12. November 2021
Magazin-Tipp

In deutschen Wäldern – Jagd und Jäger

Was für einige ein rotes Tuch, ist für Jägerinnen und Jäger Weltanschauung und entspanntes Hobby. Ein Dauerthema zwischen Instinkt und Ethik – die Welt des Jagens.

Foto: alfa27/AdobeStock

Eine Betrachtung von Thies Goldberg

Der Herbst entfaltet seine auf den Winter zielende formende Kraft, die Ernte geht langsam ihrem Ende zu, die Blätter werden welk und beginnen zu fallen, es wird kälter, erster Raureif bedeckt morgendliche Wiesen, die Kaminfeuer prasseln in heimischen Wohnzimmern, einige denken noch an verspätete Steuererklärungen oder schon an Silvester. Schals, Pullover und Mützen werden hervorgekramt, erste Gedanken an Weihnachtsgeschenke und -braten schwirren durch die Köpfe. In früheren Zeiten standen auch noch vielfältige Arbeiten an zum Haltbarmachen von Lebensmitteln in Sorge um ausreichende Wintervorräte.

Ein besonderer Menschenschlag wird jetzt besonders aktiv, setzt sich dem Wetterunbill von Regen, Hagel, Wind und Kälte aus, ruiniert Wochenendtage durch allzu frühmorgendlichen Schlafabbruch und Mondnächte durch Schlafentzug, bringt passionierte Hunde zu ihren Aufgaben und lebt das Leben in und von der Natur: die Jäger.

Nutzung natürlicher Ressourcen

Nicht jeder sieht neben der Forstwirtschaft im Wald und der Landwirtschaft auf Acker und Weide die jagdliche Bewirtschaftung des Wildbestandes als eine dritte nicht nur traditionelle, sondern ungeachtet aller – vermeintlichen – Modernität immer noch ebenso zulässige wie sinnvolle nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen.

Nicht wenige Zeitgenossen, insbesondere in urbaner Infrastruktur sozialisiert, finden solches Treiben archaisch, überkommen, unzeitgemäß bis abartig – andere aber auch faszinierend, notwendig und richtig: jeder eben nach seiner Façon.

Es mag vielen so gehen, dass sie die Tiere erst besonderes niedlich finden und später besonders lecker – doch mit der Zeit dazwischen möchten sie eher weniger zu tun haben. Die Bigotterie Rinderfilet schmausender Tierfreunde ist da schwierig, der vegan lebende Jagdgegner zeigt allerdings eine durchweg konsequente Haltung, und so ist er auch zu respektieren in seiner Abneigung und Ablehnung.

Respekt vor der Natur

Es darf aber auch die anderen geben, die die Jagd als eine umwelt- wie naturschützende, ebenso überaus sinnvolle wie legitime Nutzung natürlicher Ressourcen sehen und ausüben. Hierzu gehöre ich. Wenn die Jagd mit Verantwortungsbewusstsein und angemessenem Respekt vor der Natur und den in ihr lebenden Tieren ausgeübt wird, ist sie eine erfüllende, gelegentlich körperlich durchaus herausfordernde, alle Sinne fordernde und schärfende Passion, die kaum einen mehr loslässt, in dem sie einmal geweckt worden ist.

Wie singt der Jägerchor in Webers Freischütz: „Was gleicht wohl auf Erden dem Jäger Vergnügen, wem sprudelt der Becher des Lebens so reich!” Und weiter: „Ist fürstliche Freude, ist männlich Verlangen, erstarket die Glieder und würzet das Mahl.”

Das mit den fürstlichen Privilegien ist lange vorbei. Längst rekrutiert sich die Jägerschaft bei uns im Lande als ein fröhlicher Querschnitt durch die Bevölkerung: von Schüler über Lehrling, Bauer, Universitätsprofessorin, Handwerker, Krankenschwester, Unternehmer bis zur Rentnerin ist alles dabei. Da ist kaum noch etwas elitär, außer vielleicht aus Sicht derer, die die Jägerprüfung nicht schaffen oder sich nicht trauen.

Auch das mit dem männlich ist längst überholt. Nicht nur, weil ich mit dem Vorbild passioniert jagender Mutter und Großmutter aufgewachsen bin, sondern weil der Anteil an jagenden Damen mittlerweile stetig steigt: ca. ein Viertel aller Jungjäger sind Damen und Genderfetischisten schreiben längst von Jäger:innen.

Bei ca. 397.000 Jagdscheininhabern in Deutschland ist der Damenanteil mit gut 7 Prozent allerdings immer noch ausbaufähig, wenngleich einer Quotenregelung wohl eher nicht zugängig.

