„Lecker, lecker, lecker, Fischbrötchen“ schallt es sonntagmorgens ab vier Uhr über den Fischmarkt. Er ist eine der Hauptattraktionen für Touristen der Hansestadt und egal in welche Richtung man an der Elbe geht – ein Fischrestaurant ist immer nur einen Steinwurf entfernt. Aber was für Fisch liegt gerade im Trend? Gibt es überhaupt Trends oder ziehen dieselben Klassiker seit Jahrzehnten? Ich habe ein paar Restaurants abgeklappert und kommen zum eindeutigen Schluss: Beides!
„Manche Rezepte kann man einfach nicht mehr verbessern“, stellt Heinz Wehmann, Sternekoch und Chef vom Landhaus Scherrer fest. „Man kann Nuancen verändern, zum Beispiel bei den Soßen. Aber die Klassiker bleiben immer up to date und beliebt.“ Ähnlich sieht es Björn Hoffmann vom Restaurant „Zum Alten Lotsenhaus“: „Das Rad ist erfunden, wir müssen es nicht neu erfinden.“
Fisch-Hauptstadt Hamburg?
Aber von welchen Klassikern reden wir hier genau? Einer ist von keiner Speisekarte wegzudenken: Hamburger Pannfisch steht hoch im Kurs. Bratkartoffeln, gegarte Stücke verschiedener Fische und Senfsoße, so einfach kann man Hamburgerinnen und Hamburger glücklich machen. Auch wenn Nathalie Gideon vom Blankeneser Fischhuus anmerkt: „Das Gericht ist ein Klassiker. Aber nicht so, wie es in den meisten Restaurants serviert wird. Traditionell war es ein Essen für den zweiten Tag, wo der Fisch reinkam, der übrig war. Nicht drei verschiedene Sorten.“
Sie kennt sich mit Fisch aus und ist der Meinung: „Hamburg ist einfach eine Fisch-Hauptstadt.“ Im Bundesländervergleich lag Hamburg zwar nur auf Platz drei – rund 6,7 Kilogramm Fisch isst man hier pro Kopf –, aber immer noch weit über dem Bundesdurchschnitt.
Auch wenn Fisch insgesamt in Hamburg hoch im Kurs steht, nicht jeder Fisch tut das. „Küche ist wie Mode, es gibt ständig Veränderungen und Trends“, sagt Nathalie Gideon. „Manches ist nicht mehr so gefragt, zum Beispiel ganze Fische und Fische mit Gräten. Dafür landet mehr Fisch auf dem Grill.“
Klassiker und neue Trends
Fische, die im Fischhuus immer gut über die Theke gehen, sind zum Beispiel Lachs und Rotbarsch, saisonale Fische wie Scholle, Matjes oder Skrei, aber auch Meerestiere wie Nordseekrabben oder Garnelen. „Der Krabbensalat darf beim Sonntagsfrühstück nicht fehlen“, sagt sie schmunzelnd. Doch auch bei den Salaten, die im Fischhuus täglich frisch zubereitet werden, gibt es Trends: „Es wird leichter, mit Joghurt statt Mayonnaise zum Beispiel und manchmal auch exotischer.“
Da stimmt Heinz Wehmann ihr zu: „Man kocht leichter und vermischt Dinge. Verschiedene Zubereitungsarten bringen verschiedene Geschmäcker und da jeder Fisch eine andere Struktur und Konsistenz hat, kann man da ganz unterschiedliche Variationen zusammenbringen.“ Und was es da alles für Möglichkeiten gibt: „Man kann sie räuchern, dünsten, anbraten, gratinieren, backen – alles bei verschiedenen Temperaturen – als Pescaccio servieren, mit Tempura-Teig ummanteln. Da noch ein bisschen Kurkuma rein, ein Highlight“, schwärmt der Sternekoch.
