26. August 2025
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Baden in der Elbe – Sommer, Sonne, Lebensgefahr

Idyllische Kulisse, gefährliche Realität: Die Elbe zieht jedes Jahr Badegäste an – doch starke Strömungen, Abbruchkanten und Schiffsverkehr machen sie zur tödlichen Falle. Die DLRG klärt auf, warum Baden hier so riskant ist.

Baden in der Elbe? Keine gute Idee, auch wenn die DLRG aufmerksam zur Stelle ist.

Heller Sand, blaues Wasser – an manchen Tagen und an manchen Stellen lädt der Strand zum Baden in der Elbe ein. Und genau das ist das Problem: Wenn man an den falschen Stellen und zur falschen Zeit ins Wasser geht, wird der Badespaß schnell zur Todesfalle und die DLRG muss ausrücken. // Foto: DLRG Altona

Samstagmorgen, 10 Uhr. Einer der wenigen wirklich sommerlichen Tage in diesem Juli. Am Elbstrand glitzert das Wasser, Möwen kreischen, erste Hunde tollen durchs seichte Ufer. Es ist Urlaubsstimmung – entspannt, fröhlich, leicht. Eine Familie breitet ihre Decke aus, ein Kind läuft quietschend ins Wasser. Doch es bleibt nicht beim Planschen. Sie gehen richtig hinein, immer weiter. „Ich glaube, das werden meine ersten Opfer heute“, sagt Arto van der Meirschen mit einem trockenen Lächeln. Der Bezirksleiter der DLRG Altona greift sich einen Stapel Flyer, läuft los – und beginnt aufzuklären. Er meint es nicht böse. Aber wer hier badet, bringt sich in Lebensgefahr. Denn Baden in der Elbe birgt große Risiken.

DLRG im Einsatz am Elbstrand

Präsenz zeigen und Sensibilisieren – darum geht es den Ehrenamtlichen der DLRG.

Am mobilen DLRG-Infostand am Strand von Wittenbergen stehen zwei Kolleginnen. Zwischen Beachflag und Quad erklären sie Passantinnen und Passanten, warum die Elbe kein Badegewässer ist. Auch drei Polizisten sind vor Ort, sie unterstützen beim gemeinsamen Aktionstag – nicht als Kontrolleure, sondern als Ansprechpartner. „Wir wollen keine Panik machen“, erklärt van der Meirschen. „Aber wir müssen warnen. Denn die Leute unterschätzen die Elbe massiv – mit tragischen Folgen.“

Noch ist es ruhig an diesem Tag. Zwei Stunden später bleibt der Strand übersichtlich. „Erst wenn es eine Hitzewelle gibt oder Ferien sind, füllt es sich hier richtig“, erklärt van der Meirschen. Gerade an solchen Tagen braucht es Prävention. Denn die Gefahr ist real – sie endet nicht auf den Flyern oder Infotafeln. Ein Grund zur Erleichterung: In diesem Jahr ist bislang niemand in der Elbe ertrunken – ein positiver Ausreißer. Zum Vergleich: 2024 verloren fünf Menschen dort ihr Leben. Darunter auch ein zehnjähriges Mädchen, das vor den Augen seiner Eltern am Falkensteiner Ufer verschwand. Die große Suchaktion – mit Polizei, Feuerwehr, DLRG, Hubschraubern, Drohnen und Sonargeräten – blieb erfolglos.

Unsichtbare Gefahren

Hinweisschilder warnen vorm Baden in der Elbe
Hinweisschilder weisen auf die Gefahren der Elbe hin. Dennoch passieren in direkter Nähe immer wieder Unfälle.

Kein Wunder also, dass der Infostand genau an diesem Abschnitt steht – dort, wo auch die neuesten Warnschilder aufgestellt wurden. „Wir haben die Beschilderung überarbeitet und die Gefahrenstellen deutlicher kenntlich gemacht. Unsere Flyer gibt es in vielen Sprachen, auch digital. Wir arbeiten mit Schulen, Kitas und Schwimmkursen zusammen – kurz: Wir versuchen, so viele Menschen wie möglich zu erreichen“, erklärt Kay Maaß, Einsatzleiter der DLRG.

