1. März 2022
Gesellschaft

Hörgeschädigter Musiker für Inklusion: Grenzen sind relativ

Eine friedliche Gesellschaft für alle – so und nicht weniger lautet die Vision des hörgeschädigten Profimusikers Mischa Gohlke und das Ziel des Aktionsbüros Grenzen sind relativ e.V.

Inklusion in Musik

Mischa Gohlke steht mit seiner Band trotz starker Hörschädigung regelmäßig auf großen Bühnen. // Foto: ©Marie Tabuena

Ein Gitarrist, der kaum etwas hört. „Geht das?“, werden sich einige fragen. Und wenn ja, wie geht das? Mischa Gohlke beweist: Es geht. Und zwar sehr erfolgreich. Und es ist gar nicht so schwierig, wie es zuerst klingt. Er und sein Aktionsbüro stehen für Inklusion und zeigen: Grenzen sind relativ!

Leidenschaft und Hingabe entscheidend

„Nach der Schule habe ich entschieden, dass Musik mein Lebensmittelpunkt werden soll, und das habe ich nie bereut“, sagt Mischa Gohlke. Davon konnte ihn auch seine an Taubheit grenzende Hörschädigung nicht abhalten. Die wurde schon früh diagnostiziert, mit drei Jahren bekam er sein erstes Hörgerät.

Mit 15 Jahren machte es Klick bei ihm, beim Hören eines Blues-Songs. „Das war die Initialzündung, dann habe ich begonnen, leidenschaftlich Gitarre zu lernen, und in vielen verschiedenen Bands gespielt“, erzählt der 41-Jährige.

Seine Hörschädigung, sein vermeintliches Handicap, hat ihn auf seinem Weg kaum oder auch nicht beeinträchtigt. „Es war anfangs eine gute Entschuldigung, wenn irgendwas nicht geklappt hat“, so Gohlke augenzwinkernd. „Aber Leidenschaft und Hingabe spielen eine wesentlich größere Rolle.“

Musiker mit allen Sinnen

Musik für Inklusion
Mischa Gohlke ist Musiker aus Leidenschaft. // Foto: © Betty Schätzchen

Auch wenn er die Musik nicht so hört wie wir, berührt sie ihn. Beim Musikmachen nutzt er verschiedene Sinne. Er hört zum Beispiel die Snare Drum, spürt den Bass und die Schwingungen der Gitarrensaiten. Bei Proben wird zudem mit optischen Signalen gearbeitet. All diese Eindrücke setzt er wie ein Puzzle zusammen. Er hört die Musik auf seine eigene Art.

Mittlerweile hat er eine nach ihm benannte Band: die Mischa Gohlke Band, mit der er bereits durch ganz Deutschland tourte. Musik spielt immer noch eine Hauptrolle in seinem Leben. „Musik fasziniert mich auf ganz vielen Ebenen“, sagt Mischa Gohlke. „Sie ist die beste Therapie, man kann kreativ sein, alle Kanäle miteinander verbinden, seine Grenzen testen und sich entwickeln und kommt schnell in einen Flow, wo man gar nicht mehr drüber nachdenkt, sondern einfach spielt.“

Inklusion und Frieden

Neben der Musik gibt es ein zweites großes Projekt: das Aktionsbüro „Grenzen sind relativ“, das er 2011 gemeinsam mit Freunden gründete. Davor arbeitete er im Bereich Kulturmanagement, entschied aber 2010, dass die kommerzielle Branche nichts Dauerhaftes für ihn ist.

Bis 2016 lief das Aktionsbüro nebenbei, aufgrund der großen und positiven Resonanz und mehrfacher Auszeichnung des Pilotprojekts „Musikunterricht für Hörgeschädigte“ ist es seitdem Vollzeitprojekt. „Ich bin Männchen für alles“, sagt Gohlke lachend. Management, Entwicklung von Kampagnen und Projekten und deren Umsetzung: Er ist fast überall dabei.

Kultur als Transmitter für Inklusion

Der Verein ist breit aufgestellt, aber Musik spielt bei allen Projekten eine zentrale Rolle. Das Ziel: eine inklusive, integrale und friedliche Gesellschaft. „Inklusion lässt sich nicht in einzelne Bereiche unterteilen“, so der Musiker. „Wir wollen das neu, größer denken und verschiedenste Akteure zusammenbringen. Kultur und Musik sind da wunderbare Transmitter.“

Nach „AndersSein vereint“, dem Inklu­sionssong für Deutschland, soll dieses Jahr in einer interdisziplinären Kampagne ein zweiter Inklusions- und Friedenssong entstehen. Die Musik-Workshops „Celebrate the Music“ sollen Raum für Begegnung, Erfahrungsaustausch und Perspektivwechsel bieten und das 4. „Grenzen sind relativ”-Festival soll erstmalig im Rahmen einer Großveranstaltung stattfinden.

 

Zur Sache:
Grenzen sind relativ e.V.
Das Aktionsbüro für Kultur, Gesellschaft, Inklusion und Frieden wurde 2011 von Mischa Gohlke und Freunden gegründet. Seit 2016 ist es ein eingetragener, gemeinnütziger Verein. Mit verschiedenen Projekten wie Festivals, Veranstaltungen, Musikunterricht und Kampagnen-Musikvideos setzt der Verein sich für Inklusion in allen Bereichen der Gesellschaft ein.

Spendenkonto
Grenzen sind relativ e.V.
GLS Bank
IBAN: DE93430609672064561500
BIC: GENODEM1GLS

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