Fische, die im Landhaus Scherrer nicht auf den Tisch kommen: „Der Karpfen ist so gut wie raus“, überlegt er. „Und wir haben uns Regionalität auf die Fahne geschrieben. Einen Pangasius gibt es zum Beispiel nicht oder Fische außerhalb ihrer Saison.“ Ansonsten sind der Kreativität keine Grenzen gesetzt: „Wir nehmen gerne ungewöhnliche Produkte, kombinieren und probieren. Man kann ganz kleine, feine Dinge in den Vordergrund stellen und manchmal reicht einfach der Fisch – denn die Kunst liegt im Weglassen.“ Sein persönlicher Lieblingsfisch: Schellfisch mit einer Senf-Vinaigrette, „aber den Senf kocht man auf keinen Fall mit auf!“
Umstrittener Klassiker: der Aal
Hier wird also viel probiert und kreiert, dabei werden aber die Klassiker nicht vergessen. Im Fischereihafen Restaurant stehen die Klassiker weiterhin ganz oben. Das Restaurant ist die Top-Adresse für Räucheraal. „Wir haben Stammgäste über die Grenzen von Deutschland hinaus. Franz Beckenbauer bestellt bei jedem seiner Besuche das Räucheraalfilet auf Kräuterrührei mit geröstetem Schwarzbrot“, erzählt Inhaber Dirk Kowalke. Die Rezepte der Klassiker bleiben konstant, sie haben sich über Jahrzehnte bewährt.
Besonders beim Aal steht eine lange Tradition hinter der Qualität: Seit der Nachkriegszeit hat Harald Rolf die Aale nach Familienrezept in seinen Altonaer Öfen geräuchert: Bis vor einem Jahr. Doch er hat aus alter Verbundenheit dafür gesorgt, dass Qualität und Geschmack weiterhin gleichbleiben: „Er hat uns auf der Suche nach einem neuen Räucherer begleitet und diesen persönlich angelernt, damit die Rezeptur dieselbe bleibt“, erzählt Dirk Kowalke. Auch den Kontakt zum dänischen Aal-Händler hat er weitervermittelt.
Weitere Klassiker wie Steinbutt und Seezunge bleiben ebenfalls dauerhaft auf der Karte. Das heißt aber nicht, dass kulinarische Trends außen vor bleiben: „Das sind unsere stabilen Säulen, die sich ungebrochener Beliebtheit erfreuen“, erklärt Kowalke. „Aber wir spielen auch mit asiatischen und mediterranen Einflüssen und auf der wöchentlich wechselnden Tageskarte finden sich saisonale Angebote.“ Zudem gibt es zum Jahresanfang ein Hummerfestival und ab Mitte Juni ein Matjes-Menü.
Die Nachfrage verschiebt sich
Ein Problem beim Aal ist allerdings die Verfügbarkeit: „Die Knappheit ist spürbar, auch in Bezug auf die Preisentwicklung der vergangenen zwanzig Jahre“, sagt Dirk Kowalke. Diese Knappheit ist unter anderem ein Grund, warum der Aal bei den Restaurants „Hoppe‘s“ und „Zum alten Lotsenhaus“ am Museumshafen Övelgönne nicht mehr auf der Karte steht. „Es gibt keine Zucht, es ist schwer, daran zu kommen, er ist teuer und überfischt“, nennt Patrick Hoppe weitere Punkte. „Früher gab es Aale und Stinte, auch in der Elbe, aber die gibt es kaum noch“, ergänzt Björn Hoffmann. „Aber wenn wir ehrlich sind, es hat auch noch niemand nach Aal gefragt.“
Das sieht bei Patrick Hoppe ähnlich aus: „Aal grün – das ist nicht mehr aktuell. In der Nachkriegsgeneration war das noch sehr beliebt.“ Und noch ein weiterer Fisch hat sich von der Speisekarte im Hoppe‘s verabschiedet: der Winterkarpfen. „Als mein Vater hier angefangen hat, gab es hier noch ein großes Becken mit bestimmt fünfzehn Karpfen, die dann frisch ausgenommen und zubereitet wurden. Die Nachfrage wurde immer geringer, jetzt bereiten wir das nur noch auf Bestellung zu“, berichtet Patrick Hoppe. „Scholle, Labskaus, Pannfisch und Lachs gehen hingegen immer und bei Leuten aus jeder Generation. Und das bieten wir mit gleichbleibend hoher Qualität an.“
Ähnlich sieht es im Alten Lotsenhaus aus. „Wir decken das ab, was die Leute erwarten, das ist manchmal ein Spagat zwischen Tradition und modernen Einflüssen“, sagt Björn Hoffmann.
Fisch neu gedacht
Ganz losgesagt von Traditionen hat sich Burhan Schawich, als er vor fünf Jahren mit einem Kumpel die „Underdocks“ eröffnete. Vorher wurde zweieinhalb Jahre das Konzept erarbeitet, „vielleicht haben wir so lange gebraucht, weil wir beide nicht aus der Gastro kommen“, sagt er lachend. Die Idee wuchs mit dem Hype von Burgern und Streetfood. „International ist da alles abgedeckt. Aber die lokalen Klassiker wie Fischbrötchen kamen nicht vor“, erzählt Burhan Schawich.
