1. Mai 2024
Magazin-Tipp

Herr Cornelius, knirscht das Tor zur Welt?

Ulfert Cornelius vermittelt als Hafenpräsident zwischen dem Unternehmensverband Hafen Hamburg (UVHH) und der Politik. Im Interview spricht er offen über die derzeit größten Probleme für den Hafen.

Seit Dezembr 2023 ist Ulfert Cornelius Hafenpräsident des Unternehmensverbandes Hafen Hamburg (UVHH). // Foto: EVOS

Seit Dezember 2023 ist Ulfert Cornelius Hafenpräsident des Unternehmensverbandes Hafen Hamburg (UVHH). // Foto: EVOS

Herr Cornelius, zu Ihrem Amtsantritt sprachen Sie von einem permanenten Veränderungsprozess des Hafens und der Stadt. Welche Veränderungen sind für Sie aktuell die prägendsten?
Während der Hafen bei einigen Themen – beispielsweise dem immer akuter werdenden Fachkräftemangel, aber auch der fortschreitenden Digitalisierung – intensiv an Lösungen arbeitet, ist er bei vielen Herausforderungen ein unerlässlicher Teil der Lösung. Hierfür möchte ich zwei Beispiele nennen: Ohne die Flexibilität der deutschen Seehäfen wäre eine sichere Gasversorgung kaum sicherzustellen. Als Gesellschaft müssen wir verstehen, dass Resilienz für die Erhaltung unseres Wohlstandes von enormer Bedeutung ist und hier die Seehäfen ein wichtiger Eckpfeiler sind. Aber auch die Energiewende kann nicht ohne Import von Wasserstoff oder Wasser stoffderivaten funktionieren. Hierbei kommt Hamburg als dem größten deutschen Seehafen eine zentrale Bedeutung zu.

Wie können Sie inmitten eines „permanenten Veränderungsprozesses“ vermitteln?
Der UVHH sieht sich als Bindeglied zwischen den im Verband organisierten Hamburger Hafenunternehmen und der öffentlichen Verwaltung und Politik. Viele Unternehmensvertreter engagieren sich ehrenamtlich in den Gremien des Verbandes und somit haben wir einen guten Überblick, welche wirtschaftlichen Rahmenbedingungen erforderlich sind, damit der Standort für Unternehmen attraktiv bleibt. Dazu zählen aus unserer Sicht wettbewerbsfähige Kosten, eine schnelle und unbürokratische Verwaltung sowie eine leistungsfähige Infrastruktur wie Straßen, Brücken, Schienenwege, aber auch Kaimauern und schiffbare Wasserwege.

Wie sehr treibt Sie momentan das Thema einer neuen Köhlbrand-Querung um?
Es ist gut, dass jetzt eine Entscheidung für den Ersatzneubau einer Brücke gefällt wurde. Leider haben wir zehn Jahre verloren. Ich habe die Sorge, dass die jetzige Köhlbrandbrücke den Belastungen in den kommenden 20 Jahren nicht standhält und weitere verkehrliche Einschränkungen nicht auszuschließen sind. Sie ist Teil der Haupthafenroute – der wichtigsten Ost-West-Verbindung im Hafen. Ich wünsche mir mehr Deutschland-Tempo, damit die Inbetriebnahme der neuen Brücke deutlich früher erfolgen kann.

Die nötige Wassertiefe ist nicht zu halten …

Ist das Thema der Fahrrinne weiterhin ein ständiger Begleiter des Veränderungsprozesses?
Die seeseitige Erreichbarkeit für große und breite Schiffe ist für einen internationalen Seehafen wie Hamburg existenziell. Die Freude über die nach 20 Jahren abgeschlossene Fahrrinnenanpassung von Unter- und Außenelbe währte jedoch nur kurz. Wenige Monate nach Abschluss des Projektes mussten die geltenden Tiefgänge der zweiten Stufe der Fahrrinnenanpassung wieder zurückgenommen werden, da es nicht möglich war, die neuen Wassertiefen zu halten. Im Zuge der Baggermaßnahmen wurden im Mündungsbereich Verdachtspunkte lokalisiert, bei denen es sich um Kampfmittel handeln könnte. Dies muss jetzt genauer untersucht werden und wir hoffen, dass die planfestgestellten Tiefen und Breiten der Elbe schnellstmöglich und dauerhaft wieder hergestellt werden.

