20. Juli 2024
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Rektor adé – Peter Mein im Interview

Peter Mein übernahm 2002 die Leitung an der Grundschule im Lehmkuhlenweg. Im Gespräch erzählt er von einem ungewöhnlichen Karriereweg und den Veränderungen der Grundschule im Lehmkuhlenweg.

Peter Mein (67) war 22 Jahre lang Rektor an der Grundschule im Lehmkuhlenweg. Seinen Schreibtisch verlässt er ruhigen Gewissens.

Peter Mein (67) war 22 Jahre lang Rektor an der Grundschule im Lehmkuhlenweg. Seinen Schreibtisch verlässt er ruhigen Gewissens.

Herr Mein, wie war Ihr Einstieg in den Lehrberuf?

Holprig. Ich habe 1986 mein Referendariat beendet und damals gab es leider gerade eine Lehrerschwemme, so war es mit meinen Fächern nicht leicht. Ich hatte Deutsch, Sozialwissenschaften mit Schwerpunkt Politik und Sport studiert. Dann sagte man mir in der Schulbehörde: „Ja, hätten sie jetzt Mathematik oder Physik als Fächer, dann könnten wir Sie einstellen.“ Deshalb musste ich mir etwas einfallen lassen.

 

Das hört sich nicht ganz einfach an …

Zunächst fand ich eine Stelle beim Verein „Jugend und Sport“ und hab dort mit arbeitslosen Jugendlichen in einem Fußballprojekt im Rahmen einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme gearbeitet.Ich hatte die Aufgabe mit diesen Jugendlichen eine Fußballmannschaft beim SV St. Georg aufzubauen, die als untere Herren am regulären Spielbetrieb des Hamburger Fußballverbandes teilnehmen sollte. Außerdem mussten die Jugendlichen sozialpädagogisch betreut werden, um im gesellschaftlichen Leben wieder anzukommen.

 

„Eine Schule muss für mich eine bewegte Schule sein.“

Bleiben wir kurz beim Thema Sport. Wie man so hört, fahren Sie täglich mit dem Rad zur Arbeit und sind auch ansonsten sportlich. Spielte Bewegung auch eine große Rolle im Schulalltag, während Ihrer Zeit im Lehmkuhlenweg?

Für mich war immer klar, dass eine Schule auch eine bewegte Schule sein muss. Gut ausgebildete motorische Fähigkeiten und Fertigkeiten sind eine wichtige Voraussetzung für erfolgreiches Lernen. Als ich damals in der Lehmkuhle anfing, haben wir deshalb regelhaft psychomotorische Bewegungsaufbauten im Stundenplan verankert. Das gibt es auch heute noch an zwei Tagen in der Woche. Neben der Lehmkuhlen-Fußball LIGA – immer am Freitag in der letzten Stunde – gab es jedes Jahr mindestens ein Sportfest mit verschiedenen Schwerpunkten. Dazu gehörte zum Beispiel auch der Erwerb des Deutschen Laufabzeichens.

Eine Betriebssportgruppe für Lehrkräfte gibt es auch seit vielen Jahren bei uns und fast alle kommen täglich mit dem Fahrrad zur Arbeit.

 

Wie kam es dazu, dass Sie schließlich Grundschullehrer und Schulleiter wurden?

Das dauerte noch etwas. Im Anschluss an die Arbeit im Verein „Jugend und Sport“ habe ich noch einige Jahre als Sozialpädagoge im Betreuten Wohnen gearbeitet. Meine Aufgabe dort bestand darin, chronisch psychisch kranke Menschen aus der Psychiatrie wieder zu einem eigenständigen Leben in unserer Gesellschaft zu befähigen.

Der Wunsch als Lehrer zu arbeiten, hat mich aber nie losgelassen. Als ich 1993 erfuhr, dass im Kreis Pinneberg häufiger Lehrkräfte für Vertretungszwecke gesucht wurden, bewarb ich mich einfach. Tatsächlich gab es in Halstenbek eine Stelle. Die war zunächst nur für drei Monate ausgeschrieben. Trotzdem riskierte ich es, gab meinen festen Job auf und nahm die Vertretungsstelle an.

 

Riskant… 

Ja, aber der Plan ging auf, denn in Pinneberg wurden händeringend Schwimmlehrer gesucht. Also fing ich sofort eine Ausbildung zum Schwimmlehrer an. Diese Ausbildung sicherte mir dann zunächst den Verbleib an der Schule und kurze Zeit später auch die Verbeamtung in den Schuldienst.

