und
9. Februar 2023
Kultur

Maurice der Kater – Animationsfilm aus Altona feiert Kinostart

Heute lief „Maurice der Kater“ in den deutschen Kinos an. Es ist eine der bisher größten Animations-Produktionen aus Europa. Sein Geburtsort liegt in Altona. Wir sprachen mit den beiden Frauen, die das Ausnahmeprojekt initiiert haben.

Maurice der Kater - der Star des Animationsfilms lernte in Altona Laufen und vieles mehr. // Bild: Telepool 2023

Maurice der Kater – der charmante Star des Animationsfilms lernte in Altona Laufen und vieles mehr. In der deutschen Version leiht ihm Bastian Pastewka seine Stimme. // Bild: Telepool 2023

Der Film ist jetzt schon ein voller Erfolg. Eine Star-Besetzung lieferte die Stimmen für den Animationsfilm, der bereits in 2.000 Kinos in den USA läuft. Seit heute (9. Februar) ist es auch in Deutschland so weit. „Maurice der Kater“ basiert auf Terry Pratchetts gleichnamigen Buch. Er entstand in Altona und UK. Die beiden Schwestern Emely Christians, Geschäftsführerin und Produzentin der Ulysses Filmproduktion, und Jana Bohl, Geschäftsführerin von Studio Rakete, brachten den Film gemeinsam auf die Leinwand. Es ist ihr zwölfter gemeinsamer Film.

„Maurice der Kater“ ist euer bisher größtes Projekt. Wie ging es los?

Emely: Es ging damit los, dass wir Terry Pratchetts Agenten kennengelernt haben. Der war sehr begeistert von der Arbeit, die wir bei Studio Rakete und Ulysses seit vielen Jahren machen. Er kam zu einem Screening unseres Films „Oops“ und fand die Qualität (besonders für eine europäische Produktion) so toll, dass er uns die Rechte für das Buch gab. Dann unterschrieben wir eine Option, das heißt, wir durften mit dem Stoff arbeiten und ein Drehbuch erstellen. Wir hatten das Privileg mit Terry Rossio am Buch zu arbeiten – das war eine tolle Erfahrung für uns. Anschließend holten wir auch schnell die Regie mit an Bord. Neben dem Drehbuch haben wir außerdem erste Designs entwickelt, damit wir in die Finanzierung gehen konnten.

Jana: Parallel zu diesen Schritten gucken wir immer, wie wir das Budget zusammen kriegen und welche Länder wir mit an Bord holen – bei Terry Pratchett passte UK natürlich sehr gut.

Wie hoch war das Budget?

Emely: Knapp elf Millionen Euro hat das Ganze gekostet. Es wurde ziemlich genau 50:50 von UK und Deutschland finanziert. Ein großer Anteil kommt vom Verleih, der Hamburger Filmförderung, den deutschen Filmförderungen und dem Weltvertrieb. Es war das teuerste Projekt bisher – aber verglichen mit Global Playern wie Pixar ist das nichts, die haben locker das Zehnfache für einen Film.

Die beiden Schwestern Emely Christians (l.), Geschäftsführerin und Produzentin der Ulysses Filmproduktion, und Jana Bohl (r.), Geschäftsführerin von Studio Rakete, mit Klönschnack-Redakteurin Sophie Rhine.
Die beiden Schwestern Emely Christians (l.), Geschäftsführerin und Produzentin der Ulysses Filmproduktion, und Jana Bohl (r.), Geschäftsführerin von Studio Rakete, mit Klönschnack-Redakteurin Sophie Rhine.

Terry Pratchett ist praktisch ein Nationalheld in UK. War es dementsprechend einfach, dort Geld einzusammeln?

Emely: Ja, relativ einfach (lacht). Wir konnten dort Sky als großen Partner gewinnen. Aber auch in Deutschland war es nicht schwer: Alle Förderungen, die wir eingereicht haben, haben wir auch bekommen. Wir erhielten eine große Finanzierung von unserem deutschen Film-Verleih und fanden einen guten Weltvertrieb.