Ulfert Cornelius ist voll in seinem Element beim Blick auf die Tanklager im Hafen. // Foto: UVHH
Ulfert Cornelius ist voll in seinem Element beim Blick auf die Tanklager im Hafen. // Foto: UVHH

Und immer wieder die Energie

In früheren Gesprächen nannten Sie die Energiewende und den Fachkräftemangel „herausfordernde Standortbedingungen“. Welche Effekte haben diese Standortbedingungen und wie geht die Hafenwirtschaft damit um?
Die im Hafen Hamburg geplanten Energiehafenprojekte stellen nicht nur finanziell, sondern auch genehmigungsrechtlich eine große Herausforderung dar.

Deutschland ist nicht gerade bekannt für schlanke und unbürokratische Verwaltungsverfahren. Die Verfahren sind sehr umfangreich und teilweise wird auch Neuland betreten. Hierauf müssen sich die Unternehmen neben ihrem „Tagesgeschäft“ einstellen. Um das Deutschland-Tempo auch im Hamburger Hafen umzusetzen, ist es notwendig, dass auch die Genehmigungsbehörden personell in die Lage versetzt werden, Anträge schnell zu prüfen und zu bescheiden. Um dem immer deutlicher zu spürenden Fachkräftemangel entgegenzuwirken, engagieren sich die Unternehmen mit einer Vielzahl von Maßnahmen. Insbesondere bilden viele Betriebe im Hafen aus und bieten somit jungen Menschen eine berufliche Perspektive.

Aber auch in der Weiterbildung sind die Hafenunternehmen ausgesprochen aktiv. Wir sind beispielsweise stolz darauf, dass wir mit dem maritimen competenzcentrum (ma-co) einen überaus kompetenten Partner hier haben.

Ulfert Cornelius: „Die Unternehmen gehen nur ins Risiko nur, wenn die Rahmenbedingungen stimmen.“

Bleiben wir beim Energiethema: Hamburg will die europäische Wasserstoff-Hauptstadt werden und das Herz dieses Plans ist der Hafen. Wie sehen Sie diese Pläne?
Wasserstoff beziehungsweise Wasserstoffderivate werden künftig einen unerlässlichen Beitrag zur Sicherung einer zuverlässigen und perspektivisch auch bezahlbaren Energieversorgung leisten. Es wird uns in Deutschland nicht gelingen, diese in ausreichender Menge selbst zu produzieren, somit werden wir auf Importe angewiesen sein.
Ein Teil dieser Energieimporte werden im Hamburger Hafen umgeschlagen. Dafür sind infrastrukturelle und genehmigungsrechtliche Voraussetzungen zu schaffen. Hier muss Hamburg, aber auch der Bund schnell seine Hausaufgaben machen und Finanzierungsmittel zur Verfügung stellen. Die Unternehmen sind bereit, hohe Investitionen zu tätigen, werden aber nur ins Risiko gehen, wenn auch die Rahmenbedingungen stimmen.

Wenn die Verhandlungen hart werden

Welche Themen sind am schwersten zu verhandeln?
Das sind in der Regel Themen, die mit einem Preisschild versehen sind. Angesichts der vielen Herausforderungen, vor denen die Stadt Hamburg und der Bund stehen, ist die Finanzierung von Infrastrukturprojekten eine Herausforderung. Eine qualitative und leistungsfähige Infrastruktur ist allerdings die Grundlage aller Aktivitäten im Hafen und eine entscheidende Voraussetzung für einen erfolgreichen Wirtschaftsstandort. Da ist es die Aufgabe eines Verbandes, diese Zusammenhänge darzustellen und Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur einzufordern.
Infrastruktur ist die Basis für Wirtschaftswachstum, Beschäftigung und Wohlstand. In Gesprächen mit Vertretern der Bundespolitik sowie den küstenfernen Bundesländern stellen wir leider auch immer wieder fest, dass zum Teil die herausragende Bedeutung der Seehäfen für Deutschland und Zentraleuropa nicht erkannt wird.

Passt der Hafen noch zur Stadt und die Stadt zum Hafen?

