26. April 2025
Interviews

Andreas Breitner im Interview: „Denken, statt deckeln!“

Andreas Breitner vertritt seit rund zehn Jahren die Interessen sozialer Vermieter, also jener Vermieter im Sozialbau. Im Interview spricht er darüber, wo in Hamburgs Bau- und Wohn-Politik Fallstricke liegen.

Andreas Breitner sagt: Clevere Baukonzepte wie das SAGA-Systemhaus könnten das Wohnen an den Magistralen verbessern. // Foto: Bertold Fabricius - Interview

Andreas Breitner sagt: Clevere Baukonzepte wie das SAGA-Systemhaus könnten das Wohnen an den Magistralen verbessern. // Foto: Bertold Fabricius

Herr Breitner, die Stadt Hamburg verschlankt ihr Baurecht. Damit soll Bauen bald schneller und billiger gehen. Stimmt Sie das optimistisch oder hat die Sache einen Haken?
Wir sozialen Vermieter kämpfen seit vielen Jahren für den Bürokratieabbau und die Entschlackung der Hamburgischen Bauordnung. Also ja: Ich bin optimistisch, dass wir auf dem Weg zu weniger Vorschriften ein gutes Stück vorangekommen sind.

Gibt es ein „Aber“?
Ja, denn leider wurden einige alte „Bremsklötze“ noch nicht beseitigt. So werden die Bezirksämter aus meiner Sicht zu wenig in die Pflicht genommen, einen Bauantrag rasch zu entscheiden und die Baugenehmigung final zu erteilen. Hier wünsche ich mir mehr Druck aus der Bauordnung heraus. Stadt und soziale Vermieter sind sich einig, dass die jetzt gefundenen Regelungen lediglich ein erster Schritt sind.

Die Stadt erwirbt immer mehr Grundbesitz. Diese Grundstücke werden nur noch in Erbpacht vergeben. Die soll Spekulationen zurückdrängen und die Preise stabil halten. Geht dieser Plan auf?
Ich fürchte nicht. Wir stellen fest, dass Hamburgs Wohnungsbaugenossenschaften in den vergangenen beiden Jahren kein einziges öffentliches Grundstück im Wege des Erbbaurechts übernommen und mit Wohnungen bebaut haben. Damit hat die Stadt das Gegenteil von dem erreicht, was sie erreichen wollte – zusätzlichen bezahlbaren Wohnraum. Wir lehnen daher die Vorgabe ab, wonach öffentliche Grundstücke in der Regel nur noch in Erbpacht vergeben werden.

Welche Effekte gibt es bei der Finanzierung?
Die Erbpacht macht das Bauen für die sozialen Vermieter teurer, weil sie bei Erbbaugrundstücken schlechtere Kreditkonditionen von Banken erhalten und sie zugleich dauerhaft Erbbauzinsen zahlen müssen. Die Risiken sind für unsere Unternehmen unkalkulierbar.

„Nachverdichtung“ und „Magistralenprogramm“

Schlagwörter wie „Nachverdichtung“ und „Magistralenprogramm“ müssen in diesem Interview natürlich fallen. Wie schätzen Sie die Bemühungen hier ein?
Alles, was der Stadt hilft, Grundstücke für den Bau bezahlbarer Wohnungen bereitzustellen, ist sinnvoll und richtig. Wir sind überzeugt, dass Wohnungsbau entlang der Magistralen in Hamburg wichtiger wird. In der Hansestadt wurden seit dem Jahr 2011 mehr als 100.000 Wohnungen gebaut – häufig im Wege der Innenstadtverdichtung und der Verwendung bislang anders genutzter Flächen. Jetzt gilt es, jene Fläche in den Blick zu nehmen, die bislang als nicht so gut entwickelbar galten.

Die Nachverdichtung an Hauptstraßen erscheint für viele allerdings nicht sehr attraktiv.
Der Wohnungsbau hat sich technisch weiterentwickelt. Neue Baustoffe, eine geschickte Architektur und moderne Lärmschutzfenster bieten inzwischen Möglichkeiten, die das Wohnen auch an viel befahrenen Hauptstraßen erlauben. Die Entwicklung moderner Elek-trofahrzeuge lässt zudem erwarten, dass der Lärmpegel mittelfristig weiter sinkt.

Das hört sich noch etwas nach Zukunftsmusik an. Was muss unmittelbar passieren?
Nachdem die Stadt öffentlichkeitswirksam ihr sogenanntes Magistralenprogramm aufgelegt hat, muss sie jetzt rechtliche Voraussetzungen schaffen, damit an derartigen Stellen auch gebaut werden darf.
Dabei gilt es zuallererst, die Baukosten im Blick zu behalten. Die Vorgaben für den Lärmschutz weiter zu verschärfen, zugleich aber zu erwarten, dass Wohnraum mit bezahlbaren Mieten geschaffen wird – diese Gleichung geht nicht auf.

