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27. Mai 2022
Magazin-Tipp

Bier aus Hamburg – ein Blick auf das Brauhaus der Hanse

Dass Hamburg eine Biermetropole ist, wissen sicher viele. Doch dass die Stadt ohne seine Biertradition auf das Alsterpanorama vorm Rathaus verzichten müsste, das ist ein historisches Phänomen, von dem nur wenige wissen. Wir haben für Sie nachgeforscht.

Bier Symbolbild

Bier aus Hamburg – Astra und Holsten sind weit bekannt. Aber da gibt es noch viel mehr! // Foto: ©Love the wind_AdobeStock

Bier und Hamburg – das gehört zusammen und das schon seit über 800 Jahren! Keine Angst, wir fangen nicht bei Adam und Eva an. Hier kommt erst mal ein schneller Ritt durch die Anfänge.

Die Anfänge der Braugeschichte

Alster dank Bier
Das Alsterpanorama verdankt Hamburg dem Bier – und das Bier verdankt Hamburg der Alster. // Foto: © SHMH

Schon 1270 wird in Hamburgs Stadtrecht Bier als wichtigste Handelsware bezeichnet. Bier war damals wesentlich dünner als heute. Es hatte also nicht so viele Umdrehungen, war dafür aber schon reich an Kalorien und vor allem recht keimfrei. Anders als Säfte, Milch oder Tee war es leicht zu bekommen und sauberer als Wasser. Es gab noch keine Kühlschränke. Also war Haltbarkeit wichtig.

Bier war also wichtig. Es brachte Hamburg Ruhm und Geld. Und es veränderte die Stadt für alle Zeiten. Die Schauenburger Grafen, die Stadtherren, ließen die Alster aufstauen. Zuerst um 1200 an der Untermühle (heute Trostbrücke) und dann, wesentlich mehr, um 1230/35 durch den Reesendamm (heute Jungfernstieg). Warum? Das Wasser aus den Stauseen betrieb Kornmühlen. So wurde Mehl zum Backen und Schrot zum Brauen gewonnen. Das, was man heute also Binnen- und Außenalster nennt, ist der Biergeschichte Hamburgs zu verdanken und die passt auf keinen Deckel.

Bier verändert das ganze Stadtbild

Die Alster diente aber nicht nur als Energielieferant. Auch das Brauwasser kam aus der Alster. Das Wasser der Fleete war dafür zu schmutzig. Ohne Alster also kein Bier. Bis 1700 gab es mehr als 500 Brauereien in Hamburg. Die brauchten natürlich viel Wasser. Hierfür wurden Kanäle gebaut. Das gut ausgebaute Wassernetz der Stadt, schon früh eines des modernsten Europas, verdankt sich also auch dem Bier und den findigen Brauern und Brauerinnen.

Noch heute erinnern hier viele Straßennamen wie Hopfenmarkt und Hopfensack an die Geschichte des Bieres, die Hamburg zum Brauhaus der Hanse machte. Schwerpunktmäßig wurde um den heutigen Rödingsmarkt, im Bereich der Bäckerstraße und der Gegend um St. Jacobi gebraut.

Über ein kleines Tief zur Bier-Hauptstadt

Um 1600 ging es dann bergab mit dem Bier. Kaffee, Tee und Schokolade waren angesagt und die Wasserqualität war offenbar auch besser geworden. Bier verlor an Bedeutung. Auch, weil Schnäpse nun für einen billigen Rausch sorgten. Die mittelalterlichen Brauhäuser sind leider nicht erhalten. Das älteste bestehende Brauhaus der Stadt ist Gröninger, das 1793 gegründet wurde.

Bier Holsten
Holsten ist Hamburgs bekannteste Biersorte, das Logo mit dem Reiter weit über die Grenzen der Hansestadt bekannt.

Erst um 1900 kam es wieder zum Aufschwung in Hamburgs Bierszene. Wesentlich hat das natürlich mit der Industrialisierung zu tun. Die alten Brauhäuser waren zu Aktiengesellschaften zusammengeschmolzen. Erfindungen wie Kühlmaschinen und Reinzuchthefen brachten völlig neue Möglichkeiten. Eng verbunden mit dieser Entwicklung ist der Name Holsten. Die Brauerei wurde 1879 gegründet und zählt noch heute zu den größten Norddeutschlands. Fachwissen kam um 1900 vor allem aus Süddeutschland, wo jetzt auch mehr Hopfen angebaut wurde. Zuvor war der Norden hier führend.

Heute ist Hamburg wieder eine Hauptstadt des Bieres, mit vielen spannenden Entwicklungen und einer großen geschichtlichen Bedeutung. Die Bierszene in der Hansestadt floriert. Die Marktführer Astra und Holsten kennt man weit über die Hamburger Grenzen hinaus. Astra wurde 1897 als Bavaria gegründet und sorgte besonders mit seinen Werbekampagnen „Astra. Was dagegen?“ und dem Anker-Logo für Aufmerksamkeit. Dennoch gilt das Bier mit dem galoppierenden Ritter als Wappen, das seit 1879 in der Holstenstraße gebraut wurde, als das bekannteste Bier Hamburgs.

Kleine Brauereien sorgen für Vielfalt

Bier Landgang Brauerei
Die Landgang Brauerei in Bahrenfeld gehört zu den Craft Beer Pionieren in Hamburg.

