Der Mai zu warm und trocken, der Juli zu kalt und nass… warum sind wir nie zufrieden mit dem Wetter?
Das ist sehr menschlich. Unserem Wesen nach streben wir immer und in allen Lebensbereichen einem Idealzustand entgegen, der nie erreichbar ist. Da drückt sich die Suche nach dem Paradies aus. Das perfekte Wetter ist für jeden Menschen ein sehr persönlicher und individueller Bereich, der sich nach der eigenen Verfassung ständig ändert.
Und weil das perfekte Wetter nur so kurz anhält, haben wir einen quasi permanenten Zustand eines Wetterverbesserungswunsches.
Der August fing nass an und wurde dann doch sehr heiß. Plötzlich las man überall wieder vom heißesten Sommer seit langem. Was ist da dran? Was erwartet uns noch im September?
Das Wetter im September wird stark beeinflusst von der Entwicklung der Hurrikan-Saison in der Karibik. Diese Stürme ziehen oft über den Atlantik hinweg und können dann je nach Zugbahn und Intensität wahlweise den Hochsommer zurück- oder einen ersten Herbststurm bringen. Gerade über der Karibik verhalten sich diese Stürme wie Fettaugen auf der Suppe. Sie sind erst wenige Tage im Voraus hinsichtlich der Zugbahn vorhersagbar. Das bedeutet: Über das Septemberwetter wissen wir im August noch nichts.
Kalte Winter werden selten
Der Winter wird jetzt schon als zu warm prognostiziert. Wie genau sind diese Vorhersagen? Und was bedeutet zu warm?
„Zu warm“ oder „zu kalt“ ist es immer im Vergleich zu einem Referenzzeitraum. Wenn die Infos seriös sind, wird dieser stets angegeben. Üblich sind Vergleiche mit der vorindustriellen Zeit, dem Zeitraum zwischen 1961-1990 oder auch 1991-2020. In Folge des Klimawandels ist die Wahrscheinlichkeit für alle nun vor uns liegenden Winter sehr hoch, dass diese wärmer ausfallen, als alle genannten Referenzzeiträume. Der Grund dafür ist ganz einfach: Wir befinden uns in einer Phase der extrem schnellen Klimaerwärmung. Ab und zu wird es auch noch mal einen kalten Winter geben, aber eben nur noch sehr selten.
Extreme Wetterereignisse wie Starkregen, Waldbrände und große Hitze werden immer alltäglicher. Was haben wir da zu befürchten?
Wir müssen damit rechnen, dass wir in den kommenden 25 Jahren so viel Erwärmung global bekommen, wie in den vergangenen 150 Jahren. Was da auf uns zukommt, können sich die meisten kaum vorstellen und auch mir fällt es schwer, obgleich ich mich schon so lange mit dem Thema beschäftige. Wir müssen auf jeden Fall davon ausgehen, dass die Zahl der Tage mit Starkregen, Hitze und Trockenheit gleichermaßen zunehmen.
Dahinter steht einfache Physik. Mit jedem Grad mehr kann die Atmosphäre sieben Prozent mehr Feuchte aufnehmen. Das bedeutet auch, dass die gleiche Gewitterlage heute rund 15 Prozent mehr Regen bringt als vor 30 Jahren.

Sie haben den Hamburger Klimarat gegründet. Wie sieht da die Arbeit aus?
Es handelt sich dabei um ein Format des gemeinsamen Austausches. Dieser ist interdisziplinär angelegt und soll dazu dienen, dass Hindernisse zügiger überwunden und Lösungen schneller gefunden werden.
Wie zufrieden sind Sie mit der aktuellen Klimapolitik in Hamburg?
Ich bin begeistert von allen Maßnahmen, die es gibt. Nur müssen wir uns ehrlich machen: Das einzige, was wirklich helfen würde wäre die konsequente Umsetzung der einfachen Regel: „Alles, was den Planeten kaputt macht, muss teurer sein als das, was den Planeten schützt.“ Da es im Moment meist umgekehrt ist, fahren wir mit Volldampf weiterhin in die falsche Richtung.
Wir sind im Jahre 2025 und finden im Supermarkt volle Regale mit Bio, Fairtrade, Hafer, Vegan, Regional… Wo ist das Regal mit CO₂-neutralen Produkten? Das sagt doch alles über den Zustand, in dem wir uns befinden. Wir sollten aufhören, über Verbote zu diskutieren, sondern vielmehr die Rahmenbedingungen für einen freien Markt schaffen, der anders als jetzt Produkte und Dienstleitungen bevorzugt, die unsere Grundlagen schützen.
Was halten Sie vom Hamburger Klimaentscheid im Oktober?
Ich unterstütze den Entscheid. Aber Achtung: Wenn die Maßnahmen mit Verboten umgesetzt werden, kann die Stimmung sehr, sehr schnell kippen. Man muss wissen, dass Hamburg auf viele der notwendigen Maßnahmen keinen Einfluss hat.
Um es mal konkret an einem Beispiel zu nennen: Wir können nicht einfach an den Elbbrücken eine Mautstation aufstellen und die Apfelsinentransporter aus Spanien mit einer CO₂-Abgabe belegen und mit dem Geld die Äpfel aus dem Alten Land fördern. Apfelsinen müssten aber doppelt so viel kosten, Äpfel aus dem Alten Land die Hälfte. Das übertragen Sie mal auf alle Bereiche des Konsums. Dann stellen wir fest: Hamburg wird das nicht ohne Bund und EU schaffen.
Was bedeutet der Kurs von Donald Trump hinsichtlich der Weitergabe von Wetterdaten für die Klimaforschung?