Was viele immer noch nicht wissen oder bedenken: Die Elbe ist eine Bundeswasserstraße – mit starker Strömung, Schiffsverkehr, wechselnden Wasserständen und teils vom Strand aus unsichtbaren Abbruchkanten unter Wasser. Selbst geübte Schwimmer unterschätzen die Kraft der Gezeiten und die Sogwirkung großer Containerschiffe. „Die Strömung kann einen Menschen in wenigen Sekunden unter Wasser ziehen“, sagt Kay Maaß. „Man verliert schnell den Boden unter den Füßen – buchstäblich.“

Baden in der Elbe beschäftigt Hamburg

Zwar gibt es an vielen Stellen Warnschilder. Aber sie werden übersehen, ignoriert oder einfach nicht ernst genommen. „Manche Leute baden direkt daneben“, so Maaß. Die DLRG versucht gegenzusteuern: mit Infomaterial in mehreren Sprachen, Onlinekampagnen, Schulkooperationen, Schwimmkursen und vor allem mit Präsenz vor Ort.
Die DLRG-Station in Rissen ist im Sommer durchgehend von Freitagabend bis Sonntagabend besetzt – rein ehrenamtlich. Von dort aus wird der gesamte Elbbereich westlich von Hamburg koordiniert. Einsätze reichen vom klärenden Gespräch bis zur Lebensrettung.

Doch auch die Stadt tut mehr: Ein interdisziplinärer Arbeitskreis „Sicherer Elbstrand“ bündelt die Kräfte – unter anderem von Polizei, Feuerwehr, Sozialbehörde, HPA, DLRG, Umweltschutzbehörde und Bürgervertretungen. „Unser Ziel ist es, die Sicherheit am Elbstrand über verschiedene Maßnahmen signifikant zu erhöhen“, sagt Martin Helfrich, Pressesprecher der Behörde für Wirtschaft, Arbeit und Innovation.

Er verweist auf Schwimmbäder als bessere Alternativen, wenn man wirklich schwimmen und nicht nur seine Füße ins Wasser halten möchte. So haben die beiden Bäderland-Sommerfreibäder Marienhöhe und Osdorfer Born täglich von 11 bis 19 Uhr geöffnet, das solle auch so bleiben. „Sie bieten damit sichere und kontrollierte Bewegungs-, Freizeit- und –ganz im Sinne der Hitzeschutzstrategie des Senats – auch eine Abkühlungsmöglichkeit für die elbnah lebende Bevölkerung im Hamburger Westen“, so Helfrich. Auf der anderen Elbseite gebe es hierfür das Freibad Finkenwerder – „mit herrlichem Elbblick und ohne die üblichen Gefahren der viel befahrenen Wasserstraße und örtlichen Hafenanlagen.“

Prävention statt Panikmache

Immer wieder wird nach Badeunfällen die Forderung nach einem generellen Verbot laut. Bisher gibt es jedoch kein Badeverbot – auch wenn es für bestimmte Strandabschnitte diskutiert wurde. „Zentral ist, Gefährdungen für Badende so weit als möglich zu reduzieren. Dazu sind wir mit allen Beteiligten im Gespräch und bewerten in diesem Zusammenhang auch die ergriffenen Maßnahmen, auch daraufhin, ob sie ausreichend sind“, erklärt Martin Helfrich.

Auch bei der DLRG steht man einem Verbot nicht besonders positiv gegenüber. „Man bräuchte ja nicht nur ein Badeverbot, sondern rund um die Abbruchkante ein Betretungsverbot – bei Niedrigwasser reicht da ein Schritt und man ist weg“, stellt Arto van der Meirschen klar. „Das wäre nicht kontrollierbar“, sagt auch Kay Maaßen. „Wir sind am Strand ja auch nicht weisungsberechtigt und können einfach jemanden runterschmeißen.“ Zudem wolle niemand einen leeren Strand: „Der Elbstrand ist ein Naherholungsgebiet. Hamburg hat die Strandbereiche aufgewertet, Mülleimer aufgestellt. Der Elbstrand soll genutzt werden – aber nicht zum Baden und verantwortungsbewusst“, so Maaßen. Hinzu kommt ein psychologischer Effekt: „Verbote wirken oft wie ein Magnet – genau das Gegenteil von dem, was wir wollen“, so van der Meirschen.

„Schilder sind vor Ort aufgestellt, Flyer werden verteilt, über Schulen und auch Unterkünfte wird sensibilisiert, es gibt online ausgespielte Informationen und die Kräfte vor Ort sprechen Menschen aktiv an“, fasst Martin Helfrich die Bemühungen der vergangenen Jahre zusammen. Viel mehr Möglichkeiten zur Prävention und Sensibilisierung bleiben bald nicht mehr.

Mahnmal mit Wirkung?

Die Abbruchkante ist besonders am Falkensteiner Ufer problematisch, denn sie verläuft direkt beim Schiffswrack Uwe. Zu sehen ist sie selten, nur bei sehr niedrigem Wasserstand, oft endet das Wasser kurz danach – was es umso gefährlicher macht, da Abgrund und gefährliche Wirbel so noch unerwarteter kommen.