Hinzu kam, dass die beiden mit den bestehenden Fisch-Angeboten nicht zufrieden waren. Die klassischen, kalten Fischbrötchen fanden sie zu langweilig und nicht mehr zeitgemäß, die Restaurants oft zu steif und gediegen. „Wir wollten das entspannter, ohne weiße Tischdecken, jeder kann kommen“, erklärt er. „Trotzdem gibt es bei uns hochwertiges Seafood, wir bedienen nur ein anderes Segment. Wir wollten zeigen: Fisch kann sexy und cool sein.“
„Fischbude 2.0“ und „Fischbrötchen in heftig“ steht an den beiden Standorten dran. Und genau das ist das Konzept. „Wir haben rumprobiert und uns Sachen getraut, die sich in klassischen Fischbuden und -restaurants noch niemand getraut hat. Warum sollten Black Tiger Garnelen nicht auch mit Chili-Cheese schmecken, wenn Käse doch fast alles besser macht?“, sagt der Geschäftsführer. Ein Markenzeichen und Unterschied zu normalen Fischbrötchen: krosse, warme Sesambrötchen. Sein Traum: Eine Underdocks-Filiale in München. „Fischbrötchen sind in Hamburg und Norddeutschland Tradition. Wir haben hier Brauhäuser mit Münchener Bier, vielleicht gibt es irgendwann Fischbuden in Bayern.“
Fisch um jeden Preis?
Was bei allen eine große Rolle spielt: Nachhaltigkeit und Qualität. „Das Nachhaltigkeitsbewusstsein nimmt nicht nur in der Gastronomie, sondern auch bei den Gästen zu“, sagt Björn Hoffmann. Aber wie passt das zusammen mit der Überfischung mancher Arten? Heinz Wehmann legt großen Wert auf Regionalität. Exotische Fische kommen ebenso selten auf den Teller wie exotisches Fleisch oder Gemüse. „Es gibt auch nicht immer alles, aber das muss es auch nicht“, sagt er. „Man muss schauen: Was hat gerade Saison? Und damit arbeitet man dann.“
Im Fischhuus steht man teilweisen Fangverboten positiv gegenüber: „Natürlich ist es dann schwerer, an bestimmte Fische ranzukommen. Aber dann gibt es die mal weniger oder nicht – die Alternative ist, dass es sie irgendwann gar nicht mehr gibt“, erklärt Nathalie Gideon. Sie arbeitet mit lokalen und kleinen Fischereibetrieben zusammen. „Unser Fisch kommt von kleinen Kuttern. Das geht hier in Hamburg super, die Wege sind schön kurz.“
Das Fischereihafen Restaurant bezieht zwei Drittel der Fische aus Dänemark. „Die Nordsee ist nach wie vor das Einkaufsparadies für Fisch“, sagt Dirk Kowalke. Der Einkauf läuft größtenteils bei Auktionen ab. Überwiegend im dänischen Hanstholm. Es ist der größte Fischereihafen Dänemarks und dort gibt es eine Mission: Es wurden bereits Maßnahmen eingeleitet, um der erste CO2-neutrale Fischereihafen Europas zu werden.
Ohne Fisch geht’s nicht
Es wird also auf Regionalität, Nachhaltigkeitssiegel und Saisonalität gesetzt. Wie sieht es mit den Preisen aus, wo alle Lebensmittel teurer werden? „Die Nachfrage nach teuren Fischen ist nicht so hoch wie zum Beispiel nach Lachs – dementspechend sieht unser Angebot aus“, sagt Björn Hoffmann. „Faire Preise sind besonders in der aktuellen Zeit wichtig“, sagt Dirk Kowalke. „Bei den Auktionen sieht man immer die aktuellen Kurse und kann daran dann auch die Tageskarte ausrichten.“
Eine weitere Entwicklung, der die Fischsuppe versalzen könnte: Veganismus. Alle stellen fest: Die Nachfrage steigt, vegetarische und vegane Gerichte haben ihren festen Platz, auch auf den Karten der Fischrestaurants. Aber ein Hamburg ohne Fisch muss man trotzdem nicht befürchten. „Für viele Hamburgerinnen und Hamburger gehört Fisch beim Kochen dazu“, sagt Nathalie Gideon lachend. Im Landhaus Scherrer steigt die Nachfrage nach Fisch, etwa 50 Prozent der Gäste wählen die maritimen Menüs. Und die Touristinnen und Touristen? „Bei unserer Lage am Elbstrand? Da ist Fisch immer angesagt“, sagt Björn Hoffmann. Na also!