Corona ist noch nicht ganz überstanden, da stehen die Affenpocken vor der Tür. Und in der Ukraine herrscht Krieg. Nach einer langen, fast schon friedlichen Zeit, jagt eine Krise die nächste. Wie geht die Gesellschaft mit Krisen um? Mit Hysterie oder doch eher besonnen? Was können wir besser machen? Und gibt es eine Spaltung der Gesellschaft? Falls ja – nach arm und reich, alt und jung? Wir haben nachgefragt.
Welche Krisen habt Ihr vor Corona schon miterlebt und welche Krise war für Euch persönlich besonders einschneidend?
Sabine Rheinhold: Also nicht private, sondern gesellschaftliche? Das Ende der DDR! Ich bin die sogenannte 68er-Generation, habe 67 angefangen zu studieren in Berlin, links von mir selbst. Und ich habe mir sicherlich einiges in der DDR schöngedacht. Ja, ich wusste, ganz viel geht schief und zu viel Unfreiheit. Aber ich habe zum Beispiel gedacht, mit dem Faschismus haben sie gründlicher aufgeräumt als der Westen … Und dann festgestellt: Verdammt, da hast du dich aber wirklich vertan.
Oliver Ferber: Ich habe das große Glück, dass in meiner Generation die großen gesellschaftlichen Krisen ausgeblieben sind. Also von, sagen wir mal, 1980 bis heute gab es eigentlich nicht viele Krisen. Die DDR habe ich genau von der anderen Seite als Sabine mitbekommen. Ich stamme aus Berlin und habe den Mauerfall am Checkpoint Charlie tatsächlich nachts miterlebt, auf der Mauer tanzend.
Julius Jarchow: Bei mir gab es auch noch keine Krise, vor Corona, bzw. man war in einem Alter, in dem man sich gar nicht damit befasst hat.
Jetzt können wir uns vor Krisen kaum retten und das führt zur nächsten Frage: Wie verändert sich die Gesellschaft? Machen die aktuellen Krisen die Gesellschaft robuster? Oder werden wir hysterischer? Wenn alle Welt plötzlich anfängt, Klopapier zu kaufen, ist das ja ein Signal, dass da irgendwas mit dem klaren Denken nicht mehr funktioniert. Was ist Euer Eindruck?
Oliver: Wir haben gemerkt, dass die Welt wieder enger zusammenstehen kann. Das war im Rahmen der Trump-Ära und des Brexits anders. Die Welt hat sich immer weiter aufgespalten und auch in Deutschland gab es die Tendenz, nach dem Sinn der EU zu fragen. Und jetzt haben wir eigentlich gemerkt, es ist gut, Krisen oder Umbrüche nicht alleine, sondern gemeinsam durchzustehen.
Julius: Ich glaube, das Zusammenrücken ist klar erkennbar, auch in meiner jüngeren Generation. Robuster würde ich aber nicht sagen. Die Leute haben es satt und werden dünnhäutig, das merkt man besonders bei Corona-Regelungen. Wir haben zum Beispiel in unserem Restaurant noch freiwillig Masken auf und auch noch den Spuckschutz, weil das hygienische Maßnahmen sind, die wir absolut nachvollziehen können und auch weiterhin erhalten möchten. Und da wird dann teilweise aktiv von Gästen dagegen angegangen.
Sabine: Also ich habe schon den Eindruck, dass die Bereitschaft, andere Meinungen überhaupt nur anzuhören, abgenommen hat. Und dass die Aggressivität gegen andere Positionen, ob es Corona oder Ukraine oder auch Energie oder Gender ist, die Bereitschaft, aufeinander nicht zu hören, sondern draufzuhauen, enorm groß ist.
Ich finde zum Beispiel in der Ukraine-Diskussion im Moment eigentlich gut, dass es über ein so unglaublich zentrales Thema wie Waffen und Waffenlieferung einen Disput gibt. Und ich habe noch mal nachgedacht über eure Frage nach den Krisen der Vergangenheit. Das ist schon richtig. Wir sind eine Konsensgesellschaft. Selbst ich bin noch in dieser Konsensgesellschaft mit einer solchen Selbstverständlichkeit aufgewachsen, dass wir nicht sehr daran gewöhnt sind, Dispute zu führen. Vielleicht ist das auch die Zeit, in der Leute, die über Jahre oder Jahrzehnte den Mund gehalten haben, sich äußern – und zu unserer Verblüffung Sachen sagen, mit denen wir nicht rechnen.
