Hamburg ist Theaterstadt. Doch nicht nur große Sprech- und Musicalbühnen prägen das Bild, sondern gerade auch die vielen privaten Theater, die quer durch die Stadt verteilt sind – oft mitten in den Stadtteilen, nah bei ihrem Publikum. „Hamburg verfügt über eine auch in ihrer Vielfalt herausragende Privattheaterlandschaft“, betont Kultursenator Dr. Carsten Brosda. „Sie wenden sich sowohl an ein treues Stammpublikum als auch an neue Zielgruppen, die Lust haben, Neues zu entdecken. Von Klassikern über zeitgenössisches Repertoire bis zu avantgardistischen Experimenten – die Privattheater prägen die kulturelle Infrastruktur unserer Stadt wesentlich mit.“
Tatsächlich ist die Lage aber herausfordernd: Preissteigerungen, Personalmangel und ein verändertes Freizeitverhalten setzen auch den Bühnen zu. Um gegenzusteuern, hat die Behörde für Kultur und Medien die Förderung auf insgesamt 16,5 Millionen Euro erhöht. Davon profitieren 25 Theater direkt – viele davon auch im Hamburger Westen. Wir werfen einen Blick auf einige der Häuser vor Ort, ihre Pläne, ihre Sorgen – und die besondere Magie, die jede Bühne ausstrahlt.

Theater mitten im Stadtteil
Das Altonaer Theater ist ein privates Theaterhaus mit einem vielfältigen Programm für Jung und Alt. Es bietet sowohl klassische als auch moderne Stücke, Kindertheater, Workshops und Sonderveranstaltungen. Mit regelmäßig wechselnden Inszenierungen und Gastspielen ist das Theater ein zentraler kultureller Treffpunkt in Altona. Besonders die Einbindung lokaler Künstlerinnen und Künstler sowie die Nähe zum Publikum machen das Haus zu einem lebendigen Ort der Begegnung und kreativen Entfaltung.
Hier stehen in den nächsten Monaten gleich mehrere Premieren an. Los geht es mit „The Black Rider“ am 7. September, einem Musiktheater, was auf der „Freischütz“-Saga basiert. Ein fester Bestandteil bleibt nach dem großen Erfolg auch das Trio aus „Achtsam morden“. Die ersten beiden Teile nach den Romanen von Karsten Dusse (auch auf Netflix verfilmt) werden wieder aufgenommen, dazu kommt „Achtsam morden durch bewusste Ernährung“.

Opernklassikern in nur 90 Minuten sitzt das Publikum oft direkt um die Darstellenden herum. // Foto: Silke Heyer
Große Oper in 90 Minuten
Wer glaubt, Oper sei schwer zugänglich, wird im Opernloft an der Elbe eines Besseren belehrt. „Wir machen Oper für alle – egal ob Liebhaber oder Neuling“, sagt das Team um Intendantin Susann Oberacker. Die Abende dauern nur 90 Minuten, das Publikum sitzt oft mitten im Geschehen.
Bereits Ende August startete die neue Saison mit dem beliebten „Opern-Slam“, gefolgt von der Wiederaufnahme des preisgekrönten Stücks Hans und Grete. Ein Stück, was Antonia Katzwedel vom Marketing-Team des Opernlofts dem Publikum trotz oder auch wegen seines ernsteren Themas ans Herz legt: „Es ist ein wunderbarer und emotionaler Abend, der lange im Gedächtnis bleibt.“
Die große Herbstpremiere am 17. Oktober trägt den Titel „Schüsse vor Shanghai“ – eine eigens geschriebene Krimioper, die Seemannslieder mit Klassikern wie „Turandot“ oder „Das Land des Lächelns“ verbindet.
50 Jahre Leidenschaft
1975 gegründet, feiert das Theater Schenefeld in diesem Jahr ein halbes Jahrhundert Kulturarbeit. Die Jubiläumsrevue „Der Wolf ist aufgegangen“ kombiniert Gedichte, Musik und humorvolle Szenen. Premiere ist am 28. September, weitere Termine sind der 4. und 5. Oktober im Bürger- und Kultursaal. Das Ensemble, das von 20- bis 84-Jährigen getragen wird, zeigt damit, wie bunt und generationenübergreifend Theater sein kann.
Die Jubiläumsvorstellung am 27. September ist geladenen Gästen vorbehalten, das Publikum darf sich aber auf drei kostenlose Aufführungen freuen – Spenden gehen an die Schenefelder Tafel.

