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28. Juni 2023
Magazin-Tipp

Hat Wedel kein Geld mehr in der Stadtkasse?

Die Stadt Wedel muss nachbessern. Der Haushaltsentwurf für 2023 wurde vom Land Schleswig-Holstein zurückgewiesen. Ein Defizit von über 13 Millionen Euro droht die Stadt handlungsunfähig zu machen.

Wedels Wahrzeichen: Der Roland // Foto: Mike W. Zude

Wedels Wahrzeichen: Der Roland // Foto: Mike W. Zude

Dieses Mal ging‘s schief. Die Stadt Wedel hat Erfahrungen mit defizitären Haushalten. Bereits in den vergangenen Jahren wies das Planungswerk regelmäßig einen Fehlbetrag von mehreren Millionen auf. Nun steht dort ein Rekord: Um 13 Millionen übersteigen die Ausgaben die Einnahmen. Zwar waren sich die Mehrheit der Parteien am Roland Ende 2022 einig und wollten den Haushalt trotz der Schulden passieren lassen, aber die Landesregierung in Kiel legte ihr Veto ein: Das Schleswig-Holsteiner Innenministerium bemängelte die Gesamtschulden, die sich auf mittlerweile 90 Millionen Euro belaufen. Nun muss Wedel nachbessern.

Konkret fordert die Landesregierung Einsparungen von 2,5 Millionen Euro bei den Investitionen und 8,8 Millionen bei den Verpflichtungsermächtigungen (Investitionen, die über mehrere Jahre geplant sind). Nun ist eine Streichliste entstanden, die es in sich hat: Spielplätze, Jugendarbeit, Seniorenberatung, Sozialarbeit, Stadtbibliothek, Volkshochschule – kaum eine Kostenstelle im Bereich Soziales bleibt verschont. Dazu später mehr.

Länder und Kommunen in ganz Deutschland klagen derzeit über sinkende Steuereinnahmen. Tatsächlich hört man auch im Falle Wedels von einem rückläufigen Aufkommen der Gewerbesteuer. Ein plausibles Szenario, denn gerade durch diese Steuerart sind Städte wie Wedel direkt an die Konjunktur gekoppelt. Geht es den Betrieben in der Region gut, sprudeln die Steuereinnahmen, lässt die Konjunktur nach, geht auch das Steueraufkommen entsprechend zurück. Im Extremfall müssen sogar Steuern zurückerstattet werden, nämlich dann, wenn eine überraschende Eintrübung der Konjunktur die bisherige Bemessungsgrundlage Makulatur werden lässt.

Deutlicher Rückgang der Steuerunternehmen in Wedel

Dementsprechend schlagen sich neben der Konjunktur auch Ereignisse wie die Corona-Pandemie, der Krieg in der Ukraine oder die Erhöhung des Mindestlohns im Haushalt nieder. Im Fall einer eher kleinen Stadt wie Wedel reicht aber auch eine Firmenpleite oder ein Umzug. Zur Verdeutlichung: Die Summe aller Ausgaben betrug im Haushaltsplan für 2022 etwa 93 Millionen Euro. Die Einnahmen aus der Gewerbesteuer lagen bei 19 Millionen. Das bedeutet, dass diese Steuerart nicht weniger als 20 Prozent des Wedeler Ausgaben finanziert. In den letzten Jahren schwankten diese Gewerbesteuereinnahmen aber zwischen 30 und 16 Millionen, was erneut verdeutlicht, wie fragil das ganze Gebilde ist.

Firmenpleiten durch Preisdruck

Der Umzug eines einzigen Großunternehmens wie zum Beispiel AstraZeneca (begonnen 2019) führt zu einem deutlichen Rückgang der Steuereinnahmen.
Hinzu kommen Firmenpleiten. So ging im Sommer 2022 das Traditionsunternehmen Kröger Druck (wo lange Jahre auch der Klönschnack produziert wurde) nach 135 Jahren insolvent. Die Gründe waren eine fortschreitende Digitalisierung, vor allem aber gestiegene Papier- und Energiepreise. Auch hier steht im Ergebnis ein Ausfall bei den Gewerbesteuern.

Rentabilität des Business Parks bezweifelt

Die Stadt könnte nun versuchen, diese Ausfälle durch Steuererhöhungen zu kompensieren. Der Hebesatz beträgt in Wedel derzeit 420, im benachbarten Hamburg 470 Prozent. Es besteht also ein deutlicher Wettbewerbsvorteil zugunsten Schleswig-Holsteins, der bei Steuererhöhungen schwinden würde.

