8. September 2025
Nachrichten

Tims Thesen: Schulpflicht bis zur letzten Minute

An dieser Stelle erscheint jeden Monat Tim Holzhäusers Glosse mit einer gewagten These. In diesem Monat geht es um die Härte gegen kreatives Fehlen kurz vor den Ferien.

Autor Tims Thesen

Redaktionsleiter Tim Holzhäuser

Tims Thesen im September 2025:

Na, wie waren die Ferien? Am Flughafen verhaftet worden? Wer mit schulpflichtigen Kindern zwei Minuten vor dem offiziellen Ferienbeginn abfliegen wollte, der lebte wie immer gefährlich. Man wird nicht gleich von maskierten Bundesbeamten niedergeworfen, aber es setzt ein Bußgeld von 250 Euro pro Tag und Kind. (Diese 250 Euro sind genau der Betrag, den das Ferienhaus in der Nebensaison weniger kostet …)

Nun will ich nicht gegen die Schulpflicht wettern, wohl aber gegen die stumpfsinnige Durchsetzung. Gerade Eltern von Kindern ab Klasse 5 wissen: In den letzten drei Wochen vor den Ferien läuft in der Schule nur noch Gedöns.

Lehrer werden an dieser Stelle ein schnaubendes Geräusch von sich geben und dann erklären: Der Besuch im Schwimmbad ist eine team-stärkende Maßnahme, der Kinobesuch erweitere den cineastischen Horizont und der Ausflug in den Tierpark steht im Dienst unserer wunderbaren Fauna. Fürs Schwimmen, Glotzen, und Elefantenärgern brauche ich aber keinen Lehrer. Das können Familien selbst erledigen, im Zweifelsfall in Rom, Lissabon, Rio de Janeiro etc.

Drei Wochen nur Gedöns?

Aber gehen wir einen Schritt zurück: Warum überhaupt diese drei Wochen Gedöns? Gerade die Hamburger Gymnasien müssen einen Haufen Stoff in nur acht Jahren in die Köpfe befördern (in nahezu allen anderen Bundesländern ist dazu ein Jahr mehr Zeit). Wäre es da nicht sinnvoll, den Stoff gleichmäßig auf das gesamte Schuljahr zu verteilen?

Wäre es tatsächlich und nun kommen wir zur These: Das Gedöns beginnt drei Wochen vor dem Ferienstart, weil da alle Klausuren geschrieben sind. Saublöd, oder? Wird nicht ständig gesagt, die Kinder lernten nicht nur für die Klausuren, sondern für sich selbst, fürs Leben, für die Persönlichkeit, die Kompetenz, die Oma etc.? Und nun stellt sich heraus: Alles Phrasen! Wenn man Stoff nicht mehr per Klausuren abfragen kann, dann stopft man ihn auch nicht mehr in die Köpfe, sondern bewirft Elefanten mit Erdnüssen. Das zumindest ist mein Eindruck.

Von Journalisten wird nun häufig verlangt, immer eine Lösung für geschilderte Missstände zu liefern. Das ist natürlich Quatsch. Wenn ein Verkehrspolizist einen Schrotthaufen wegen defekter Scheinwerfer aus dem Verkehr zieht, muss er ja auch nicht gleich danach den TÜV reformieren.

Aber gut, hier ist ja noch Platz: Man sollte die Schulpflicht beibehalten, aber mit mehr Augenmaß durchsetzen. Eine Woche früher in die Sommerferien kann für Familien einen Unterschied von mehreren Tausend Euro ergeben und die Kinder verpassen – wie geschildert – allenfalls Erdnusswerfen gegen Elefanten.

Die andere Variante wäre Sinn und Unsinn von Klausuren zu überprüfen. Bildungsforscher weisen seit der Goethe-Zeit darauf hin, dass diese Form der Leistungsprüfung ETWAS grob gestrickt ist.

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