Erlebt die Platte ein Comeback?

Wie steht es mit Hochhausarealen wie der Lenzsiedlung in Lokstedt und dem Osdorfer Born, die sich gut entwickelt haben? Erlebt die Platte ein Comeback?
Man muss betonen, dass in diese Wohnquartiere über viele Jahre – im Übrigen auch durch soziale Vermieter – sehr viel Geld für die soziale Stadtteilentwicklung geflossen ist. Die SAGA und die Genossenschaften halten ihre Gebäude instand und modernisieren sie. Zudem beschäftigen sie Sozialarbeiter und Hausmeister, um die Siedlungen lebenswert zu gestalten.

Weltweit belegen die Erfahrungen jedoch, dass gesichtslose Plattenbauten aus den 60er und 70er-Jahren mehr Probleme erzeugen, als sie lösen. Insofern ist mir eine Romantisierung dieser Großwohnsiedlungen fremd.
Der Geschosswohnungsbau, den ich mir vorstelle, sieht anders aus.

Und zwar?
Gesellschaften wie die SAGA haben in den vergangenen Jahren attraktive Mehrfamilienhäuser errichtet, die dem Wohngefühl eines Einfamilienhauses sehr nahe kommen – mit Zugang zum Garten, großen Balkons oder einer Dachterrasse.
Und ein sinnvoller Weg, bunt gemischte Stadtteile zu erreichen, ist der sogenannte Drittelmix. Dieser Ansatz, bei einem Bauvorhaben mit mehr als 30 Wohnungen grundsätzlich die Aufteilung ein Drittel öffentlich gefördert, ein Drittel frei finanziert und ein Drittel Eigentum anzustreben, hat sich in Hamburg bewährt.

Hochhausburgen scheinen die großen Wohn-Probleme nicht zu lösen. // Foto: <a href="https://unsplash.com/de/@thestoryofian?utm_content=creditCopyText&utm_medium=referral&utm_source=unsplash">Niels Smeets</a> auf <a href="https://unsplash.com/de/fotos/braunes-betongebaude-unter-blauem-himmel-5QwcfSLEjBQ?utm_content=creditCopyText&utm_medium=referral&utm_source=unsplash">Unsplash</a>
Hochhausburgen scheinen die großen Wohn-Probleme nicht zu lösen. // Foto: Niels SmeetsUnsplash

Die Grenzen des Drittel-Mix‘

Bleiben bei dieser Faustformel manche Quartiere nicht unter ihren Möglichkeiten?
Ja. Es ist sinnvoll, bei jedem Projekt zu prüfen, wie hoch der Anteil öffentlich geförderter Wohnungen am Ende sein sollte. Manchmal ist ein höherer Anteil an Sozialwohnungen machbar.
In anderen Quartieren wiederum, wo der Anteil von Sozialwohnungen bereits sehr hoch ist, wäre vorrangig die Errichtung von frei finanzierten Wohnungen besser, um die soziale Durchmischung des Quartiers zu gewährleisten.

Allerdings fallen weiterhin mehr Wohnungen aus der Sozialbindung, als hinzukommen.
Bis zum Jahr 2028 werden in Hamburg jährlich rund 4.400 Sozialwohnungen aus der Bindung fallen. Die Stadt fördert jedes Jahr den Bau von bis zu 3.000 Sozialwohnungen und den Ankauf von Sozialbindungen für weitere 1.300 Wohnungen.
Nun gehört zur Wahrheit aber auch, dass bei einer Wohnung, die aus der Sozialbindung fällt, nicht automatisch die Miete auf Spitzenniveau angehoben wird. Zum einen lassen das die Mieterschutzgesetze nicht zu. Zum anderen gehören Sozialwohnungen oft den sozialen Vermietern, die Mieten, wenn überhaupt, nur maßvoll anpassen. Aktuell liegen die Mieten unserer Hamburger Verbandsunternehmen rund 2,40 Euro unter dem hiesigen Schnitt der Nettokaltmiete.

Soziale Effekte in Nobelvierteln

Seit dem 1. Januar müssen Eigentümer die neue Grundsteuer zahlen. Welche Auswirkungen wird das auf das Bauen und Wohnen in Hamburg haben?
Noch haben die Wohnungsbauunternehmen keinen Grundsteuerbescheid erhalten. Wir gehen aber davon aus, dass eventuelle Erhöhungen moderat ausfallen werden.
Hamburg hat, so finden wir, bei der Grundsteuerreform vieles richtig gemacht. Zum Beispiel spielt in der Hansestadt der sogenannte Bodenrichtwert bei der Grundsteuer-Berechnung eine eher untergeordnete Rolle. Zudem gibt es Abschläge bei Wohngebäuden.