Wie ging es nach der Finanzierung weiter?

Jana: Parallel zur Finanzierung haben wir uns überlegt, wie die Arbeitsteilung zwischen den Studios in Altona und UK aussehen könnte und haben das Team zusammengestellt. Und dann fing es an, dass wir das Drehbuch kleinteilig zerlegten – der sogenannte Breakdown. Wir listen dabei alle Charaktere, alle Schauplätze, alle Props (Requisiten, Anm. d. Rdk.) auf. Das wird dann eingeteilt zwischen allen Künstlern und dann wird angefangen, erstmal mit normalem Zeichnen, aber schon digital.

Wie lang war die Liste für „Maurice der Kater“?

Jana: 1.200 Einzelteile. Unglaublich lang. Es ist gar keine Liste, sondern eigentlich eine richtige Datenbank für so einen Film. Jedes Teil, jedes Stadium eines Charakters muss abgearbeitet werden: Farbe, Design, Fell, wie sieht der Mund von innen aus? Man muss sich so viele Dinge überlegen und dann muss es auch am Computer so umgesetzt werden und so aussehen wie auf den Zeichnungen. Handschriftlich wäre das nicht zu organisieren. Mit der Datenbank können alle drauf zugreifen, auch in England und alle haben immer den aktuellen Stand der Dinge.

Gibt es schonmal Streit, wer welchen Charakter gestalten darf?

Jana: Nein, das findet sich ziemlich schnell. Es ist Teamwork, alle wissen, worauf man hinarbeitet. Und als oberste kreative Instanz haben wir dann noch die Regie.

Emely: Wir hatten jede Woche einen großen Abnahme-Zoom mit allen: den Kreativen, der Regie, den Produzenten – das war immer das Highlight der Woche. Da haben wir alles, was in der Woche erschaffen wurde, zusammen angeguckt. Man hat sich ja wegen der Pandemie ansonsten nicht gesehen. Deswegen war es umso toller.

Bis ein Charakter fertig ist, wird vieles ausprobiert.
Bis ein Charakter fertig ist, wird vieles ausprobiert.

Wie lange dauert die erste Skizze einer Figur?

Jana: Ganz unterschiedlich. Manchmal hat der Künstler schon eine bestimmte Figur im Kopf, dann kann es ganz schnell gehen. Es kann aber auch unklar sein und dann wird noch viel ausprobiert und dauert mehrere Wochen

Was war die größte Schwierigkeit bei der Produktion?

Emely: Maurice der Kater selbst, oder?

Jana: Ja, bis der Hauptdarsteller mal da war, wo er ist … Diese Millionen Haare, die er hat, müssen auch im Computer rendern. Man muss sich die Masse vorstellen – eine Person schafft sechs bis acht Sekunden pro Woche an Bewegung eines Charakters, nur in der Animation. Man muss wirklich geduldig sein, nur dann wird man belohnt. Das ist manchmal schwierig, weil man will, dass es weiter geht. Aber es dauert seine Zeit.

Emely: Und das im Rahmen des Budgets. Wir können das nicht einfach fünf Jahre machen. Denn es ist eben ein Zeitraum von zwei Jahren geplant und finanziert. Wenn die Maschinerie ins Rollen kommt, dann läuft sie auch und wir können nicht mehr anhalten.

Was war der schönste Moment der Produktion?

Emely: Als wir die Rechte bekommen haben, waren wir schon stolz. Die Familie Pratchett ist sparsam mit der Vergabe von Rechten und gerade für einen Animationsfilm gab es das so noch nicht. Als wir die Finanzierung zusammen hatten und alles losging, war das auch toll. Und natürlich die Premiere vor ein paar Tagen. Wir hatten den Film schon oft gesehen, aber das erste Mal mit Publikum – 980 Leuten – das war großartig, besonders wegen der ganzen Kinder im Saal.

