20. Juni 2025
Interviews

Wo kommt unser Kaffee her?

Kaffee trinken viele. Aber wie viele wissen, was hinter den Bohnen steckt, wo sie herkommen und was alles mit ihnen passiert?

Kaffee vor und nach der Röstung

Von der grünen Bohne zum duftenden Getränk - Experte Philip von der Goltz stand uns Rede und Antwort zum Thema Kaffee. // Foto: List + Beisler

Für Unwissende verständlich erklärt: Was ist der Unterschied zwischen Arabica und Robusta Kaffee? 

Der Unterschied zwischen Arabica und Robusta ist für viele wie der zwischen Apfel und Birne. Beides sind Kaffeearten, aber sie schmecken, wachsen und wirken unterschiedlich und werden auch in den meisten Fällen für unterschiedliche Röstungen eingesetzt.  

Arabica-Kaffee gilt als feiner, oft fruchtiger oder blumiger im Geschmack. Die Arabica Bohne enthält weniger Koffein und sie ist empfindlicher gegenüber Krankheiten und Klima. Arabicapflanzen gedeihen am besten in höheren Lagen, meist zwischen 1.000 und 2.000 Metern, zum Beispiel in Honduras, Guatemala, Kolumbien, Brasilien, Peru, Äthiopien, Kenia, Tanzania, Ruanda, Indien, Indonesien und Papua Neuguinea.

Robusta-Kaffee sollte als Sorte richtigerweise Canephora heißen, aber Robusta hat sich weltweit durchgesetzt. Diese Kaffeepflanze wächst hingegen auch bei tieferen Lagen, ist robuster gegenüber Hitze und Schädlingen – daher auch der Name. Er enthält deutlich mehr Koffein und schmeckt kräftiger, manchmal leicht erdig oder nussig. Robusta wird vor allem in Ländern wie Vietnam, Brasilien, Indonesien und Uganda angebaut.

Was den Geschmack von Kaffee aber am meisten beeinflusst, ist der „Terroir“ – also das Zusammenspiel von Art (also Arabica oder Robusta), Boden, Klima, Höhenlage und Verarbeitung im jeweiligen Anbaugebiet (gewaschen, pulped natural oder natural). So schmeckt ein Arabica aus Kenia oft ganz anders als einer aus Brasilien. Genau wie ein Riesling aus der Mosel-Region anders schmeckt als einer aus Australien. Diese Vielfalt macht Spezialitätenkaffee so spannend.

Wonach wählen Sie, woher Sie Ihre Bohnen beziehen? Wie findet man die richtigen Bohnen für Spezialitätenkaffee?

Philip von der Goltz, Managing Partner von List + Beisler

Als Rohkaffee-Importeur ist die Firma List + Beisler seit 1901 auf qualitativ hochwertige Kaffees spezialisiert . Wir sind wie kleine Trüffelschweine, die genau wissen, wo es die besten Kaffees auf der Welt gibt. Allerdings ist die Wahl des Ursprungs nicht immer nur eine reine Frage des Geschmacks – sie ist eine Kombination aus Qualität, Verlässlichkeit, Nachhaltigkeit und vor allem Partnerschaft.

Wir arbeiten bevorzugt mit Produzentinnen zusammen, die sich über viele Jahre hinweg als zuverlässige Partner erwiesen haben. In der Welt des Spezialitätenkaffees geht es nicht nur um die besten Bohnen, sondern auch um die Menschen dahinter. Wir besuchen regelmäßig die Farmen, auf denen unser Kaffee wächst, und pflegen persönliche Beziehungen mit den Produzentinnen, Kooperativen und Exporteuren. So entsteht Vertrauen – und das spiegelt sich letztlich auch in der Tasse wider.

Um die „richtigen“ Bohnen zu finden, verkosten wir jährlich mehrere tausend Muster – das sind gleich mehrere zig-tausend Tassen Kaffee. Dabei achten wir auf geschmackliche Komplexität, Klarheit, Balance – und darauf, ob ein Kaffee einen originellen Charakter hat. Gute Spezialitätenkaffees zeichnen sich durch ein sogenanntes „Cup Profile“ aus, das überdurchschnittlich ist und je nach Herkunft unterschiedlichste Aromen zeigen kann: von schwarzer Johannisbeere über Bergamotte bis hin zu Nougat.

Ein guter Kaffee beginnt mit einer guten Auswahl – und für uns heißt das: mit Farmern, die mit Leidenschaft und Können Kaffee anbauen und aufbereiten. Unsere Aufgabe als Händler ist es, diese Qualitäten zu erkennen, zu würdigen – und die Bohnen in die richtigen Hände weiterzugeben.

