fürchten um ihre Kunden. Der Hamburger Hauptbahnhof führt sogar das Negativranking bei Gewalt in ganz Deutschland an. Von der Situation rund um das Drob Inn ganz zu schweigen. Und am Jungfernstieg mag sich spätestens nach Geschäftsschluss auch niemand mehr bereitwillig aufhalten. Manche sprechen hier schon von No-Go-Areas. Wie konnten SPD und Grüne es nur so weit kommen lassen? Zu CDU-Regierungszeiten war die Situation deutlich besser. SPD und Grüne müssen jetzt dringend umsteuern, damit Hamburg nicht wieder zur Verbrechenshochburg wird.
Nach sieben Jahren Zusammenarbeit zwischen SPD und Grünen im Hamburger Rathaus werden die Gemeinsamkeiten spürbar weniger. Häufiger Streit und schwache Senatsmitglieder sorgen immer wieder für schlechte Schlagzeilen und ein entscheidungsschwacher Bürgermeister Tschentscher lässt seinem Koalitionspartner vieles durchgehen. Hamburg braucht endlich wieder neuen Schwung und neue Impulse. Es ist Zeit für einen Wechsel und eine Neuausrichtung der Politik im Rathaus. Die CDU Hamburg steht als Senatsalternative bereit.
Dr. Andreas Dressel
Finanzsenator der Freien und Hansestadt Hamburg, SPD
Die krisenfeste Metropole
Die letzten Jahre waren für Hamburg ohne Zweifel herausfordernd, auch und gerade aus Sicht eines Finanzsenators: Stichwort Corona-Pandemie und Angriffskrieg gegen die Ukraine mit den entsprechenden Folgen wie zum Beispiel Inflation, Energiekrise oder auch gestörte Lieferketten. Trotz allem bleibt festzustellen, dass wir die Herausforderungen bis hierhin gut gemeistert haben und Hamburg wirtschaftlich und finanziell weiter auf festem Boden steht. Klar ist aber auch: Die Anforderungen insbesondere an Metropolregionen werden in den kommenden Jahren und Jahrzehnten ganz sicher nicht kleiner.
Hamburg besitzt jedoch die Fähigkeit, auch in außerordentlichen Notsituationen die soziale, ökonomische und ökologische Stabilität aufrechtzuerhalten und sich von negativen Folgen schnell zu erholen. Wir haben genug finanzielle und wirtschaftliche Kraft in dieser Stadt, um auch große Herausforderungen gut zu meistern, ohne dass an den Grundfesten gerüttelt wird und ohne dass wir die großen Linien verlassen müssen. Das haben die letzten Jahre gezeigt. Aber Politik sollte natürlich immer mehr sein als Krisenbewältigung oder Krisenprävention. So wichtig es ist, kurzfristige Antworten auf finanzpolitische Herausforderungen zu finden, so wichtig ist es auch, die Zukunftsstadt Hamburg mit einem klaren Plan zu gestalten. Deshalb treiben wir die großen Zukunftsthemen wie Mobilität, Wohnen, Transformation und Digitalisierung, Wirtschaft und Wissenschaft sowie Forschung und Innovation für unsere Stadt unverändert weiter voran.
Es versteht sich von selbst, dass das alles mit einem ganz erheblichen finanziellen Aufwand verbunden ist. Um ein paar konkrete Beispiele zu nennen: Allein in den kommenden beiden Jahren investieren wir in den Ausbau des U- und S-Bahnnetzes 435 Millionen Euro. 900 Millionen Euro haben wir über das Sondervermögen Schnellbahnausbau bereits zurückgelegt. 100 Millionen Euro werden wir für die Förderung des Radverkehrs aufwenden. Die ÖPNV-Angebotsoffensive wird mit 158 Millionen Euro zu Buche schlagen. Wir fördern die Elektromobilität: Die öffentliche Ladeinfrastruktur wird von 1.200 Ladepunkten (Anfang 2022) auf 2.000 Ladepunkte in 2025 ausgebaut. Wir investieren jährlich durchschnittlich rund 350 Mio. Euro in die Sanierung und den Bau unserer Schulgebäude. Und wir werden auch weiter Spitzenforschung „Made in Hamburg“ wie zum Beispiel die Science City Bahrenfeld vorantreiben. Erst kürzlich haben wir uns in Bahrenfeld weitere Liegenschaften für die Stadt gesichert, um den Ausbau sicherzustellen.
Ganz generell ist es unser erklärtes strategisches Ziel, die städtische Eigentumsquote durch gezielte Ankäufe zu erhöhen. Damit sichern wir uns im Sinne einer nachhaltigen und sozialen Bodenpolitik bedeutsame Flächen für die Stadtentwicklung Hamburgs. Gezielte Ankäufe sind also eine lohnende Investition in die Zukunft, denn wir müssen das städtische Wachstum vor dem Hintergrund der endlichen Ressource Boden nachhaltig und qualitätsvoll gestalten. Dafür brauchen wir Handlungsspielraum und städtischen Zugriff auf Flächen.
Klar ist auch: Wir werden alles tun, damit der Wohnungsbaumotor in Hamburg weiterläuft. Ein wichtiges Instrument unserer Bodenpolitik ist in diesem Zusammenhang das Erbbaurecht. Dabei geben wir den Grund und Boden nicht aus städtischer Hand, sorgen aber mit attraktiven Konditionen dafür, dass Wohnraum entstehen kann. So haben wir gerade erst den Erbbauzins in Hamburg für den Wohnungsbau von 1,5 auf 1,3 Prozent sowie für den Gewerbebau von 1,8 auf 1,6 Prozent weiter abgesenkt. Bei derzeitigen Bauzinsen um die 4 Prozent für langjährige Baufinanzierungen macht ein sinkender Erbbauzins von 1,3 Prozent das Erbbaurecht noch attraktiver. Unter den deutschen Metropolen können wir damit die besten Konditionen bieten.
Wir haben seit 2011 einen Kurs solider Finanzpolitik eingeschlagen, der uns auch durch schwierige Zeiten trägt. Wir haben nicht zuletzt – Stichwort Generationengerechtigkeit – in den vergangenen Jahren die guten finanzpolitischen Rahmenbedingungen genutzt, um Kredite zu tilgen und somit Schulden abzubauen.
Hamburg ist eine starke und solidarische Stadt. Wir haben die besten Voraussetzungen, um auch die kommenden Herausforderungen erfolgreich zu meistern.
Ein Resümee
Politik ist häufig Ansichtssache und so lässt sich nun streiten über die Sicht der Hamburger CDU- und SPD-Fraktion. Scheuklappen mögen vorkommen, ebenso Klientelpolitik bishin zu nacktem Lobbyismus. Aber auch die Bereitschaft zu Verantwortung, zu Streit und Gespräch – ohne allzu radikale Wendungen.
Auch hier lohnt der Blick ins Globale: Während sich speziell rechte Parteien weltweit in teilweise sektenhafte Überspitzungen hineinsteigern, geht es an der Elbe auch in Zeiten von Fake News noch bemerkenswert nüchtern zur Sache. In diesen Zeiten definitiv ein Standortvorteil.