Aufgaben von Jägerin und Jäger

Die Jagd ist nicht nur ein wesentlicher Lebensinhalt der Jäger, sondern zur Begrenzung von durch Wildtiere verursachte Schäden an land- und forstwirtschaftlichen Kulturpflanzen unabdingbar. In Deutschland werden z. B. jährlich regelmäßig – also im besten Sinne nachhaltig – über 1,2 Millionen Rehe erlegt, und zuletzt über 880.000 Wildschweine (2019/2020). Wer wollte ohne Jagd Vermehrungsraten von bis zu 200 Prozent beim Rehwild und bis über 400 Prozent beim Schwarzwild (Wildschweine) mit der Verhinderung natürlicher Waldverjüngung und dem Verzicht auf die Ernte in der Landwirtschaft und dramatisch höheren Lebensmittelpreisen bezahlen. Auch die Menschen in der Stadt leben von dem, was die Bauern ernten – selbst, wenn ihnen das gelegentlich nicht immer bewusst zu sein scheint.

Die Jagd besteht aus vielfältigen Aktivitäten: Biotopschutz und Biotopgestaltung, Anlage von Wildäsungsflächen, Kitzrettung vor der Wiesenmahd gehören ebenso dazu wie Maßnahmen zur Verhütung von Wildunfällen im Straßenverkehr oder die Errichtung und Erhaltung jagdlicher Einrichtungen (Hochsitze), um sicher und selektiv jagen zu können.

Ausbildung

Auch die Ausbildung der unverzichtbaren Jagdhunde gehört dazu – Jagd ohne Hund ist Schund. Die Fähigkeiten der Hundenasen, ihre Beweglichkeit und eigene jagdliche Passion sind unabdingbar für eine vernünftige Jagdausübung. Nicht zu vergessen ist auch das regelmäßige Schießtraining – nur der sichere Schuss ist auch sofort tödlich und vermeidet unnötiges Tierleid.

Auch eine regelmäßige Weiterbildung treibt die Jäger um. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen unterliegen ständigen Anpassungen an sich ändernde Verhältnisse, z. B. hat jedes Bundesland eigene an die unterschiedlichen Gegebenheiten angepasste Jagd- und Schonzeiten. Auch sind Weiterentwicklungen im Umwelt- und Naturschutz-, Lebensmittel- oder Waffenrecht zu berücksichtigen.

Ebenso verändern aktuelle Entwicklungen und neue wissenschaftliche Erkenntnisse, wie z. B. zur sich in Europa ausbreitenden Afrikanischen Schweinepest oder über Neozoen (tierische Neubürger wie Waschbären oder Marderhunde), die jagdlichen Aufgaben und Anforderungen fortwährend.

Die Beute

Ein besonderes erfreuliches Resultat der Jagd ist aber auch die Beute. Kaum ist der Schuss gefallen, beginnt die Gewinnung eines einmalig hochwertigen Lebensmittels. Mehr Bio bei der Fleischproduktion gibt es nicht. Direkt aus der Natur entnommen, heutzutage verpflichtend nach modernen Methoden verarbeitet und mit der Sorgfaltspflicht eines Lebensmittelunternehmers dem Verbraucher zur Verfügung ­gestellt. Wildfleisch ist ernährungsphysiologisch das beste verfügbare tierische Lebensmittel: reich an Mineralstoffen, durch geringere Fettanteile niedrigkalorisch, und an Geschmacksintensität und -qualität unvergleichlich. Kein Batteriehuhn, Turbomastschwein oder Futtermaisrind kann da mithalten – von Tierwohlfragen ganz zu schweigen.

Allerdings gehört zur Wildverwertung auch die Bereitschaft, sich mit Zuwendung und Hingabe der Zubereitung in der heimischen Küche zu widmen. Qualität ohne ein Mindestmaß an eigener Mühe gelingt schwerlich – das gilt für das Tofu-Curry wie für den Rehrücken oder die Wildschweinkeule.

Versuchen Sie doch mal zu letzteren in Honig karamellisierte Cranberries, mit Rosmarin geröstete Bio-Kartoffeln, vielleicht mit gebratenem Speck und Zwiebeln verfeinerten Wirsing. Eine Thymian-Wacholder-Sahnesauce – vielleicht mit etwas Gin angereichert, oder einen Fliederbeeren-Schalotten-Jus mit Portwein eingekocht. Nehmen Sie dazu gerne ein erfrischendes Mineralwasser – falls Sie sich zu dem fröhlich-frisch gezapften kernigen Bier oder dem gehaltvollen gereiften Rotwein nicht entschließen mögen.

Damit verfestigen Sie Familienbande, vertiefen Freundschaften und erfreuen sich selbst. Herbstzeit ist Erntezeit ist Jagdzeit ist Genusszeit. Machen Sie etwas daraus …

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