Fremdbestimmung erreichen diktatorische Charaktere durch Einschränkungen bei Bildung, Toleranz, Pressefreiheit und Wissenschaft. Selbstbestimmung durch die Stärkung dieser Bereiche. Tritt Ersteres ein, führt das zum Verlust an Intelligenz und Innovationskraft, auch weil viele Leistungsträger das Land verlassen.
Was kurzfristig ein innenpolitischer Erfolg sein mag, wird schon nach wenigen Jahren zur erheblichen Schwäche. Es folgen Braindrain und weitere Überschuldung. Ich halte das für Schritte, die die USA einem Staatsbankrott immer näherbringen.
Hat Klima ein Kommunikationsproblem?
Anfang des Jahres haben Sie mit Sven Plöger die ClimateSpeakers gegründet. Hat Klima ein Kommunikationsproblem?
Nein. Wir Menschen sind Meister und Meisterinnen der Verdrängung. Wir bevorzugen die „Alles-ist-gut-Illusion“ gegenüber der Realität, in der man dringend handeln müsste. Das beginnt beim überfälligen Aufräumen des Kellers und endet beim Einsatz von Globuli gegen Krebs.
Wer hat in der Schule mit den Hausaufgaben begonnen, sobald er gesagt bekommt, was bis wann zu tun ist? Ich habe die Hausaufgaben jedenfalls oft erst in der Pause vor der Mathestunde gemacht… und beim Vokabeltest habe ich ehrlich gesagt meist zu spät angefangen zu üben. Dadurch wurde das Ergebnis nicht besser. Wir handeln erst dann, wenn es wirklich nicht mehr anders geht. Das ist ein echtes Problem unserer Spezies.
Die Aufmerksamkeit, die der Klimawandel in der Öffentlichkeit kriegt, hat seit Fridays For Future und Last Generation wieder stark abgenommen. Wie sähe eine gute, mediale Präsenz aus und warum gelingt das nicht?
Wenn es nur nach Relevanz ginge, dann müssten wir von morgens bis abends über dieses Thema informieren. Das Problem: Wir sind als Journalistinnen und Journalisten ja Mitwirkende. Kein Fußballreporter steht auf dem Feld und spielt selbst mit, während er berichtet. Beim Thema Klima ist das aber so. Deshalb wirken da die gleichen Mechanismen der Verdrängung.
Wenn dann berichtet wird, vermittelt das oft den Eindruck, dass wir uns beschränken müssen, dass es Verbote geben soll oder, dass die Welt schlechter wird. Das ist nicht nur nicht richtig, es ist auch fatal, weil sich die Leute solchen Nachrichten entziehen. Und was keiner hören und sehen will, wird nicht geklickt und nicht mehr berichtet.
Ich empfehle, die Fakten schonungslos zu benennen und gleichzeitig zu zeigen, dass nicht jede und jeder Einzelne schuld ist. Vielmehr muss die Politik handeln. Diese bessere Zukunft lohnt jeden Einsatz.
Wie kann es gelingen, wieder mehr Aufmerksamkeit für Klimaschutz zu schaffen? Offenbar überlagern andere Krisen diese existenzielle Bedrohung.
Der Adressat muss klar sein: Die Politik muss handeln. Die Bevölkerung hat ein Recht darauf, dass die Rahmenbedingungen so gestaltet sind, dass die Alltagsentscheidungen die Grundlagen für die nächste Generation schützen. Wirken wir dem „Gier frisst Hirn“ entgegen.
Klimaschutz und Urlaub
Die Sommerferien sind gerade in den ersten Bundesländern zu Ende gegangen. Die Tourismuszahlen steigen weltweit weiter an. Sind diese Dimensionen, bei denen Millionen jeden Sommer Fernreisen antreten, überhaupt ansatzweise mit Klimazielen in Einklang zu bringen?
Wenn der Böttcher jetzt die Urlaubsreise verbieten würde wollen, wäre keinem geholfen. Eine Reise mit der Bahn von Hamburg in die Partnerstadt Marseille muss aber günstiger sein als ein Flug. Reiseziele- und Reisewege, die besser sind für das Klima, müssen günstiger sein als solche mit einem hohen CO₂-Fußabdruck. Den Rest regelt der Markt. Wer unbedingt mit dem Flugzeug zu den letzten Korallen fliegen will, sollte mit dem Flug so viel für den Klimaschutz leisten, dass der eigene Schaden doppelt gut gemacht wird. Wir sollten den Menschen nicht die Freiheit nehmen, sondern eine Motivation schenken.
Im August sind es rund ums Mittelmeer regelmäßig über 40 Grad. Könnten Länder wie Spanien und Italien im Sommer bald „unbesuchbar“ werden?
Es wird Menschen geben, denen genau das gefällt. Und es wird immer mehr Menschen geben, die sich das nicht mehr antun wollen. Es ist ja erst der Anfang. Bis 2050 „springt“ die Wüste der Sahara nach Südspanien. Das ist dann ein anderes Reiseziel als noch vor 30 Jahren oder heute.
Wir bedanken uns für das Gespräch!
Frank Böttcher
Der gebürtige Hamburger ist Wetter- und Klimaexperte, Moderator und Buchautor. Er gründete 1999 die Plattform wetterspiegel.de und ist Mitbegründer des Verbands Deutscher Wetterdienstleister. Seit 2006 ist er regelmäßig im Fernsehen und Radio präsent und leitet den jährlichen Extremwetterkongress. 2022 erhielt er den Outreach & Communication Award der Europäischen Meteorologischen Gesellschaft. Seit 2023 ist er Vorsitzender der Deutschen Meteorologischen Gesellschaft.