Ich habe schon den Eindruck, dass die Bereitschaft, andere Meinungen überhaupt nur anzuhören, abgenommen hat.
Julius: Also meine Generation beschäftigt sich gar nicht damit. Das ist eher ein angsthaftes Verdrängen, wie ich es wahrnehme. Ich habe mal versucht, mit nahstehenden Personen in einen Diskurs zu gehen und darüber zu reden. Deren Haltung ist aber eher: Wir können es sowieso nicht beeinflussen. Wieso diskutieren wir jetzt drüber? Lass uns doch lieber irgendwie über was Positives reden.
Das hört man komischerweise so auch aus Russland, dass dort viele Menschen sagen: „Ich interessiere mich nicht für Politik, geh mir weg damit, ich lebe jetzt mein Leben.“
Sabine: Das ist in den meisten Diktaturen der Fall. Und das mit dem Verdrängen bei Jüngeren ist mir auch aufgefallen. Aber nochmal zu Europa. Ich bin ja Journalistin und habe mich viel mit der Thematik beschäftigt. Wir müssen uns schon den Vorwurf machen, glaube ich, dass wir nicht genug deutlich gemacht haben, was das für eine Errungenschaft ist. Die älteren Generationen haben das noch gemacht. Für mich war es schon so selbstverständlich, und zwar positiv besetzt, dass ich möglicherweise versäumt habe, klar zu machen, wie toll Europa ist.
Das klingt jetzt so, als wäre das Zusammenrücken eher international und das Auseinanderdriften ein innerdeutsches Phänomen.
Sabine: Ich glaube beides. Das ist ja die Schwierigkeit, dass wir kein eindeutiges Bild haben und viele Fragen entstehen.
Oliver: In den letzten Jahren hat die Spaltung erheblich zugenommen. Ob wir das in den USA durch Trump, in England durch Johnson und Frankreich durch Le Pen sehen, bei den Wahlen in Deutschland durch die AfD … Das haben wir deutlich mitbekommen, waren aber relativ ruhig dabei. Und was jetzt passiert, ist glaube ich eine Gegenbewegung, die sagt „Nein, wir lassen uns nicht spalten!“ Und natürlich gibt es das, sagen wir mal, auf nationaler und auf internationaler Ebene.
Corona, Ukraine, eine mögliche Energiekrise – für wie gefährdet haltet Ihr euch persönlich?
Julius: Eigentlich gar nicht, weil ich mich als freudige Person des Wandels ansehe und die Herausforderung nicht scheue, sondern eher positiv … Nein, positiv ist das falsche Wort, auch nicht freudig, aber ich blicke Krisen aktiv entgegen. Für jedes Problem gibt es auch in gewisser Weise eine Lösung. Und das gilt es anzupacken. Wir werden jetzt zum Beispiel bei uns eine Kühlzelle einbauen, weil einzelne Kühlschränke das Fünffache an Energie verbrauchen im Vergleich zur Kühlzelle. Wir schaffen uns eine Reis-Waschmaschine an. Momentan braucht man für fünf Kilo Reis schon 50 bis 100 Liter Wasser zum Waschen. Bei der Reis-Waschmaschine ist es ein Liter. Man muss sich klug anstellen.
Sabine: Ich bin auch eher positiv und optimistisch und der Meinung, dass man gucken muss in seinem persönlichen Umfeld: Was kann man tun? Zu hochgesteckte Ziele deprimieren und bringen einen nicht weiter.
Was Corona angeht, ich gehöre zur Risikogruppe. Ich bin geimpft und geboostert und achtsam würde ich mal sagen. Und Krieg? Ich finde entsetzlich, was da passiert. Aber ich glaube, dass die Bedrohung durch den sogenannten Erstschlag so groß ist, dass es nicht passiert. Da setze ich auf die Abschreckung.
Julius: Achtsamkeit, glaube ich, ist in dem Zusammenhang ein ganz wichtiges Wort. Für mich persönlich war es unglaublich hilfreich, sich auf die einfachen Dinge des Lebens zu berufen. Auch wenn die äußeren Umstände negativ wirken, zu sich selbst finden und daraus Energie schöpfen.
Oliver: Bei mir persönlich haben sich gerade in den letzten Wochen die Wertemaßstäbe extrem verschoben. Wir haben bei uns zu Hause zwei Flüchtlinge, eine Mutter und ihre Tochter, aufgenommen. Und was ich von denen persönlich erzählt bekomme oder was ich in den Nachrichten gesehen habe, ist natürlich eigentlich das Gleiche. Aber durch die persönliche Erzählung, die persönlichen Bilder … Die haben nichts mehr. Und seitdem gehe ich viel gelassener durchs Leben und rege mich über ganz viele Dinge überhaupt nicht mehr so auf, wie ich das vielleicht noch vor sechs Wochen getan hätte.