Im Sinne Wedels wäre demnach die Ansiedlung einer größeren Zahl kleiner und mittlerer Unternehmen, die in zukunftsstarken Branchen tätig sind und die starken Schwankungen des Gewerbesteueraufkommens verringern. Genau dies wird seit 2016 mit Gewerbegebieten wie dem Businesspark Elbufer versucht. Der liegt zwischen dem alten Kohlkraftwerk und der Stadtgrenze zu Hamburg am nördlichen Elbufer. Das erste Gebäude ist errichtet und vermietet, aber von hoher Auslastung kann noch keine Rede sein. Hinzu kommen erhebliche Kostensteigerungen beim Bau aufgrund geänderter Anforderungen zugusten des Klimas. Vereinzelt wurde sogar die grundsätzliche Rentabilität des Parks bezweifelt.

Business Park Elbufer in der Planung. Bisher stehen jedoch nur wenige Gebäude. // Foto: Stadt Wedel
Business Park Elbufer in der Planung. Bisher stehen jedoch nur wenige Gebäude. // Foto: Stadt Wedel

Eine weitere Initiative ist das so genannte Gründer und Technologiezentrum (GTZ), das zuerst ebenfalls im Businesspark entstehen sollte. Es richtet sich dezidiert an Start-ups innovativer Branchen. Nach einer Entscheidung des Kreises Pinneberg soll das GTZ nun wirklich kommen, eng verbunden mit der FH Wedel, die ihren Campus als Standort anbietet.

Mehr Einnahmen für Wedel aus der Rüstungsindustrie?

Eine weitere, unerwartete Einnahmequelle ergibt sich durch den Krieg in der Ukraine und die damit verbundene Aufrüstung der deutschen Streitkräfte aus dem Sondervermögen Bundeswehr. Wedel ist ein starker Standort der Rüstungsindustrie mit Unternehmen wie Rheinmetall Electronics, Ruag Defence und Vincorion. Letzeres liefert unter anderem Technik für den Leopard 2-Panzer, mit entsprechend ansteigender Nachfrage. Es gibt jedoch erhebliche Probleme bei Zulieferern und mit der Bürokratie auf Bundesebene. Nähere Informationen hierzu liefert das Interview auf Seite 11 dieser Ausgabe.
Anhand der geschilderten Situation rund um die Gewerbesteuer wird deutlich, warum wenig Spielraum für weitere „Betriebsstörungen“ bleibt.

Auch Inflation und vor allem die gestiegenen Energiekosten haben ihren Anteil an dem defizitären Haushalt. Es gibt daher auch lokale Stimmen, die fordern, nicht bei den Einnahmen anzusetzen, sondern bei den Ausgaben.

Schleswig-Holsteins Wirtschaftsminister Claus Ruhe Madsen beim Besuch des Rüstungskonzerns Vincorion in Wedel / Foto: Klönschnack
Schleswig-Holsteins Wirtschaftsminister Claus Ruhe Madsen beim Besuch des Rüstungskonzerns Vincorion in Wedel / Foto: Hamburger Klönschnack

Michael Kissig etwa, Vorsitzender und finanzpolitischer Sprecher der Wedeler CDU hält die Stadt für „überinvestiert“. Man unterhalte eine Infrastruktur, die für Städte mit 50.000 Einwohnern und mehr üblich sei. Wedels Einwohnerzahl liegt bei rund 34.500 (siehe Kasten). Der Vorschlag daher unter anderem: Mehrfachnutzung von städtischen Räumen, also Zusammenlegung und damit effizientere Nutzung.

Wedels „Sahnestücke“

Tatsächlich besitzt Wedel einige „Sahnestücke“ mit den entsprechenden Kosten. Dazu gehört die „Badebucht“, betrieben von der Kombibad Wedel GmbH, einer Tochter der Stadtwerke Wedel. Die Einschränkungen der Corona-Jahre haben hier zu erheblichen Belastungen geführt. 2020 wurden Einnahmen von 6.980 Euro erzielt, bei jährlichen Ausgaben von knapp unter 2,5 Millionen Euro.

Die Haushaltskrise hat naturgemäß auch zu einer Krise im Wedeler Rathaus geführt. SPD, Grüne, FDP und Linke hatten dem Haushaltsentwurf ursprünglich zugestimmt, durchaus im Bewusstsein der Probleme. So sagte Wolfgang Rüdiger, stellvertretender Fraktionschef der SPD in seiner Haushaltsrede im Januar diesen Jahres: „Der Haushalt ist ein Plan. In so schwierigen wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Zeiten kann ein Plan nur eine ungefähre Leitlinie sein. Im Jahr 2023 kann noch so viel passieren, auf das die Stadt dann kurzfristig reagieren muss.“

CDU lehnte den Haushalt ab

Die CDU lehnte den Haushalt schlichtweg ab. Noch mal Michael Kissig, CDU: „Hinter uns liegt ein weiteres Katastrophenjahr und vor uns liegt ein weiterer Katastrophenhaushalt. Leider hängen beide nur bedingt miteinander zusammen, denn Wedels Haushaltprobleme lassen sich nicht alleine auf die Folgen der Corona-Pandemie zurückführen, sondern sind ein Beleg jahrelanger Selbstüberschätzung und Problemverdrängung – sowohl auf Seiten der Verwaltung als auch auf Seiten der Kommunalpolitik.“