Was sind Ihrer Meinung nach unterschätzte/überbewertete Bohnen?

Unterschätzt sind oft Kaffees aus Ländern, die nicht im Rampenlicht der Spezialitätenwelt stehen – etwa Uganda, Papua Neuguinea oder Indonesien. Dabei produzieren viele Farmer dort hervorragende Qualitäten mit ganz eigenem Charakter. Diese Kaffees überraschen oft mit spannenden Aromen und verdienen viel mehr Aufmerksamkeit.

Überbewertet ist manchmal das, was gerade „hip“ ist. Zum Beispiel die Kaffees mit besonderen Gährungsverfahren (bspw. prolongierte Fermentationsprozesse unter Einsatz besonderer Enzyme oder Ausschluss von Sauerstoff): zweifellos ein außergewöhnlicher Geschmack, der durch diese Prozesse erreicht wird. Aber bei aller Offenheit für spannende Innovationen ist es aus meiner Sicht auch wirklich völlig ok wenn Kaffee nach Kaffee schmeckt und nicht nach Blauschimmelkäse oder so.

Worauf sollten Kaffeekonsumenten achten, sowohl im Café als auch beim Kauf von Bohnen für zuhause?

Im Café lohnt sich ein Blick auf die Herkunft und die Transparenz: Gibt es Informationen zum Ursprung? Zur Farm oder zur Region? Wird frisch gemahlen und handwerklich zubereitet?

Beim Bohnenkauf für zu Hause sind Frische, Röstdatum, und die passende Zubereitung entscheidend. Am besten: Ganze Bohnen kaufen, selbst frisch mahlen, und die Röstung auf die eigene Brühmethode abstimmen (Filter, Espresso etc.). Je klarer die Informationen auf der Packung sind, desto besser ist meist auch der Kaffee. Aber die persönliche Beratung durch einen qualifizierten Barista ist natürlich schwer zu schlagen.

Was gibt es für Zertifikate und was genau bedeuten sie?

Zu Besuch bei den Kaffee-Farmern in Äthiopien im Rahmen des „Farming Accelerator“. // Foto: List + Beisler

Es gibt eine ganze Reihe von Zertifizierungen. Die gängigsten Zertifizierungen sind FairtradeRainforest Alliance oder BioSie verfolgen unterschiedliche Ziele:

  • Fairtrade setzt Mindestpreise und Prämien für soziale Projekte.
  • Rainforest Alliance kombiniert ökologische, soziale und ökonomische Kriterien.
  • Bio bedeutet: Der Kaffee wurde ohne synthetische Pestizide oder Dünger angebaut.

Zertifikate sind ein guter Einstieg in nachhaltigen Kaffeegenuss. Allerdings ist nicht jeder gute Kaffee zertifiziert. Im Spezialitätenbereich ist die Korrelation von Zertifizierung und Qualität nicht immer gegeben. List + Beisler hat beispielsweise ein eigenes Nachhaltigkeitsprogramm entwickelt. Es heißt „Joint he Movement“. Gemeinsam mit den Vereinten Nationen haben wir das „Farming Accelerator“ Projekt aufgestellt, das eine zentrale Komponente dieses Programms ist. Hierdurch können tausenden von Kaffee-Farmern und ihre Familien mehr über moderne, regenerative Landwirtschaft und Unternehmensführung (Farming as a Family Business) lernen.

Gibt es aktuelle Entwicklungen/Trends in der Kaffeebranche? insbesondere in den Anbaugebieten, aber auch in den Röstereien oder bei den Konsumenten?

Definitiv. In den Anbaugebieten sehen wir verstärkte Investitionen in neue Varietäten und Setzlinge, Fermentationstechniken und Qualitätskontrolle. Kaffeefarmer experimentieren mehr mit Aufbereitungsarten wie Anaerobic, Honey oder Carbonic Maceration. Gleichzeitig wird Nachhaltigkeit konkreter gedacht: Es geht nicht nur um Umweltschutz, sondern auch um existenzsichernde Einkommen und Klimaanpassung.

Bei den Konsumenten erleben wir ein wachsendes Interesse an Transparenz und Storytelling: Wer hat den Kaffee angebaut? Unter welchen Bedingungen? Was macht diesen Kaffee besonders?

Röstereien setzen zunehmend auf Mikroröstungen und Single Origins, oft begleitet von digitalen Tools und QR-Codes, die die Herkunft und die Geschichte der Kaffeefarm und der Erzeuger-Familien zeigen.

