Frau Griefahn, fassen Sie bitte kurz zusammen, was eFuels sind.
eFuels sind synthetisch erzeugte Kraftstoffe. Sie bestehen aus Wasserstoff, der mit CO2 aus der Atmosphäre angereichert wird. So kommen die eFuels in eine Form, die man wie fossile Kraftstoffe nutzen und transportieren kann. Es sind also Kraftstoffe, die chemisch identisch sind mit fossilen Kraftstoffen. Aber sie sind eben klimaneutral, weil für die Herstellung CO₂ aus der Atmosphäre entnommen wird. Dies wird erst wieder durch die Verbrennung im Motor freigesetzt.
Bei der Wasserstoffherstellung wird viel Energie benötigt. Davon steckt nur etwa 50 Prozent in den eFuels. Wäre es da nicht effizienter, die Energie gleich für E-Autos zu nutzen?
Das ist immer das „Totschlagargument“. Aber wir haben zum einen den Altbestand von Verbrennern und zum anderen gibt es Länder wie Chile, die sagen, sie können 70-mal mehr grüne Energie produzieren, als sie selbst nutzen können.
Wenn wir zu einem guten Preis Energie erhalten können, die nicht das Klima schädigt und nicht unter Oligarchen und Diktatoren hergestellt worden ist, dann spielt die Effizienz für mich nicht die entscheidende Rolle.
Enthalten eFuels Zusatzstoffe oder sind sie sauberer als die „alten“ Treibstoffe?
Sie sind sauberer als fossile Treibstoffe. Es entsteht zum Beispiel kein Feinstaub, weil die Basis ausschließlich aus Wasserstoff und CO₂ besteht.
Können diese Treibstoffe genauso verwendet werden wie konventionelle Kraftstoffe oder müsste sich an den Motoren etwas ändern?
Die neuen Kraftstoffe können genauso wie die alten eingesetzt werden, auch in den bereits vorhandenen Motoren. Das ist angesichts der weltweit 1,4 Milliarden bestehenden PKW, die nicht von heute auf morgen in die Elektromobilität überführt werden können, schon interessant.
Wo sehen sie weitere Vorteile der eFuels?
Es fallen ähnliche Fraktionen wie beim Öl an. Also Benzin, Diesel, Kerosin, Schweröl und so weiter. Sie sind damit auch für Flugzeuge, Schiffe und so weiter geeignet. Und man kann eFuels auch beimischen, so wie es bereits heute beim E10-Kraftstoff ist. Man könnte beispielsweise bei geringer Verfügbarkeit fünf oder zehn Prozent eFuels beimischen und so die CO₂-Bilanz schon verbessern. Anders als Wasserstoff sind die synthetischen Treibstoffe gut zu lagern und zu transportieren.
Von welchem Potenzial sprechen wir hier?
Wenn wir nur fünf Prozent Diesel durch eFuels ersetzen, könnten wir zum Beispiel im europäischen Verkehrssektor 14 bis 30 Milliarden Liter Diesel bis zum Jahr 2030 ersetzen.
Aber diese Treibstoffe müssten importiert werden.
Ja, viele Menschen sagen immer wieder, es sei nicht gut, etwas zu importieren. Aber wir importieren bereits heute 80 Prozent unserer Treibstoffe aus Russland, Saudi-Arabien und Katar. Wenn wir unsere Energie aber aus anderen Ländern importieren, wo es sehr viel Wind und Sonne gibt, wie Australien, Namibia oder Chile, dann haben wir die Möglichkeiten, es aufzuteilen und uns nicht so abhängig zu machen. Und so könnten wir auch günstig und sofort etwas für das Klima tun. Wir müssten nicht warten, bis alles elektrifiziert ist.
Wir sind eine Ergänzung- und Technologie-Offenheits-Lobby.
Sie gehören der eFuels Alliance an – eine Interessenvertretung für alle Beteiligten im Bereich eFuels. Sind Sie so eine Art Gegengewicht zur Öl-Lobby, also eine Gegen-Lobby?
Wir sind keine Gegen-Lobby, sondern eine Ergänzungs- und Technologie-Offenheits-Lobby. Wir schaffen es nicht, die erneuerbaren Energien in Deutschland und Europa so auszubauen, dass wir unseren eigenen Verkehr vollständig elektrifizieren können. Und wir können unsere Industrie noch nicht vollständig mit Wasserstoff versorgen. Wir brauchen dafür immer noch Importe. Wir haben eine zu starke Abhängigkeit von Russland, Katar und Saudi-Arabien. Wenn wir die reduzieren wollen, sind die eFuels eine gute Ergänzung zur Eigenproduktion von Strom und Wasserstoff.
Holt man Konzerne wie Esso oder Shell mit ins Boot oder sieht man ihnen still beim Sterben zu?
Esso ist an einem Projekt mit Siemens und Porsche in Chile beteiligt. Dort fing man in diesem September an zu produzieren. 550 Millionen Liter eFuels jährlich sind geplant. Esso sagt aber, dass die Produktion ohne Weiteres skalierbar sei. Die Mineralölkonzerne haben es ein großes Interesse umzustellen, damit ihr Geschäftsmodell auch zukünftig funktioniert.