Jana: Vorher bangt man: Lachen sie an der richtigen Stelle? Weinen sie? Es war ein großer Moment, der zeigte, dass der Film gut ankommt. Da ist uns ein großer Stein vom Herzen gefallen, denn die Produktion hat schon Nerven gekostet.

Habt ihr bei „Maurice der Kater“ Lieblingscharaktere?

Emely: Ich find Keith wirklich toll. Da hab ich schon beim Making Of gesagt, das ist der ehrlichste Mann, den ich je gesehen hab. Der sagt einfach alles, was er meint.

Bei welchem Charakter gab es die meisten Diskussionen?

Jana: Unser Bösewicht war eine Herausforderung. Im Buch ist er beschrieben, aber nicht illustriert. Da gab es viel Fummelarbeit.

Emely: Wir mussten ein gutes Maß finden, damit es nicht zu unangenehm aussieht. „Maurice der Kater“ ist schließlich ein Familienfilm und soll nicht zu düster wirken. Es ist Pratchetts einziges Kinder- und Jugendbuch. Dem wollten wir gerecht werden. Bei der Premiere kam es gut an, auch der Rattentod, der mit der quietschigen Stimme dann wieder ganz süß ist.

Jana: Wenn ein Designer anfängt, macht er verschiedene Entwürfe. Auch mit verschiedenen Frisuren, gerne mal sechs oder sieben. Und dann kristallisiert sich heraus, was am besten passt. Wir testen ganz viel. Unsere Hauptdarstellerin hatte zwischenzeitlich auch mal eine lange Lockenmähne.

An welcher Stelle kommen die Musik und die Sprecher dazu?

Emely: Wir machen zuerst eine Art Hörspiel. Die Sprecherinnen und Sprecher kommen also ganz am Anfang, damit darauf animiert werden kann. Man muss ja wissen, wann holt die Katze Luft, wann räuspert sie sich. In unserem Fall kam auch die Musik früh dazu: Wir eröffnen den Film mit einem Lied und das musste Hugh Laurie performen, also musste es das schon geben. Auch die Ratten haben ein musikalisches Thema, das sich durch den ganzen Film zieht. Es war gut, dass die Animatoren das frühzeitig hatten.

Basiert Maurice der Kater auf Hugh Laurie?

Emely: Ja, das ist richtig. Die Originalfassung ist Englisch. Aber wir haben Bastian Pastewka extra gesagt, er solle er selbst sein und nicht versuchen, Hugh Laurie nachzumachen. Er sollte der Katze das geben, was er möchte und das ist gut gelungen. Er ist ein begnadeter Sprecher.

Wie gewinnt man solche Stars für einen Film?

Emely: Man kann sie tatsächlich fragen (lacht). Natürlich haben alle Agenten. Aber es hilft, wenn man parallel dazu noch gute Kontakte hat und die hatten unsere englischen Kollegen. Bei Emilia Clark (spricht Malicia, Anm. d. Rdk. ) war es so, dass ihr Bruder ein großer Pratchett-Fan ist. Sie kannte das Buch und wollte unbedingt mitspielen, ein Volltreffer.

280 Menschen waren an Maurice beteiligt. Welche Aufgaben hat diese Crew erledigt?

Jana: Bei uns im Studio gehören viele Bereiche dazu. Angefangen bei Design. Wenn das steht, brauchen wir Künstler, die technische Zeichnungen machen. Hier geht es etwa darum: Wie sieht der Hinterkopf aus? Wie von der Seite? Wie die Zähne? Jeden Stein hat jemand gemalt. Diese Informationen brauchen wir für die Computer. Dann gibt es viele Techniker, Administration, Organisation und Koordination, damit alles zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort landet.