Hamburg wird als Hafenstadt wahrgenommen. Aber passt der Hafen noch zur Stadt oder anders gefragt, passt die Infrastruktur der Stadt noch zum Hafen?
Der Hamburger Hafen liegt mitten in der Stadt, dies hat Vor-, aber auch Nachteile. Ein Nachteil ist sicherlich, dass einer gewerblichen und städtebaulichen Entwicklung enge Grenzen eines Stadtstaates gesetzt sind und es zu einer Nutzungskonkurrenz kommt. Allerdings kann die Be- und Entladung von Schiffen nicht irgendwo stattfinden, sondern dies nur am seeschifftiefen Wasser. So schön sicherlich Wohnen am Wasser ist, aber es werden die Flächen für den Hafenumschlag benötigt.

Der Vorteil ist, dass der Transport der Waren, die hier in Hamburg und in der Metropolregion gebraucht werden, sehr kurz ist. Hamburg hat ein sehr hohes Loco-Aufkommen: 25 bis 30 Prozent der Güter, die im Hafen umgeschlagen werden, verbleiben auch hier. Und der Hafen findet seine Arbeitskräfte in Hamburg und in den angrenzenden Landkreisen. Zudem erhält die Stadt aus dem Hafen nicht unerhebliche Steuereinnahmen von rund einer Milliarde Euro pro Jahr, die Bruttowertschöpfung liegt bei über 8 Mrd. Euro.

Stößt der Hafen an seine Grenzen?

Muss der Hamburger Hafen wachsen und könnte er das überhaupt?
Der Hamburger Hafen hat das Potenzial, weiter zu wachsen. Allerdings sind in Bezug auf eine Flächenerweiterung dem Hafen enge Grenzen gesetzt. Es gibt noch einige Flächenreserven, wie zum Beispiel im Mittleren Freihafen. Diese sollten sinnvoll genutzt werden. Der Hafen sollte qualitativ wachsen.
Wir sind der größte Eisenbahnhafen weltweit. Das macht den Hafen bei Kunden sehr attraktiv. Dies muss weiter ausgebaut werden. Aber auch die Straßen und Brücken im Hafen, die Wasserwege und Kaimauern müssen saniert, beziehungsweise ersetzt werden.

Eine Frage der Sicherheit

Sicherheit ist ein sehr großes Bedürfnis der Hafenunternehmen. Welche Anstrengungen müssen hier unternommen werden?
Die Kriminalität und hier insbesondere der Kokainschmuggel haben in den letzten Jahren in allen europäischen Häfen eine neue Qualität erreicht. Der UVHH engagiert sich in der Initiative „Allianz Sicherer Hafen Hamburg“ im Rahmen dessen zwischen Behörden, Transportunternehmen, Hafenwirtschaft und Verbänden Maßnahmen gegen den Drogeneinfuhrschmuggel diskutiert und weiterentwickelt werden. Es ist im Interesse der Hafenbetriebe, ihren Beitrag für mehr Hafensicherheit zu leisten. Insbesondere haben die Terminals im Hafen bereits eine Vielzahl von Maßnahmen ergriffen, um den Schmuggel zu unterbinden.

Und mit welchen Gedanken gehen Sie dem Hafengeburtstag entgegen?
Ich freue mich auf ein tolles und friedliches Volksfest, welches Hunderttausende von Menschen in den Bann zieht. Der Hafen hat eine lange Tradition. Im Mai feiern wir den 835. Hafengeburtstag. Ich wünsche mir, dass die Bedeutung des Hamburger Hafens nicht nur an diesen Tagen im Mai anerkannt wird.

Herr Cornelius, wir danken Ihnen
für das Gespräch.

 

Zur Person:

Ulfert Cornelius
… geboren 1967 in Dithmarschen.
Seit 30 Jahren verheiratet und Vater dreier Kinder. Seit mehr als 25 Jahren ist er im Hafen tätig, mit langer Erfahrung in der Arbeit in Verbänden. Mehr als neun Jahre ist er im Präsidium des UVHH, seit Ende 2023 als Verbands-Präsident. Außerdem ist Cornelius Vorstand im deutschen Tanklagerverband („UTV“).
Aktuell ist er Geschäftsführer des Tanklagerspezialisten Evos Hamburg GmbH.

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