Wie schnell könnte man die ganze eFuel-Produktion so aufbauen, dass man die fossilen Kraftstoffe ersetzen könnte?
Man muss natürlich schauen, dass erstmal alles zugelassen wird. Wir haben jetzt gerade die Situation mit einer Tankstelle, die diese Stoffe verkaufen will, aber noch keine Erlaubnis dafür hat. Dieser Tankstelle würden also Strafen drohen. Folglich muss sich die Gesetzeslage entsprechend ändern. Und dann müssen die Investitionen gesichert werden.
Die EU hat eine verpflichtende Quote von 2,6 bis 5,7 Prozent grünen Wasserstoffs beziehungsweise eFuels im europäischen Verkehrssektor bis 2030 beschlossen.
Wenn man bedenkt, dass 60 Prozent der europäischen CO₂-Emissionen von PKW ausgehen, hören sich Quoten von 5,7 Prozent sehr gering an. Warum ist man da so zaghaft?
Diese Vorgabe stammt von der EU, die vor allem auf E-Mobilität setzt. Aber selbst wenn wir im Jahr 2030 das ehrgeizige Ziel erreichen, in Deutschland 15 Millionen Elektroautos auf den Straßen zu haben, dann haben wir immer noch 30 Millionen PKW, die keine Elektroautos sind, darunter auch Oldtimer. Auch die sollten wir aber klimafreundlicher fahren.
Wenn jetzt ein Signal an die Industrie geht, dass die Umsetzung vorangeht und eFuels gleichgestellt werden mit der E-Mobilität, dann gibt es eine Beschleunigung, die wir uns momentan noch nicht vorstellen können.
Natürlich benötigen wie E-Autos. Aber ich weiß nicht, ob sie weltweit so sinnvoll sind.
Wie sieht es mit dem Preis aus?
Im Moment wird noch oft gesagt, dass die bisherigen Anlagen sehr teuer seien. Das sind aber nur Versuchsanlagen. Daher ist der einzelne Liter noch kostspielig. Aber in dem Moment, in dem die Anlagen größer werden, ist von ein bis zwei Euro pro Liter auszugehen.
Außerdem ist beispielsweise in Chile die Wind- und Sonnenausbeute etwa viermal so hoch wie hier. Wenn man diesen Punkt weiterdenkt, dann kommt man irgendwann vielleicht auf einen Cent pro Kilowattstunde grünen Strom für die Herstellung. So wird es insgesamt immer günstiger.
BMW, Audi, Citroën, Mercedes und viele andere große Automarken wollen aus den Verbrennern aussteigen. Es sieht so aus, als schließe sich der Markt für diese Art Fahrzeuge und damit auch für eFuels.
Das ist nur bedingt richtig. Die genannten Autokonzerne verkaufen nur in Europa zukünftig keine Verbrenner mehr. Andernorts laufen der Bau und Verkauf weiter. Ich denke, dass die Konzerne hier ein Zeichen setzen wollten. Aber wir dürfen nicht nur auf Deutschland und Europa gucken.
Sind eFuels vielleicht nur eine Überbrückungstechnologie, bis es genug E-Autos gibt?
Man könnte das zunächst so betrachten. Wenn man sich aber die Ladeinfrastrukturen weltweit anschaut, dann muss man sich fragen, ob es sinnvoll ist. In Ländern wie beispielsweise Afghanistan und in einigen afrikanischen Ländern ist es bereits jetzt schwer, überhaupt flächendeckend zu elektrifizieren. Mir scheint es falsch, da nur auf E-Autos zu setzen. Selbst wenn die Übergangszeit „nur“ dreißig Jahre betragen würde, würde sich der Einsatz der eFuel-Fabriken lohnen.
Wir werden sehen, was sich durchsetzt. Bei der eFuels Alliance sind wir nicht dogmatisch. Im Gegenteil: Natürlich benötigen wir E-Autos. Aber ich weiß nicht, ob sie weltweit so sinnvoll sind.
eFuels scheinen Alleskönner zu sein. Sehen Sie keine Nachteile?
Die Nachteile sind die Investitionen und der benötigte Hochlauf. Wir brauchen die Genehmigungen und die gleiche Anerkennung, welche die E-Mobilität erfährt. Natürlich macht es in Ballungsgebieten, bei Neubauten und Neuanschaffungen Sinn, auf E-Mobilität zu setzen. Aber sehen Sie sich zum Beispiel Katastrophen wie die Flut im Ahrtal an. Wie hätte man die Generatoren dort mit Strom versorgen sollen? Selbstverständlich wurde Diesel dafür genommen. Sie sehen, es gibt viele sinnvolle Einsatzgebiete für die eFuels.
Frau Griefahn, wir danken Ihnen für das Gespräch.
Zur Person:
Dr. Monika Griefahn ist Vorstandsvorsitzende der eFuel Alliance und Gründungsmitglied von Greenpeace Deutschland. Zwischen 1984 bis 1990 war sie als erste Frau Teil des internationalen Vorstands von Greenpeace. Die eFuel Alliance versteht sich als technologieoffener Interessenverband, der den Ausbau und die Akzeptanz von eFuels vorantreiben will. Von 1990 bis 1998 war Monika Griefahn Umweltministerin in Niedersachsen. Sie ist vielfältig ehrenamtlich engagiert und wurde 2018 mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.