15. November 2025
Verkehr

Das erleben Taxifahrer in Hamburg

Teil drei unserer Verkehrsserie gibt Einblick in den Berufsalltag der Taxifahrerin Dörte Vöhrs. Sie spricht im Interview über tägliche Gefahren im Straßenverkehr.

Dörte Vöhrs ist eine der erfahrensten Taxifahrerinnen Hamburgs.

Frau Vöhrs, durch die jüngsten Unfälle wird der Fahrradverkehr in Hamburg stark diskutiert. Haben Sie ein Beispiel, wo es in ihrem Job zu Konflikten mit Radfahrern kommt?

Viele Radfahrer haben die neue Rechts-vor-Links-Regelung an der Elbchaussee noch nicht verinnerlicht.

Dann haben wir festgestellt, dass sich viele nicht so sehr an Ampeln halten. Neulich wollte ich nach links in die Hasenhöhe abbiegen. Auf der Straße kam ein Radfahrer, der bei Rot fuhr, obwohl ich Vorfahrt hatte. Ein Vater mit zwei Kindern vorne im Lastenrad, ohne Helme. Er hat mir einfach die Vorfahrt genommen und ich musste abrupt bremsen, um einen Zusammenstoß zu verhindern. Da habe ich mir erlaubt zu hupen, und habe dafür den Stinkefinger gekriegt. Und das mit Kindern an Bord – ich finde das äußerst unverantwortlich. Die Eltern sollten sich besser auskennen und die Verkehrsregeln auch beachten. Wenn jemand wie dieser Vater einfach durchzieht, lernen die Kinder ja auch nichts.

Sharrows – Ein fauler Kompromiss

Wie stehen Sie zu den Sharrows, also den neuen Piktogrammen, auf Höhe des Hotels Lous C. Jacob?

An dieser Stelle war das Vorankommen schon immer schwierig, weil es dort eng ist. Das heißt, man muss warten, bis es keinen Gegenverkehr gibt und erst dann kann man die Fahrräder sicher überholen. Die Polizei sagte, die bisherige Regelung funktioniere nicht und hat die Radweg-Markierungen entfernt. Jetzt sind andere Piktogramme dort, aber ich frage mich, warum auf der Elbchaussee überhaupt Fahrrad gefahren werden muss, wenn wir doch den Elberadweg und die Verlängerung als Veloroute haben. Wir brauchen keine drei parallelen Radstrecken. Ich würde persönlich nie auf der Elbchaussee fahren bei dem Verkehr, den Bussen und allem. Es ist viel angenehmer, unten an der Elbe zu fahren, auch wenn man bei Övelgönne ein Stückchen schieben muss. Aber da kann man theoretisch ja kurz nach oben ausweichen und später geht es wieder unten weiter.

Aber auf den Radwegen an der Elbchaussee können sich vielerorts keine zwei Räder überholen. Das heißt, man muss wieder auf die Straße oder den Gehweg ausweichen und dass kann nicht Sinn der Übung sein. Aber der Fahrradweg war wohl politisch gewollt. Ich finde, dabei ist etwas herausgekommen, das keiner Seite gerecht wird.

Haben Sie ein Beispiel?

Nehmen wir die E-Scooter. Wo es möglich ist, müssen sie auf Radwegen fahren. Andernfalls dürfen sie auf der Straße fahren. Aber viele Fahrerinnen und Fahrer der E-Scooter, haben kaum Verkehrserfahrung. Das ist gefährlich. Bei Radfahrer erlebe ich es, dass sich viele nicht an Regeln halten. Sie fahren einfach quer über Straßen und Kreuzungen, oft in hohem Tempo. Gerade ältere Menschen erschrecken sich, wenn jemand so dicht an ihnen vorbeirauscht. Meiner Mutter ist genau das passiert – sie ist gestürzt, weil ein Radfahrer zu nah an ihr vorbeifuhr.

Radfahrer fahren manchmal zu mehreren nebeneinander. Wie sehen Sie das?

Das behindert natürlich den Autoverkehr. Aber es kommen ja nicht alle Probleme allein durch eine Verkehrsart. Ich habe den Eindruck, dass insgesamt weniger Rücksicht genommen wird.