Hat das dann auch soziale Effekte in den hochpreisigen Stadtteilen?
Ja, denn es wird auch dort überdurchschnittliche Steueranstiege verhindern, die der sozialen Entmischung Vorschub leisten würden. Künftig werden also selbst in besonders beliebten Quartieren, wie im Westen Hamburgs oder in der Hafencity, bezahlbare Wohnungen angeboten werden können. Das ist für soziale Vermieter besonders wichtig.

 

Die Wallhöfe in der Hamburger Neustadt bieten 184 mit einem Mix aus Ein- bis Fünf-Zimmerwohnungen. Ein beispiel dafür, wie städtischer Wohnungsbau funktionieren kann. // Foto: BSW
Die Wallhöfe in der Hamburger Neustadt bieten 184 mit einem Mix aus Ein- bis Fünf-Zimmerwohnungen. Ein Beispiel dafür, wie städtischer Wohnungsbau funktionieren kann. Auch hier greift der Drittelmix. // Foto: BSW

„Denken, statt Deckeln.“

Kommen wir zurück zu den Mieten. Seit 2018 gilt in Hamburg die Mietpreisbremse und sie soll verlängert werden. Funktioniert sie tatsächlich oder greift sie wie der Berliner Mietendeckel zu sehr in den Markt ein?
All jenen, die eine Mietpreisbremse oder – schlimmer noch – einen Mietendeckel wollen, rufen wir zu: „Denken, statt Deckeln!“ Mit derartigen Ideen zur Regulierung des Wohnungsmarktes wird keine einzige neue Wohnung geschaffen. Stattdessen zerstören solche Überlegungen das erforderliche Investitionsklima für den Neubau. Die Energiewende wird von den sozialen Vermietern hohe (energetische) Investitionen in ihren Wohnungsbestand verlangen. Man muss nicht Wirtschaft studiert haben, um zu erkennen: Mit moderaten Mietsteigerungen sind derartige Investitionen nicht zu stemmen.

Sind große Mietsprünge dann unvermeidlich?
Nicht unbedingt. Wir brauchen in den kommenden 20 Jahren eine auskömmliche und verlässliche Förderung durch die Stadt. Aus verschiedenen wissenschaftlichen Studien wissen wir, dass für die energetische Sanierung der gut 260.000 Hamburger Wohngebäude bis zu 40 Milliarden Euro erforderlich sein werden.

Ihr Schlusswort: Was wäre der größte Fehler, den Hamburg in der Bau- und Mietenpolitik machen könnte?
Ich bin eher in das Gelingen als in das Scheitern „verliebt“. Sorgen mache ich mir aber über Bestrebungen, die für 2045 geplante Klimaneutralität der Stadt fünf Jahre vorzuziehen. Hierzu wird es im Herbst einen Volksentscheid geben.
Sollten die vorgeschlagenen Regelungen Gesetz werden, steigen die Mieten in Hamburg deutlich. Es müssten bei rund einer Million Wohnungen im Durchschnitt 50.000 Euro pro Wohnung ausgegeben werden – und zwar in den kommenden 15 Jahren.
Wer den Menschen verspricht, dass Klimaschutz nichts kostet, streut ihnen Sand in die Augen. Hamburg wird nicht alles „wegfördern“ können. Irgendjemand muss am Ende aber die Kosten tragen. Die sozialen Vermieter werden das nicht leisten können.

Wir danken Ihnen für das Gespräch.

Zur Person

Der Diplom-Verwaltungswirt Andreas Breitner war von 2012 bis 2014 Innenminister des Landes Schleswig-Holstein. Seit 2015 ist er Verbandsdirektor des VNW (Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen e. V.). Dieser setzt sich in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft für das Wohl seiner Verbandsmitglieder, sozialen Vermietern wie den Baugenossenschaften und der SAGA, ein.

Soziale Vermieter verfolgen den sogenannten sozialen Wohnungsbau, der erschwinglichen Wohnraum auch für einkommensschwache Haushalte ermöglichen will.

Weitere Informationen

Hinweise zum Hamburger Mietenspiegel finden Sie hier: Mietenspiegel
Informationenzu Hamburgs Sozialwohnungen erhalten Sie unter: Sozialwohnungen Hamburg
Mehrz u den Wohnraumförderungsprogrammen des Senats: Wohnraumförderprogramm des Senats

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