Nach einigen Jahren zog es mich mit meiner Familie nach Hamburg und ich landete an der Fridtjof-Nansen-Schule in Lurup. Bereits 2 Jahre später folgte ich dem Ruf der Schulbehörde an die Gorch Fock Schule, um dort als stellvertretender Schulleiter anzufangen.

2002 wechselte ich dann an den Lehmkuhlenweg. Seither bin ich fast schon so etwas wie ein Urgestein.

Die Grundschule wurde runderneuert

Wie sah die Grundschule im Lehmkuhlenweg damals aus?

Als ich hier ankam, war die Schule in einem derart schlechten Zustand, dass man sie eigentlich komplett hätte abreißen können. Die Sanitäranlagen, die Heizung, die Fußbodenbelege, Fenster, Mauerwerk, Außenanlagen, alles war ziemlich hinüber.

 

Mittlerweile gibt es hier einige Neubauten. Was ist von der alten Bausubstanz noch da?

Das Verwaltungsgebäude, in dem wir jetzt sitzen, ist ein direkter Nachkriegsbau. Die Kreuzbauten entstanden in den 60’er Jahren. Diese findet man noch in ganz vielen Schulen in Hamburg. Direkt am Lehmkuhlenweg ist noch ein ganz alter Gebäudebestand aus dem neunzehnten Jahrhundert vorhanden. Die alte Aula von 1878 musste aber abgerissen werden. Die alten Lehmziegel waren zu brüchig geworden.

2005 begann die Grundsanierung. Wir mussten das erste Schulgebäude leerräumen und enger zusammenrücken. Gebäude für Gebäude ging es dann in den Folgejahren weiter. Die Turnhalle und Aula wurden abgerissen und komplett neu gebaut.

2018 erhielten wir noch einen Zubau mit Klassen- und Fachräumen sowie Mensa und Gymnastikhalle. In diesem Jahr wird der letzte Sportplatz zum Kunstrasenplatz umgebaut und dann ist eigentlich die gesamte Schule in meiner Zeit an der Lehmkuhle einmal komplett erneuert worden. Ich glaube, man sieht, dass die Schule mittlerweile wirklich ein Traum ist, besonders jetzt in der Sommerzeit, wenn hier alles grün ist.

 

„Die Schule ist jetzt  nicht mehr nur Lern- sondern auch Lebensort.“

Hat sich auch inhaltlich viel getan in den vergangenen 22 Jahren? 

Eine große Veränderung war die flächendeckende Einführung der GBS im Jahr 2013. Diese kostenfreie Nachmittagsbetreuung bis 16 Uhr ist einmalig in Deutschland und bietet Eltern die Möglichkeit, Familie und Beruf besser zu vereinbaren. Für die Kinder ist Schule nun nicht mehr nur Lern- sondern auch Lebensort. Entsprechend mussten die Strukturen angepasst werden:  Eine gute Kooperation mit dem GBS-Träger, ein vielfältiges Nachmittagsangebot und auch neue Raumkonzepte sowie kindgerechte Tagesabläufe waren wichtige, zu entwickelnde Elemente. Ansonsten gab es immer wieder einmal neue Bildungspläne, die Einfluss auf den Unterricht hatten. Was auch hinzukam war, die Inklusion.

 

Wie haben Sie das an dieser Schule umgesetzt?

Nach den ersten Erfahrungen mit der GBS haben wir mit allen Schulbeteiligten von 2017-2019 ein gemeinsames Qualitätsleitbild entwickelt, in dem wir festgelegt haben, was wir im Ganztag abbilden wollen. Besonders wichtig war uns, den Kindern mehr Freiräume zu eröffnen.  Die Kinder sollten die Möglichkeiten erhalten, ihren Lernprozess selbstständiger und eigenverantwortlicher in die Hand zu nehmen. Hausaufgaben wurden weitgehend abgeschafft. Stattdessen gibt es nun Lernzeiten. Die Kinder können selbst wählen, an welchen Tagen sie ihre Lernzeiten machen möchten.

 

Und dann kam Corona.

Ganz genau. Das Lernzeiten-Konzept konnten wir damals natürlich nicht wirklich einführen. Das haben wir dann erst etwa anderthalb Jahre später tun können, als die Kinder wieder regelmäßig in der Schule waren. Corona hat uns wirklich in vielen Dingen sehr zurückgeworfen, wenngleich wir es trotzdem ganz gut geschafft haben, durch die Corona Zeit zu kommen.

 

Stand das Thema Digitalisierung damals bei Ihnen auch ganz oben auf der Agenda?