Emely: Es gibt auch viel Sounddesign. Beim Animationsfilm kann nichts wie beim Realfilm aufgenommen werden, etwa Schritte. Jedes Geräusch muss erstellt werden. Ein ganzes Orchester mit 80 Leuten hat die Musik eingespielt. Abrechnungen mussten geschrieben werden, Schriften für die Poster festgelegt werden und wir brauchten ein Drehbuch auf Deutsch. Das musste aber einen lippensynchronen Text liefern.

Florian Westermann, Co-Director von Maurice der Kater erklärt verschiedene Schritte des Compositings. An dieser Stelle fließen alle vorherigen Schritte zum Endergebnis zusammen.
Florian Westermann, Co-Director von Maurice der Kater, zeigt frühe Produktionsstadien des Films.

Jeder Kiesel muss gestaltet werden. Aber das geht ja auf tausend Arten. Wie klappt das?

Jana: Der Art-Director und der Production-Designer sammeln viele Referenzen. Man geht nicht unbedingt raus in den Wald und guckt sich das an, aber man sammelt Infos und Beispiele. Bei einem Pulli zum Beispiel, fragt man sich, welcher Stoff soll es sein?

Emely: Bei einem der Abnahme-Calls ging es tatsächlich darum, wie viele Piniennadeln auf dem Waldboden liegen. Wir Produzentinnen haben uns immer noch mehr gewünscht, aber irgendwann wurde gesagt „Jetzt ist Schluss. Mehr gibt es nicht.“ Das hängt dann auch wieder mit dem Rendern zusammen. Jede Piniennadel braucht eine zusätzliche Sekunde. Kopfsteinpflaster ist auch schwierig – jeder Stein muss etwas anders aussehen, damit es ansprechend und plastisch wirkt.

Bei so einem großen Projekt kann auch viel schieflaufen. Ist zwischendurch mal Panik ausgebrochen?

Jana: Panik nicht. Wir hatten sicherlich technische Herausforderungen mit Effekten und Rendern, wo wir manchmal dachten, wir stoßen an unsere Grenzen. Aber da das engmaschig von Beginn an begleitet wird, auch von den Leuten aus den späteren Arbeitsschritten, wird nichts designt, was dann unmöglich ist. Da steht man im engen Austausch, damit die Qualität über 85 Minuten gleichbleibt und nicht 25 supertolle Minuten mit Mega-Effekten und der Rest sieht dann doof aus. Es war eine große Herausforderung, aber keine, die wir nicht gewuppt hätten.

Was sind denn besonders komplizierte Effekte?

Jana: Das kann man gar nicht benennen. Möglich ist prinzipiell alles. Es ist wichtig, von Anfang an ein Designkonzept zu haben, in dem alles zusammenpasst. Schwierige Effekte sind immer Wasser oder wenn die Charaktere dann nass sind. Dass das nicht komisch aussieht oder wie Wackelpudding, sondern einfach nass. Aber da waren wir durch unsere Arche-Filme schon geübt. Feuer und Nebel sind auch nicht einfach.

Steht schon ein neues Projekt im Raum?

Emely: Ja, wir sind schon mittendrin. Wir produzieren gerade den dritten Teil der Nico-Filmreihe. Und wir haben ein Projekt mit Kanada über Schmetterlinge, die einmal von Kanada nach Mexiko migrieren. Und danach, gerade frisch reinbekommen, machen wir den Seeräuber Moses nach dem Roman von Kirsten Boie.

Jana: Und parallel arbeiten wir noch an Benjamin Blümchen, an einer 3D-Serie.

Das ist aber eine ganze Menge.

Jana: Ja (lacht). Wir haben meistens zwei Features parallel in Produktion, in unterschiedlichen Stadien. Auch, um die ganze Pipeline am Laufen und die Technik aktuell zu halten. Und die guten Leute wollen wir natürlich auch halten. Wenn die Produktion läuft, kümmern wir uns schon um die Dinge, die wir nächstes und übernächstes Jahr machen und um die Finanzierung.

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