Zwei Welten, eine Bühne
Das traditionsreiche Allee Theater in Altona vereint gleich zwei Bühnen: die Hamburger Kammeroper und das Theater für Kinder – letzteres ist das älteste private Kindertheater Deutschlands. Am 13. September hebt sich der Vorhang für „Der kleine Mozart“, ein Stück, das bereits im Vorjahr großen Erfolg hatte.
Am 19. September folgt mit „La Traviata“ die gefeierte Wiederaufnahme in der Kammeroper. Das Haus steht damit exemplarisch für eine Theatertradition, die Generationen verbindet: Die ganz jungen Besucherinnen lernen Opernklassiker kennen, während Liebhaberinnen des 18. und 19. Jahrhunderts in der Kammeroper auf ihre Kosten kommen – in einem prachtvollen, barocken Zuschauerraum, der selbst schon eine Reise wert ist.
Bühne für das Jetzt

Wer experimentelles Theater sucht, ist im Lichthof in Bahrenfeld richtig. Hier werden gesellschaftlich relevante Themen verhandelt – direkt, nah am Puls der Zeit.
Ab 18. September läuft die Performance „Übersehen“, die sich mit jüdischer Geschichte in Hamburg auseinandersetzt. Eine Woche später folgt „#armutsbetroffen“, das Menschen in prekären Lebenslagen eine Bühne gibt. Neben rund 130 Veranstaltungen im Jahr legt das Haus großen Wert auf Nachwuchsförderung – etwa mit dem Festival „WE PRESENT“.
Auch die „Bürger*innenbühne“ hat sich bewährt: Jährlich findet eine Produktion statt, in der Menschen mit ihren Anliegen die Bühne eroben und mit den Profis gemeinsam neue Theaterformate erarbeiten.
Die Aufstockung des Kulturhaushaltes sieht Miriam Lambertz aus dem Bereich Kommunikation des Lichthofs als positives Zeichen. Ausreichen würde das aber noch nicht: „Kunst und Kultur haben keine Lobby, sind aber in Zeiten einer gespaltenen Gesellschaft wichtige Begegnungsräume“, sagt sie. Mit Blick auf die geplante neue Spielstätte am Fernsehturm bleibt das Lichthof ein Motor für die freie Szene – aber auch für dieses Projekt fehlen noch zwei Drittel der Gelder.

Platt und passioniert
Seit 70 Jahren bringt die Volksspielbühne Rissen Amateurtheater auf die Bühne – mit großem Herz, auf Hoch- und Plattdeutsch. Am 20. September steht die 5. Rissener Comedy Nacht an, bevor im November das Weihnachtsmärchen „Das verschwundene Zauberlicht“ Premiere feiert. Über 20 Kinder, Jugendliche und Erwachsene spielen darin die Abenteuer der Nickel-Kinder. Die Bühne versteht sich als Mehrgenerationen-Theater, das eng mit der Iserbarg-Schule zusammenarbeitet.
Förderung bekommt das Amateurtheater direkt vom Verband Hamburger Amateurtheater und immer wieder vom LotterieSparen der Haspa. „Unsere größte Herausforderung ist Sichtbarkeit und Relevanz – in einer Zeit, in der viele Freizeitangebote konkurrieren“, sagt Thorsten Junge, Vorsitzender der Volksspielbühne. Die Pandemie habe die Entwicklung weg vom Theater und hin zu digitalen Medien noch beschleunigt, was sowohl beim Publikum als auch den Mitgliedern merkbar sei.
Bühne für alle Generationen
Das Theater Wedel ist ein engagiertes Amateurtheater, das seit über 40 Jahren aktiv ist. Unter der künstlerischen Leitung von Günter Hagemann werden jährlich drei bis vier Inszenierungen gezeigt, ergänzt durch Gastspiele und Sonderveranstaltungen wie die Wedeler Theatertage.
Über 50 Mitglieder aller Altersgruppen arbeiten auf und hinter der Bühne zusammen, was eine besondere generationsübergreifende Atmosphäre schafft. Unterstützt von der Stadt Wedel, Förderern und einem treuen Publikum, bietet das Theater ein abwechslungsreiches Programm für die Region. Los geht es hier am 5. September mit „Der unerwartete Gast“ von Agatha Christie, das Kindertheater des Monats September ist „Der Froschkönig“.