Eine neue Idee kam kürzlich aus der Bezirksversammlung: Am Wrack „Uwe“ soll ein symbolisches Mahnmal errichtet werden. Aktuell wird geprüft, wo genau es aufgestellt werden könnte und wie es umgesetzt werden kann – eventuell durch einen öffentlichen Ideenwettbewerb. Kay Maaß ist skeptisch, ob so ein Mahnmal hinsichtlich der Badeunfälle etwas bringt: „Das ist eine sehr punktuelle Geschichte. Interessierte werden sich das genauer angucken, aber man wird niemanden läutern, der es nicht will. Viele nehmen auch die Warnschilder nicht wahr und gehen direkt daneben schwimmen. So wird es auch mit einem Mahnmal laufen, fürchte ich.“

Arto van der Meirschen stimmt ihm zu, zumindest teilweise: „Das Mahnmal an sich wird niemanden neu über die Gefahren aufklären – aber das ganze Drumrum. So eine Aktion, am besten mit öffentlicher Beteiligung, sorgt für Aufmerksamkeit, für Öffentlichkeit, für Interesse. Und das wiederum hilft uns.“

Ein älteres Ehepaar kommt zum Infostand der DLRG. „Ich finde gut, dass Sie hier stehen. Vielen Dank dafür, das ist sehr wichtig!“, sind sich die beiden einig. Insgesamt reagieren alle angesprochenen Badegäste verständnisvoll und freundlich. Das ist aber nur eine Seite. „Von Verständnis und Interesse bis hin zu Aggression und Prügelei bekommen die Ehrenamtlichen vor Ort alles ab“, weiß Kay Maaß zu berichten. „Manche Menschen sind einfach beratungsresistent.“ Junge Männer seien da überrepräsentiert, auch bei den Verunfallten, so Arto van der Meirschen. „Und Menschen, die das Gewässer einfach nicht kennen, nicht von hier sind oder sich nie damit beschäftigt haben, die sehen die Schilder, die Containerschiffe, die Wellen, aber da findet keine Verknüpfung zur realen Gefahr und zur persönlichen Situation statt“, sind beide ratlos. „Da wollen wir gegen arbeiten. Aber die Verantwortung liegt am Ende immer noch bei den Bürgerinnen und Bürgern.“

Eigenverantwortung bleibt essenziell

Gefahren in der Elbe
Die Polizei Hamburg hat die Gefahren in der Elbe anschaulich zusammengefasst. // Foto: Polizei Hamburg

Das klingt alles nach sehr viel Engagement und Einsatz und so, als könnte niemand mehr, ohne die Gefahren zu kennen, in die Elbe hüpfen. Doch die eben genannte Eigenverantwortung bleibt das größte Risiko. Fragt man Menschen, ohne dass DLRG oder Polizei daneben stehen, warum sie in der Elbe schwimmen gehen, warum sie ihre Kinder komplett ins Wasser lassen, ohne in direkter Nähe zu sein, sind die Antworten eher niederschmetternd. Eigentlich alle kennen die Gefahren, den meisten sind sogar die neuen Schilder aufgefallen. Aber gemeinhin ist der Gedanke: „Es wird schon nicht gerade uns etwas passieren, wir passen ja auf!“ Und zum Thema Gefahren kennen – ob das Wasser gerade steigt oder abfließt – wusste dann schon niemand mehr.

„Das ist leider das Dümmste, was man denken kann. Man kann nicht aufpassen, ohne das Gewässer wirklich zu kennen. Dazu gehört auch der Wasserstand“, schüttelt Arto van der Meirschen den Kopf. Martin Helfrich stellt noch einmal klar:„ Kein Bereich der Elbe ist dezidiert als Badebereich ausgewiesen – es gibt keinen Bereich, in dem man baden sollte. Man würde auf einer Autobahn nicht spielen oder spazieren, ebenso sollte man in der Bundeswasserstraße Elbe nicht baden. “

Baden in der Elbe? Ehrenamtliche gesucht!

Um vor Ort noch mehr Präsenz zeigen zu können und noch mehr Leute zu erreichen, insbesondere in der Ferienzeit, sucht eine Initiative Blankeneser Vereine und der DLRG weitere Mitstreiterinnen und Mitstreiter, die den Badegästen am Elbstrand die Gefahren erklären.
Freiwillige werden über eine Mitgliedschaft in der DLRG versichert, mit Kappe, Shirt und Flyern ausgestattet – selbstverständlich kostenlos, hauptsächlich am Wochenende, bei schönem Wetter und rund um die gefährliche Niedrigwasser-Zeit. Interessierte können sich unter
info@zukunftsforum-blankenese.de melden.

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