Interessant zu wissen ist, dass dieses Statement bereits 2021 fiel. Auch damals hatte die CDU den Wedeler Haushalt abgelehnt – schon damals nicht ohne Risiko. Fällt ein Haushalt durch, dann greifen die Vorschriften der vorläufigen Haushaltsführung mit weitreichenden Einschnitten, die etwa Investitionen behindern können. Die ablehnende Fraktion kann also in der öffentlichen Wahrnehmung als Stimme der Vernunft, aber auch als Bedenkenträger und Bremser gesehen werden. Im Falle Wedels hat die CDU nun durch das Veto aus Kiel nachträglich Recht bekommen, aber das war angesichts der genehmigten Haushalte der letzten Jahre kaum garantiert.

Kinderbetreuung ist in Wedel ein sensibler Punkt

Wedels Bürgermeister Gernot Kaser (parteilos) stand zuletzt in der Kritik. Er habe dem Rat bewusst Informationen zum Haushalt vorenthalten. Die Folge war die Dienstaufsichtsbeschwerde eines Ratsherrn. Kaser dementierte. // Foto: Stadt Wedel/ Kamin
Wedels Bürgermeister Gernot Kaser (parteilos) stand zuletzt in der Kritik. Er habe dem Rat bewusst Informationen zum Haushalt vorenthalten. Die Folge war die Dienstaufsichtsbeschwerde eines Ratsherrn. Kaser dementierte. // Foto: Stadt Wedel/ Kamin

Abschließend bleibt zu sagen, dass Besserwisserei von außerhalb Wedels fehl am Platz sind. Nahezu alle Länder und Kommunen Deutschlands beobachten sinkende Zahlen bei den Steuereinnahmen bei steigenden Kosten. Die Gründe sind auch hier vielfältig und geprägt von aktuellen Krisen: Die Unterbringung von Flüchtlingen schlägt ebenso zu Buche wie der steigende Bedarf an Schulen und sozialen Einrichtungen. Hinzu kommen steigende Zinsen, Baukosten und Gehälter.

Fatal ist hier wie dort, dass Haushaltskrisen meist auf dem Rücken derer ausgetragen werden, deren Beschwerdemacht gering ist: Rentner, Kinder, Familien … Gerade der Bereich Kinderbetreuung ist in Wedel ein sensibler Punkte. Immer wieder gab es in der Vergangenheit großen Protest gegen Streichungen (auch wenn diese nicht direkte Folgen von Sparmaßnahmen waren). Als etwa im Mai bekannt wurde, dass die Kita „Kleine Strolche“ im ehemaligen Krankenhaus Wedel schließen wird, herrschte unter Eltern Entsetzen.

Die „Badebucht“ erwirtschaftete in den Corona-Jahren, wie alle Schwimmbäder hohe Verluste. // Foto: Hamburger Klönschnack
Die „Badebucht“ erwirtschaftete in den Corona-Jahren, wie alle Schwimmbäder hohe Verluste. // Foto: Hamburger Klönschnack

Mittlerweile wurde eine Online-Petition eingerichtet. Als Alternative gilt die Familienbildung Wedel, aber die findet sich auf der Streichliste der Stadt. Laut dieser Liste soll unter anderem Folgendes passieren: Höherer Eintritt für die Badebucht, Reduzierung der Kinderspielplätze von 45 auf 30. Die Gebühren der Volkshochschule sollen ebenso steigen wie die der Musikschule. Auch die Gebühren der Stadtbücherhei sollen angehoben werden. Außerdem Anhebung und Ausweitung der Parkgebühren, weiterhin höhere Elternbeiträge für die Schulkinderbetreuung. Die genaue Liste stand zum Redaktionsschluss nicht fest.
Dem entgegen stehen dringend benötigte Investitionen im Schulwesen, denn die Zahl der Schüler steigt teilweise drastisch. In der Grundschule Moorweg wird es in diesem Sommer sieben erste Klassen geben. Es handelt sich laut Schulamt um den größten Einschulungsjahrgang in gesamt Schleswig-Holstein. Derzeit werden hier dringend zusätzlich Lehrkräfte gesucht.

Die Personalkosten

Damit sind wir bei den Personalkosten angelangt. Die steigen im öffentlichen Dienst deutschlandweit. Der Grund sind vor allem hohe Tarifabschlüsse der Gewerkschaften, die mit der Inflation wiederum ein starkes Argument haben. Im aktuellen Wedeler Haushaltsplan finden sich demnach sowohl stark gestiegene Baukosten also auch gestiegene Kosten für Personal. Der perfekte Sturm aus Pandemie, Krieg und Rohstoffkrise ist also auf der kommunalen Ebene angekommen und trifft auch hier zuerst die Kleinen.

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