Kultur auf dem Wasser
In Wedel liegt ein besonderes Schmuckstück vor Anker: das Theaterschiff Batavia. Auf dem historischen Schiff werden nicht nur Stücke aufgeführt, sondern auch Konzerte, Kabarettabende und Lesungen veranstaltet. Die Atmosphäre im kleinen, maritimen Theatersaal ist einzigartig – das Publikum sitzt fast hautnah bei den Künstlerinnen und Künstlern. Mit viel ehrenamtlichem Einsatz wird das Schiff seit Jahren als kultureller Treffpunkt gepflegt.
Im Herbst stehen wieder Musiktheater, Kleinkunst und Komödien auf dem Programm, die Gäste aus Hamburg und dem Umland anziehen. Auch hier gibt es ein Jubiläum zu feiern: 50 Jahre Freilichtkino auf dem Theaterschiff!

Nachwuchsbühne mit Glanz
Mitten in Altona setzt das First Stage Theater frische Akzente in der Hamburger Theaterlandschaft. Die Off-Broadway-Bühne ist seit 2016 Spielstätte für große Musicalproduktionen, Eigeninszenierungen und die aufwendigen Semesterprojekte der Stage School Hamburg. Während der Sommerpause anderer Häuser wurde hier durchgespielt – mit Klassikern wie „Kein Pardon“ und dem farbenfrohen Musical „The Prom“. Aktuell läuft noch bis zum 12. Oktober „Fame“, anschließend folgt im November die beliebte „Große Weihnachtsshow“. Zum Jahreswechsel wird es traditionell mit „Dinner for One“ heiter, bevor Ende Januar die Uraufführung des Familienmusicals „Kindersache: Familie Zille rettet das Theater“ ansteht.
Mit seinen 279 Plätzen, fairen Preisen und viel Nachwuchstalent ist das First Stage längst eine feste Adresse im Westen – „insbesondere für die großen Showformate mit den Schülerinnen und Schülern der Stage School Hamburg werden uns allerdings die Karten aus der Hand gerissen“, sagt Pressesprecherin Annette Bär. Dennoch sind die Fixkosten des Theaters eine Herausforderung. Denn bislang muss das First Stage Theater noch ohne städtische Förderung auskommen. Derzeit liegt der 4. Antrag zur Prüfung bei der Kulturbehörde.
Theater braucht Publikum
Ob Opernloft, Allee Theater, Lichthof oder die Amateurbühnen in Rissen, Schenefeld und Wedel – der Hamburger Westen ist reich an Theatern, die ganz unterschiedliche Schwerpunkte setzen. Dazu kommen mit dem Theaterschiff Batavia maritime Spielorte, die allein durch ihre Atmosphäre besonders sind.
Kultursenator Carsten Brosda bringt es auf den Punkt: „Die Privattheater haben maßgeblichen Anteil daran, dass das Hamburger Theaterangebot so lebendig ist und sich ständig weiterentwickelt.“ Damit das so bleibt, braucht es nicht nur öffentliche Förderung, sondern vor allem ein neugieriges Publikum, das den Theatern die Treue hält.
So kann man jetzt schon mit Sicherheit sagen: Im Westen Hamburgs wird die neue Spielzeit alles – nur nicht langweilig.