Was sind denn eure persönlichen Strategien, mit Krisen umzugehen?
Julius: Was ich immer gelernt habe, ist den Radius, den man selbst proaktiv beeinflussen kann, das Unmittelbare, was man selber umsetzen kann, zu tun. Gleichzeitig sich aber auch nicht zu sehr verrückt machen zu lassen, auf eine negative Art und Weise und immer noch einen positiven Blick nach vorne zu behalten.
Sabine: Ich fühle mich aufs Hübscheste von dir wiedergegeben. Der zweite Punkt, der für mich essenziell ist, ist das der Austausch mit Freunden und das intensive Bereden mit Freunden, auch mit Familie. Aber das finde ich schon, müssen nicht zwingend die identischen Positionen sein.
Oliver: Was mir immer hilft, ist eine gewisse Art von Vorbereitung. Also wenn ich am Horizont einen Sturm aufziehen sehe, dann gilt es, die Segel zu reffen und alles auf dem Deck fest zu machen.
Hast Du ein Beispiel?
Oliver: Zum Beispiel die Coronakrise. Da haben wir in der Familie relativ früh beschlossen, uns vorzubereiten. Das bedeutet dann schon ein paar Vorräte anzulegen. Wir haben uns auch früh Masken gekauft und ich habe mich beruflich vorbereitet. Digitalisierung war bei uns ein Thema, das wir dann sehr schnell angegangen haben. Davor waren wir da noch relativ verschlafen.
Wenn ich am Horizont einen Sturm aufziehen sehe, dann gilt es, die Segel zu reffen und alles an Deck fest zu machen.
Wir haben ja eben schon über Spaltung und Zusammenrücken gesprochen. Wo seht ihr denn die größten Gefahren für die Gesellschaft unter dem Druck von Krisen? Was ist am Gefährlichsten?
Sabine: Der verzweifelte Versuch, einfache Lösungen zu finden, weil die komplizierten andere, eigene Aktivitäten erfordern und mit Bildung zusammenhängen. Aber wenn deine ganze Welt ins Wanken gerät – und Globalisierung ist ja nicht nur eine Chance, sondern für viele auch was Beruf und sowas angeht, eine Gefahr – dann ist offenbar das Bedürfnis groß, jemandem, der was Einfaches, Erklärbares sagt – das ist ja das, was die AfD erfolgreich macht – dem nachzulaufen. Oder Brexit oder Trump. Die Gefahr halte ich für sehr groß. Viel wird über die sozialen Medien transportiert, weil es da auch die Möglichkeit gibt, deinen Winkel so zu verengen, dass du nichts anderes mehr wahrnimmst. Da sehe ich eine Gefahr und sicherlich auch in unterschiedlichem Wohlstand. Wohnen ist ein klassisches Beispiel. Die Preise sind so hoch, dass bezahlbare Wohnungen eigentlich nur noch mit hohen Subventionen zu bekommen sind.
Wie ist es mit Jung und Alt? Wenn der Staat jetzt hohen Schulden aufnimmt, dann ist ja klar, wer die wird bedienen müssen.
Sabine: Ich finde es wichtig zu fragen, was das für Schulden sind. Das Tafelsilber zu verkaufen, um Gehälter zu zahlen – das ist mörderisch gegenüber der nächsten Generation. Wenn du Infrastruktur und Werte schaffst und Schulen baust, kann man, finde ich, auch Schulden machen.
Seht ihr denn eine Spaltung nach Altersgruppen in der deutschen Gesellschaft?
Oliver: Würde ich nicht sagen.
Sabine: Nicht mehr als früher.
Oliver: Es gibt eher eine Spaltung in Richtung Informationsbegierige oder, was Sabine meinte, Leuten, die einfachen Informationen hinterherlaufen. Die gibt es überall und die gibt es in jeder Altersgruppe. Und das sehe ich sogar im persönlichen Umfeld von Leuten, bei denen ich mir das nicht hätte vorstellen können. Das ist manchmal sehr, sehr schwierig für mich, damit umzugehen, wenn ich denke: Das kann doch nicht wahr sein. Einfach mal informieren! Und das ist ein Problem unserer sozialen Medien. Die geben eigentlich jedem die Chance, sich zu melden und sich umfassend zu informieren. Und gleichzeitig führen Algorithmen dazu, dass man sich eigentlich nur noch in seiner Blase bewegt.
