13. September 2022
Gesellschaft

Odyssee zu einem Job

Seit fast fünf Jahren ist Haidar im Ehrenamt tätig. Der Geflüchtete hilft Geflüchteten und hat Freude an seiner Arbeit bei den Schnackschraubern. Nur eine richtige, bezahlte Arbeit wird ihm immer noch verwehrt.

Von den Schnackschraubern zum Job?

Haidar Jasim al Obaidi hilft seit 2018 ehrenamtlich bei den Schnackschraubern und hofft, endlich einen richtigen Job annehmen zu dürfen.

Wohnung, Job, Sicherheit – das ist für die meisten von uns Alltag. Für viele Geflüchtete ist es das nicht. Sicher sind sie hier in Hamburg zwar und eine Unterkunft bekommen sie auch. Bis zu einem selbstständigen Leben und einem eigenen, bezahlten Job kann es aber ein langer Weg sein.

Zurück ist keine Option

Haidar
Haidar wartet weiter auf einen Job – beziehungsweise der Genehmigung dafür.

Das weiß Haidar Jasim al Obaidi ziemlich gut. Der 51-Jährige floh 2015 aus dem Irak, nachdem seine Familie dem Bürgerkrieg zwischen den verschieden, religiös orientierten Gruppen zum Opfer gefallen ist. Seitdem ist er in Hamburg geduldet, sein Asylantrag wurde abgelehnt, da er keine konkrete Bedrohung seines Lebens nachweisen konnte. Zurück in den Irak ist für ihn keine Option und solange der Irak nicht als sicheres Herkunftsland deklariert wird, darf er hierbleiben.

2017 kam er zu den Schnackschraubern. Beziehungsweise Christian Saß schnackte ihn mit, nachdem er ihn über seine Freundin kennengelernt hatte. „Seitdem versuchen wir, ihm einen Job zu besorgen“, sagt er.

Der lange Weg zum Job

Die Voraussetzungen klingen erstmal nicht schlecht: Im Irak war Haidar selbstständiger Schlosser und Karosseriebauer – das ist dort nur leider kein Ausbildungsberuf. Dementsprechend kann er keine schulische Ausbildung nachweisen.

„Das war anfangs schwierig, Haidar kam als Analphabet nach Deutschland, das erschwerte das Erlernen der neuen Sprache erheblich“, berichtet Christian Saß. „Optimal ist es immer noch nicht, aber er hat alle Sprachkurse besucht und lernt privat mit uns weiter.“ Und ganz normal unterhalten kann man sich mit Haidar allemal.

Ein weiteres Problem: Seinen Pass hat Haidar auf der Flucht verloren. Nach einigen vergeblichen Anläufen hatte er im Mai einen neuen irakischen Pass beantragt – laut Aussage der irakischen Botschaft ist der auch auf dem Weg nach Deutschland und kommt hoffentlich im Laufe des Monats an.

Praktikum statt Job – erneut

Bei den Schnackschraubern hat er sich als versierter Handwerker bereits verdient gemacht: „Ich glaube, er verbringt hier fast am meisten Zeit“, sagt Christian Saß lachend. „Er hat sich zu einem unserer engagiertesten und zuverlässigsten Mitarbeiter entwickelt.“

Das blieb nicht unbemerkt: Der Besitzer eines Fahrradladens wurde auf Haidar aufmerksam und bot ihm ein Praktikum an. Das absolvierte er – wie schon einige Praktika in Karosseriewerkstätten – erfolgreich. „Es macht Spaß, die Leute sind nett, die Arbeit ist gut“, sagt der Iraker und auch der Fahrradladen ist zufrieden mit der Arbeit und würde ihn gerne fest einstellen.

„Ich hab schon zahlreiche Praktika gemacht und in dem Fahrradladen gefällt es mir sehr. Ich würde gerne fest dort arbeiten.“

Klingt nach einer Win-win-Situation. Aber die Zustimmung der Ausländerbehörde fehlt. Schon Ende Mai hat Haidar mithilfe der Schnackschrauber, ebenso der potenzielle Arbeitgeber, einen Antrag zur Aufnahme der Beschäftigung gestellt.

Auf Nachfrage hieß es über zwei Monate später, dass der Antrag noch nicht geprüft wurde, auf E-Mails wird nicht reagiert. „Das macht uns ziemlich rat- und hilflos“, sagt Christian Saß. „Eine Wohnung haben wir nach sechs Jahren organisiert bekommen, der Job wäre der letzte Schritt zu einem selbstständigen Leben.“ Auch Haidar ist ratlos: „Andere dürfen direkt arbeiten, ich mache immer wieder ein Praktikum. Ich verstehe nicht, warum das so ist.“

 

Zur Sache:

Die Schnackschrauber

reparieren seit 2015 Fahrräder aller Art. Gestartet ist das Projekt in der Flüchtlings-Erstaufnahme in der Schnackenburgallee – daher stammt auch der Name. Jetzt schraubt das zwölfköpfige Team, das größtenteils aus Rentnern besteht, auf dem Gelände der Luthergemeinde in der Regerstraße.

Hier werden Spendenräder für Geflüchtete und Hilfsbedürftige aufgearbeitet und Fahrräder für den Einkaufspreis der Ersatzteile und eine Spende repariert. Über 1.000 Fahrräder haben so neue Besitzer gefunden – damit das weiterhin möglich ist, sind die Schnackschrauber immer auf der Suche nach Fahrrädern – je gebrauchsfähiger, desto besser!

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