Bericht: Anna-Lena Walter – Die heutige Senator-Paul-Neumann-Siedlung in Iserbrook wurde als „Frontkämpfersiedlung“ in den Jahren 1935 bis 1937 errichtet. Sie sollte für Frontkameraden und Kriegsversehrte aus dem 1. Weltkrieg (1914-1918) zu einer neuen Heimat werden. Hier ist Anwohnerin Marlies Wordtmann aufgewachsen. Die quirlige Iserbrookerin ist 1. Vorsitzende der Siedlung und setzt sich seit 1986 für die Belange der Bewohner ein. Sie erinnert sich: „Die Siedlung wurde damals aus wirtschaftlichen Gründen gebaut. Man wollte den sogenannten minderbemittelten Bevölkerungskreisen und Arbeitslosen eine sinnvolle Beschäftigung geben. Das oft unzureichende Einkommen sollte durch Selbstversorgung aus dem Garten, mit Obst- und Gemüseanbau sowie der Kleintierhaltung, verbessert werden.“
Es gab nur eine nicht frostfreie Wasserstelle …
Der gesamte Komplex war hügeliges, mooriges Ödland. Oberflächliche Aufschüttungen legten das Land trocken. Auf dem 1.000 Quadratmeter großen Areal errichtete die Stadt dann 69 Häuser im Einheitstyp. „Alle Häuser entstanden in einfacher Bauweise, ohne Keller und Dachausbau. Es gab nur eine nicht frostfreie Wasserstelle und ein Plumpsklo“, erinnert sich die 77-Jährige.
Am 27. Mai 1935 wurde mit der damaligen Stadt Altona und der gemeinnützigen Kriegersiedlung ein Erbbaurechtsvertrag geschlossen – für 60 Jahre.
Nach einer angemessenen Bewährungszeit sollten die Siedler die Möglichkeit erhalten, Häuser und Grundstücke zu erwerben. „Leider verhinderte der 2. Weltkrieg diese Chance“, so die Vorsitzende.
Erst 40 Jahre später konnten die Eigentgümer einen Teil der Grundstücke erwerben
Nach Kriegsende war die britische Besatzungsmacht für die Verwaltung der Siedlung zuständig. Nach ihrem Abzug ging das Zepter an die Stadt Hamburg. Ab da galt der Name Senator-Paul-Neumann-Siedlung. Wordtmanns Vater und andere Vorstandsmitglieder übernahmen früh die Verantwortung für die Zukunft der Siedlung. „Wir hatten hier mit allerlei Schwierigkeiten zu kämpfen. Das Wasser stand uns buchstäblich bis zum Hals“, berichtet Wordtmann. „Wegen Wasserproblemen wurde beispielsweise ein Staubecken zwischen heutigem Wisserweg und Pieperweg gebaut. Später wurden die Häuser an das öffentliche Sielnetz angeschlossen.“
1956 kam ein großer Meilenstein in der Siedlungsgeschichte. Die Siedler erhielten das Angebot, die Häuser (ohne Grundstücke) zu kaufen. Erst 40 Jahre später konnten die Eigentümer zumindest 2/3 ihrer Grundstücke erwerben.
Erst 2008 bot die Finanzbehörde die verbliebenen Grundstücke zum Kauf an. Die Bewohner erklärten sich einverstanden. Kurz vor Vertragsunterzeichnung wurde durch die Kommission für Bodenordnung und die damalige Senatorin Anja Hayduk das Angebot gestoppt. „Die Enttäuschung über diese Entscheidung hat Frust und Ärger bei uns ausgelöst. Es gab nie eine vernünftige Erklärung hierzu – wir wurden zum Spielball zwischen Politik und Verwaltung.“
„… unsere Wünsche sind geblieben.“
Auch heute noch setzt sich Marlies Wordtmann mit ihren Mitstreitern und Nachbarn für ihre Siedlung ein. Sie bleibt im Gespräch mit Politikern und Behördenvertretern. „Unsere Gemeinschaft hat sich zwar gewandelt, hier leben keine einfachen Handwerker mehr, sondern der gehobene Mittelstand, aber unsere Wünsche sind geblieben.“
Die 1. Vorsitzende der Siedlung freut sich darüber, dass es immer noch Nachbarn gibt, die an ihrer Seite stehen. Auch freuen sich alle über kleine Geschenke zu Ostern oder Nikolaus, die Wordtmann mit Hilfe anderer Nachbarn jedes Jahr verteilt. „Das gehört für mich zu einer guten Nachbarschaft einfach dazu. Nur gemeinsam sind wir stark.“
Abschließend sagt Marlies Wordtmann: „Noch heute haben ich und die Bewohner den Wunsch, dass die Siedlung weiterhin bestehen bleibt.“
Zur Person:
Marlies Wordtmann
wurde 1946 in Blankenese geboren. Seit 1955 lebt sie in der Senator-Paul-Neumann-Siedlung in Iserbrook. 1961 wurde Marlies Wordtmann Stellvertreterin von Ludwig Adelmann. Nach sieben männlichen Vorständen übernahm Marlies Wordtmann als erste Frau den Vorsitz. Seit über 40 Jahren bemüht sie sich nach Kräften, die Interessen der Siedlung und der Gemeinschaft zu vertreten. 2026 feiert die Siedlung 90-jähriges Jubiläum.