Wenn ich mit dem Auto abbiegen will, rennen viele Fußgänger einfach über die Straße – oft mit dem Blick aufs Handy. Eigentlich müssten sie anhalten und schauen, ob ein Auto kommt. Stattdessen laufen sie einfach los. Ich finde, man sollte Blickkontakt aufnehmen. Wenn ich dann winke, dass sie gehen können, ist das okay. Aber ohne Blickkontakt sollten sie eigentlich stehen bleiben.

Der Verkehrsmix auf Hamburgs Straßen wird immer größer. Dies bringt mehr Mobilität und mehr Gefahrenquellen.
Roller, Räder, Lastenrad … Der Verkehrsmix auf Hamburgs Straßen wird immer größer. Dies bringt mehr Mobilität, aber auch mehr Gefahrenquellen.

Warten auf den Masterplan – Das Drama um Parkplätze

Die Stadt Hamburg arbeitet an einem Parkplatz-Masterplan. Wie sehen sie die Parkplatzsituation?

In der Bahnhofstraße (Blankenese) klappt das momentan ganz gut – mit den Parkgebühren findet man meist einen Platz. Nur freitags oder an Markttagen dauert es etwas länger.

In anderen Stadtteilen, wie Eimsbüttel, ist es wirklich schwierig – vor allem für uns Taxifahrer. Wenn wir Fahrgäste zu Arztpraxen bringen oder abholen, gibt es oft keine Möglichkeit zu halten. Wir dürfen nicht auf Radwegen halten, und wenn ich aussteige, ist es formal schon ein Parkvorgang – das ist verboten. Aber was soll man tun?

Gerade bei Praxen, in denen viele ältere oder gehbehinderte Menschen behandelt werden, ist das ein echtes Problem. Ich muss dann erst die Tür öffnen, den Fahrstuhl holen, die Patientin oder den Patienten hineinbringen und sagen: „Wenn die Tür aufgeht, bitte wieder aussteigen.“ Viele können das allein gar nicht.

Ein freundlicher Fahrradpolizist hat mir einmal gesagt: „Frau Vöhrs, bleiben Sie ruhig kurz auf dem Ballindamm stehen.“ Die Polizei hier kennt unsere Situation. Solange wir nur wenige Minuten halten und niemanden blockieren, gibt es normalerweise keinen Strafzettel.


Haben Sie den Eindruck, dass es in Hamburg immer mehr Autos gibt?

Ja, definitiv. Viele Leute kaufen sich ein Dritt- oder Viertauto – oder ein E-Auto fürs „gute Gewissen“. Dasselbe gilt für E-Bikes. Aber viele wissen gar nicht, wie sie sich im Straßenverkehr richtig verhalten müssen – zum Beispiel, wie breit ihr Gefährt ist oder wo man überhaupt fahren darf. Und dann haben sie noch beim Lastenrad Kinder hinten drauf, obwohl man den Weg auch zu Fuß schaffen könnte.

Und Ihr Fazit?

Ich beobachte, dass der gesellschaftliche Zusammenhalt schwindet. Jeder ist nur noch auf sich fixiert. Das macht mich traurig. Wir erleben in unserem Beruf täglich gefährliche Situationen. In der Stadt muss man ständig auf andere Verkehrsteilnehmer achten – mehr als auf sich selbst.

Gerade Lkw-Fahrer sind oft in einer heiklen Lage: Wenn sie rechts abbiegen und blinken, sehen sie Radfahrer neben sich häufig nicht. Wenn dann etwas passiert, heißt es in den Medien schnell, der Lkw-Fahrer sei „gerast“. Dabei stimmt das nicht – die können gar nicht rasen in der Stadt. Ich würde mich mit dem Fahrrad nie neben ein blinkendes Fahrzeug stellen – egal ob Lkw, Bus oder Pkw. Ich bleibe lieber dahinter, weil ich weiß: Der biegt gleich ab.

Frau Vöhrs, wir danken Ihnen für das Gespräch.

 

Zur Person

Dörte Vöhrs ist seit über 40 Jahren Taxifahrerin und hat einen eigenen Taxenbetrieb in Blankenese. Sie gehört zum Vorstand der Taxen Union Hamburg, einer beruflichen Interessenvertretung, die zwischen Politik, Betrieben und der Öffentlichkeit vermittelt. Dörte Vöhrs nimmt außerdem in der Handelskammer Hamburg die notwendige Fachkundeprüfung angehender Taxifahrerinnen und -Fahrer ab.

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