 Welche Besonderheiten und Traditionen hat der Standort Hamburg in Bezug auf Kaffee?

Hamburg ist eine echte Kaffeestadt – mit Geschichte, Herz und Hafen! Schon seit dem 19. Jahrhundert wird hier Kaffee importiert, gelagert, verkostet und gehandelt.

Die Hansestadt ist heute noch einer der wichtigsten europäischen Umschlagplätze für Rohkaffee. Viele Traditionsfirmen haben hier ihren Sitz. In Hamburg schlägt sozusagen das „grüne Herz“ des Kaffees, bevor die Bohne weiter zu Röstereien in ganz Europa geht.

Was braucht man, um guten Kaffee herzustellen, von Anfang bis Ende? Was bräuchte man, um seinen eigenen Kaffee zu rösten?

Guter Kaffee ist Teamarbeit. Von Anbau bis Zubereitung.

Guter Kaffee ist Teamarbeit über Kontinente hinweg. Man braucht:

  • Fruchtbare Böden, gute Sorten, Know-how und Sorgfalt beim Anbau
  • Saubere und kontrollierte Aufbereitung nach der Ernte
  • Sorgfältigen Transport und Lagerung
  • Fachkundige Auswahl, Verkostung und Handel
  • Schließlich: Eine schonende, passende Röstung und gute Zubereitung

Im Vergleich zum Wein vom Winzer, bei dem man eine wohltemperierte Flasche einfach öffnet, ist beim Spezialitätenkaffee die Zubereitung zu Hause noch von zentraler Bedeutung.

Wer selbst rösten will, braucht zunächst Rohkaffee, einen Röster (die gibt es in unterschiedlichen Größen, Formen und können entweder elektrisch oder mit Gas betrieben werden), ein wenig technisches Verständnis und viel Neugier. Die Kunst liegt darin, für jede Bohne den „Sweet Spot“ zu finden – das ist ein Handwerk, das sich durch Übung, Sensorik und Leidenschaft entwickelt. Aber ein professioneller Röstmeister wird natürlicherweise noch mehr aus der Bohne herauskitzeln können. So wie wir alle ein bisschen kochen können, sind die meisten von uns – obwohl Foodies und Gourmets – bestimmt keine Starköche.

Was unterscheidet kleine von großen Röstereien im Allgemeinen (außer der Menge)?

Kleine Röstereien können flexibler experimentieren, individueller rösten und stärker auf besondere Qualitäten eingehen. Sie erzählen oft auch intensivere Geschichten zu den Kaffees und pflegen enge Beziehungen zu Kaffeefarmern. Manufaktur und Liebe zum Detail spielen hier eine sehr zentrale Rolle.

Große Röstereien dagegen müssen effizient produzieren, auf gleichbleibende Qualität achten und standardisierte Prozesse einhalten – was bei hohen Volumina wichtig ist. Beide Modelle haben ihre Berechtigung – sie bedienen unterschiedliche Zielgruppen.

Ist eine gute Bohne schon ein Garant für guten Kaffee oder was kann noch alles schief gehen?

Eine gute Rohkaffee-Bohne ist die Grundvoraussetzung – aber kein Garant. Viel kann schiefgehen:

  • Beim Transport: Bei falscher Lagerung des See-Containers auf dem Schiff kann extreme Hitze entstehen die den Rohkaffee sehr schnell altern lässt.
  • Beim Rösten: Ist sie zu hell, fehlt es an Aroma; ist sie zu dunkel, wird sie bitter.
  • Beim Lagern: Licht, Luft und Feuchtigkeit sind die natürlichen Feinde der Kaffeebohne.
  • Bei der Zubereitung: Falscher Mahlgrad, Wassertemperatur, Dosis oder Brühzeit – all das beeinflusst das Ergebnis in der Tasse massiv.

Kaffee ist ein bisschen wie WeinDie Qualität beginnt im Ursprung – aber sie entfaltet sich erst vollständig durch fachgerechte Behandlung bis zur letzten Sekunde. Wer das versteht, trinkt nicht nur Kaffee – sondern erlebt ihn. Jeder Kaffee erzählt seine eigene Geschichte und verbindet die Menschen die ihn trinken. Wir sind stolz als List + Beisler hier unseren Beitrag leisten zu können.

Vielen Dank!

Wer mehr über Spezialitätenkaffee lesen möchte, findet in unserer Juni-Ausgabe einen ausführlichen Artikel.

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