Du gehst jetzt also noch weiter. Du sagst nicht nur, dass Leute sich nicht informieren, sondern sie geben sich einer Art Anti-Information hin.
Sabine: Die sie bestätigt.
Ich weiß nicht, ob es jedem klar ist, dass Algorithmen die Informationslage bestimmen.
Oliver: Ich weiß nicht, ob es jedem klar ist, dass Algorithmen die Informationslage bestimmen. Wir fühlen uns in bestimmten Informationsblasen wohl, das geht mir persönlich auch so. Ich suche auch nicht ständig neue Informationsgeber, sondern bekomme ich meine Informationen aus den mir vertrauten Medien. Persönlich bin ich der Meinung, das sind seriöse Medien, das sind Medien, denen ich vertrauen kann. Aber das glauben viele andere auch. Und wenn ich das nicht hinterfrage, immer mal wieder, dann werde ich in einer Blase gefangen, die sich immer wieder selbst bestätigt.
Julius: Und das wird dann in meiner Generation zum Extremfall und zu einer riesigen Gefahr. Kinder bekommen mit acht oder neun Jahren ein Handy in die Hand gedrückt. Man ist auf Tiktok und Twitter, man ist auf Instagram und dergleichen und so fort. Alles ohne Einschränkungen – was eine riesige Chance ist, ein unglaubliches Mittel. Aber viele hinterfragen gar nichts mehr. Und das ist dann schon ein ungeheures Risiko und auch eine Gefahr.
Was wäre da eine Lösung aus eurer Sicht?
Sabine: Bildung, Bildung, Bildung. Medienkompetenz. Ein Infragestellen oder eine Erkenntnis, was Algorithmen mit dir anrichten – das kann man ja lernen, wie man rechnen oder schreiben auch lernen kann. Und insofern finde ich Bildung und Einschätzen von Quellen und argumentieren lernen und zuhören, wenn jemand anders argumentiert. Das finde ich schon alles ziemlich wichtig und ich glaube nicht, dass es eine Alternative gibt. Es gibt keinen kurzen Weg.
Sollte man auf diesen freiwilligen Lernprozess setzen oder sollte der Staat irgendwann gewisse Inhalte sperren? Hier und da passiert das ja schon.
Oliver: Das ist schon fast eine philosophische Frage. Da sind wir ja bei Elon Musk, der plant, Trump wieder auf Twitter zuzulassen, oder nicht? Eine ganz schwierige Frage, weil auf der einen Seite Redefreiheit ein ganz, ganz hohes Gut ist. Sie gilt für jeden, auch wenn er mir persönlich nicht passt. Und auf der anderen Seite führen Menschen wie Trump eventuell dazu, dass die Redefreiheit irgendwann für alle eingeschränkt ist.
Julius: Ich glaube, die Dienste, also die großen Player wie Google, Instagram, Facebook, alles, was dazugehört, die müssten zumindest in die Pflicht genommen werden, sich damit zu beschäftigen. Und es muss Möglichkeiten geben, Verstöße zu melden. Theoretisch gibt es diese Möglichkeit, aber jeder weiß auch, dass das eigentlich nichts mit dem wirklichen Melden zu tun hat, sondern dass ein Algorithmus drüberguckt. Die sind ja auch nicht blöd. Wir hatten das bei uns, bei JayJays. Da haben wir den Laden in Othmarschen, gegen einen Mitbewerber bekommen. Am Abend kamen auf einmal aus Russland über Nacht 250 Ein-Sterne-Bewertungen. Hätte ich nicht einen Bekannten, der bei Google arbeitet, wären die jetzt immer noch drin.
Oliver: Wir müssen da aber aufpassen. Wir diskutieren das ja gerade aus einer kulturell relativ einseitigen Sicht, nämlich aus unserer deutschen Kultur, Vergangenheit, Sichtweise … Und die kann hinter der Grenze schon ganz anders aussehen. Man kann auch mal über den großen Teich schauen, was da erlaubt oder verboten ist. Da fassen wir uns manchmal an den Kopf, aber das tun Amerikaner bei uns auch. Und dann ist es natürlich schwierig zu sagen, Dienste müssen sich damit befassen. Wenn ich überlege, wie viele Kulturen und wie viel Ansichten es weltweit über bestimmte Themen gibt, da frage ich mich, wie man was kontrollieren soll …
Sabine: Ja, aber trotzdem, glaube ich, muss die Forderung sein, nicht einfach gesetzlich zu verbieten, aber sich damit zu beschäftigen. Prüfen und entscheiden. Praktisch in jedem Fall entscheiden.