Mit Beginn der Corona Zeit wurde schnell deutlich, dass es für digitalen Unterricht in den Schulen keine guten Voraussetzungen gab. Auch bei uns musste die ganze digitale Infrastruktur im Prinzip modernisiert werden. Und zu Hause sah es teils ähnlich aus. Manche hatten noch eine alte Mühle, andere schon moderneres Gerät. In manchen Familien standen mehrere Geräte zur Verfügung, andere hatten nur einen Familienrechner. Das war mit Blick auf das Homeschooling für viele schon eine große Herausforderung.

 

In Puncto Digitalisierung hat sich also viel getan.

Mittlerweile stehen in jeder Klasse digitale Schultafeln, es gibt iPads und Laptops sowie einen Computerraum und einen Lehrerarbeitsraum mit moderner EDV-Ausstattung. In allen Schulgebäuden gibt es WLAN.  Also die Kreidezeit ist bei uns zu Ende. Die Kinder können immer wieder, auch begleitend zum Unterricht, digitale Geräte nutzen.

 

„Ein Rektor ist heutzutage ein Manager für alles.“

Kommen wir mal zurück zu Ihnen. Wie unterscheiden sich Ihre Aufgaben als Rektor von denen eines „gewöhnlichen“ Lehrers?

Ein Rektor ist heutzutage ein Manager für alles. Er ist u. a. zuständig für den sinnvollen Einsatz der Finanzen und des Personals, für Personalentwicklung, Schul- und Unterrichtsentwicklung, Digitalisierung sowie den Lernerfolg der Schülerinnen und Schüler. Gegenüber der Schulaufsicht muss man regelmäßig Rechenschaft ablegen und neue Zielvereinbarungen treffen. Am Ende des Tages geht es bei allem Handeln aber immer um das Wohl der Kinder. Schulleitung ist ein sehr vielseitiger, anspruchsvoller Beruf.

 

Wir sprachen über die schwierigen Zeiten. Jetzt möchte ich gerne noch wissen, welche Momente besonders positiv waren … 

Besondere Momente waren immer schulische Feste wie unsere Mini-EM/WM, die Präsentationen am Ende einer Projektwoche für den Stadtteil oder auch Sponsoring-Läufe für soziale Zwecke.

Ein ganz besonders schöner Moment war ein Osterbasar gegen Ende der Pandemie für den die Kinder gebastelt hatten. Erstmals konnten wieder größere Menschengruppen zusammenkommen. In den Räumen musste man zwar noch Masken tragen, aber draußen konnte man sich auch schon mal wieder ohne Maske begegnen. Man sah wieder Lebensfreude in den Gesichtern der Menschen und es war endlich ein bisschen Licht am Ende des Tunnels in Richtung Normalität zu erkennen.

 

„Das werde ich vermissen …“

Mit welchem Gefühl gehen Sie jetzt in den Ruhestand?

Bis heute gehe ich jeden Tag gern in die Schule und freue mich auf die Arbeit mit dem Kollegium und auf die Kinder. Es ist immer sehr berührend, wie offen, nett und positiv die Kinder an der Lehmkuhle sind. Sie freuen sich, wenn sie mich sehen. Das werde ich sicherlich sehr vermissen. Andererseits habe ich jetzt auch über 40 Jahre lang immer Fulltime gearbeitet und das geht nicht spurlos vorüber.

Man merkt im Alltag gar nicht, wie sehr man ständig unter Druck steht. Die Gefahr bei diesem Beruf ist immer, dass man über seine Grenzen geht. So war es teilweise bei mir auch. Aber jetzt bin ich nicht mehr für alles verantwortlich. Ich kann mich auch mal um mich kümmern. Das fühlt sich gut an.

Es fühlt sich auch gut an, die Schule in bester Ordnung zu hinterlassen. Der Stundenplan fürs nächste Schuljahr steht. Wenn meine Nachfolgerin kommt, kann sie gleich problemlos starten.

 

Was machen Sie im Ruhestand?

Erstmal fahre ich zwei Wochen in den Urlaub. Dann will ich meinen Garten auf Vordermann bringen und im Haus renovieren.

Nach angemessener Zeit kann ich mir vorstellen, ehrenamtlich tätig zu werden. Die Tafel bei uns in Wedel z. B. hat immer Unterstützungsbedarf. Ich habe auch das Angebot, bei der Schulbehörde als Berater tätig zu werden. In der Lehmkuhle wurde ich gefragt, ob ich ehrenamtlich bei der Digitalisierung unterstützen und weiter Fußballfeste organisieren könnte.

Jetzt habe ich mir erst einmal eine Auszeit verordnet. Ich puste ein bisschen durch und dann werde ich mal gucken, wozu ich Lust habe.

 

Herr Mein, wir danken Ihnen für das Gespräch.

 

 

 

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