Sprechen wir über Ökologie, speziell über den Klimawandel und unsere Lebensweise. Auf was muss diese Gesellschaft hier in Deutschland wahrscheinlich künftig verzichten?
Sabine: Es fängt an mit Lebensmittelvernichtung, fängt an mit der Selbstverständlichkeit, mit der wir unsere Haushalte mit elektrischen und elektronischen Geräten voll geknallt haben. Wenn ich die Generation meiner Mutter und meiner Großmutter angucke, dann haben die ein so selbstverständlich anderes, besseres Verhalten gegenüber ihrer Umwelt gehabt. Man muss sich aber darüber im Klaren sein, dass der Wohlstand, den wir haben, unter anderem darauf zurückzuführen ist, dass wir alles weggeschmissen, neu gekauft, neu gemacht und irrsinnig groß gewirtschaftet haben.
„Das wird eine Veränderung der gesamten Gesellschaft. Das wird wehtun.“
Es ist auch fraglich, ob wir uns die Form von hinreißendem Massentourismus leisten können, der nicht nur den Reichen wie uns die Möglichkeit gibt zu verreisen, sondern allen, mit Flügen, die billiger sind als Zugfahrt. Das Wichtigste, glaube ich, ist natürlich auch, in dem eigenen Umfeld zu gucken, sich allerdings auch darüber klar zu sein, dass eine wirkliche Änderung eher die Industrie betrifft, die Wirtschaft, als unsere Haushalte. Das wird eine Veränderung der gesamten Gesellschaft. Die wird wehtun.
Julius: So oder so sind wir zu langsam und wir sind uns zu angenehm.
Sabine: Wofür zu langsam?
Julius: Um diese Welt nachhaltig noch für nicht nur die nächste Generation, sondern auch für folgende aufrechtzuerhalten, so in ungefähr diesem Maße, wie wir sie jetzt hier kennen.
Oliver: Das ist, glaube ich, zu pessimistisch. Die Energiewende könnte auch eine Riesenchance sein – wenn wir es richtig anpacken und ich sehe erste Tendenzen. Wir sind in Deutschland vielleicht immer ein bisschen langsamer als in anderen Ländern, das ist richtig, aber dafür gründlich. Wenn wir es richtig anpacken, ist das für unsere Industrie keine Bedrohung, sondern eine Möglichkeit, neue Industriezweige und Techniken aufzubauen, die in 50 oder schon in 30 Jahren Exportschlager sind, weltweit führend, mit denen wir neuen Wohlstand aufbauen können. Das haben wir in den 50er Jahren mit der Automobilindustrie gemacht und jetzt sind es grüne Industrien. Wir müssen es bloß endlich anpacken!
Letzte Frage: Könnt ihr denn Krisen? Also wenn ihr euch selbst anschaut, eure Fähigkeiten, euer Mindset, könnt ihr das?
Julius: Ich lerne mit Krise. Das macht Spaß. Und das ist ein bisschen der chinesische Ansatz. Da ist immer eine Chance. Krisen, Probleme, Aufgaben. Da kann immer was Großes draus entstehen. Ich bin ganz klar der Meinung, dass das wirklich Schöne, Erstrebenswerte nicht durch einfache Aufgaben kommt, sondern man durchaus auch mal etwas dran zu beißen hat.
Sabine: Ich denke auch, ich kann Krise. Ich hoffe, dass ich es in zehn Jahren auch noch kann. Weil das auch eine Frage von Kraft und Alter ist. Jetzt geht es mir wie dir. Ich sehe da die Chance, auch was zu ändern. Aber ich wünsche mir, dass ich das in zehn Jahren auch noch kann. Denn die Krisen werden nicht ausbleiben.
Oliver: Ich kann Krise, weil ich beruflich auch mit Krisen umgehen muss. Und was ich inzwischen gelernt habe, ist eine Nacht drüber zu schlafen. Dann wird die Krise zerlegt, in Einzelteile, in Einzelprobleme. Und dann werden einzelne handelbare Themen angegangen, Stück für Stück, Stufe für Stufe. Der Berg ist ein bisschen viel, aber jede einzelne Stufe geht und irgendwann bin ich oben.
Vielen Dank für das Gespräch.