Aber zu den Klassikern haben sich viele neue, moderne Biersorten gesellt. Gebraut werden sie häufig in kleinen Privatbrauereien, die zu Tastings und Führungen in der ganzen Stadt einladen. In Bahrenfeld braut das Landgang-Trio seit 2015 in einer umgebauten Druckerhalle Craft-Biere wie „Helle Aufregung“, „Senatsbock“ oder „Tutti Frutti“. Im Süden Hamburgs steht das Wildwuchs Brauwerk für Bio-Bier. Braumeister Fiete braut hier nachhaltiges und ressourcenschonendes und kreatives Bier – mal klassisch, mal aus altem Brot, mal mit Kaffee oder Orange.

Eine Verbindung zwischen Historie und Gegenwart ist Oliver Nordmann mit der Ratsherrn-Brauerei gelungen. Das Bier erblickte schon 1951 als Exportschlager der Elbschloss-Brauerei das Licht, rund 15 Millionen Liter des Premium Pils wurden verkauft. Das lockte die Holsten-Brauerei an, welche die Marke nach einem Entscheid des Bundeskartellamts 2000 wieder abgeben musste. Oliver Nordmann kaufte die Rechte und eröffnete die Brauerei 2012 neu. Damit ging es Craft-Beer-mäßig richtig in Hamburg los.

Craft Beer Szene floriert

Aber nochmal einen Schritt zurück. Craft-Bier oder richtiger Craft Beer ist in vieler Münder, aber was steckt eigentlich dahinter?

Craft Beer Bier
Farbenfrohe Dosen, ebenso vielfältig wie die Biere im Geschmack.

Viele verbinden mit Craft Beer wohl zunächst ein hippes Etikett, viel Hopfen und einen hohen Preis. Das sind tatsächlich alles Randerscheinungen des Craft Beers. Im Kern geht es aber darum, ein Bier zu machen, dass sich auf gute Art von den Getränken großer Brauereien unterscheidet: ein Bier, das durch Handwerk (craft) glänzt. Die Biere sind oft hopfenbetont, was auch ihren Preis ausmacht. Durch die kleinen Craft-Brauereien ist die Vielfalt der Biere gestiegen und das, obwohl die Zutatenliste in Deutschland seit dem Reinheitsgebot von 1516 streng begrenzt ist auf Wasser, Malz, Hopfen und Hefe. Möglich ist es, indem man verschiedene Aromahopfensorten einsetzt und auch beim Malz experimentiert. So kommt längst nicht nur Gerste oder Weizen zum Einsatz. Auch Dinkel, Hafer oder Emmer werden unter anderem vergoren.

Kreativ, flexibel, lecker

Die neue Kreativität hatte auch Einfluss auf manch große Brauerei, die sich mit neuen Sorten hochjazzen wollten. Im großen Maßstab ein Craft Beer zu brauen, ist von der Idee her sinnbefreit. Allerdings entstanden so neue Bierspezialitäten, die zwar nicht wirklich Craft-Biere sind, aber eine wertige Erweiterung darstellen. Hamburgs große Brauereien machen da nicht mit. Die Hansestadt hat es aber auch nicht nötig, dank großartiger Kleinbrauereien.

Bier Zapfhahn
Porter oder Zwickel? Die Bier-Vielfalt in Hamburg ist groß!

Die kleinen, aber feinen Brauereien, wie Kehrwieder, haben gegenüber den „Big Playern“ einen großen Vorteil: Sie sind flexibel, da die Produktion nicht auf wenige Sorten fest eingestellt ist. So trauen sich die kleinen Brauereien auch zu alten Rezepten wie der Gose zu greifen. Eine Gose ist ein helles Bier, das mit Koriandersaat und ganz wenig Salz gewürzt wird. Wenn man bedenkt, dass das Reinheitsgebot eingeführt wurde, weil einstmals fast alles im Bier landete, ist das aber harmlos. Apropos, für die Gose muss man hierzulande eine Ausnahmegenehmigung zum Brauen beantragen. Geschmacklich erinnert das Spezialbier leicht an ein Radler, nur mit mehr Alkohol. Spannend.

Auch neuartige Hefen werden in Mikrobrauereien eher ausprobiert. So entstehen etwa geschmacklich herausragende alkoholfreie Biere. Trotz dieser Wiederbelebung geht es der Bierbranche zunehmend schlechter. Zwischen 1993 und 2019 ging der Absatz um rund 20 Millionen Hektoliter in Deutschland zurück. Zu Beginn der Pandemie verstärkte sich der Trend. Für die Brauereien ist das bedauerlich. Für die Verbraucher schlägt aber die Qualität mehr zu Buche. Zwar sind Craft Biere noch ein Nischenprodukt, aber sie haben zur Belebung der Bierkultur beigetragen. Insgesamt sind die Bierqualität und die Vielfalt in Deutschland gestiegen. In Hamburg kann man das – in Maßen – besonders gut testen.

Hamburgs Bier in Zahlen

Auf dem Höhepunkt im Mittelalter zählte Hamburg über 500 Brauhäuser. Spätestens mit Napoleons Einzug endete das Hochalter des Bieres in Hamburg. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts ging es wieder richtig los. Heute gibt es drei größere Brauereien sowie elf Craft-Beer-Brauereien in der Stadt. Etwa 48 eigene Biersorten zählen die hiesigen Brauereien derzeit.

Allein die Anlage der größte Brauerei Hamburgs, Holsten, konnte in 2020 eine Million Hektoliter Bier und Bier-Mischgetränke herstellen. In 2018 wies eine Studie aus, dass die Hamburgerinnen und Hamburger im Schnitt 100 Liter pro Jahr und Kehle trinken. Das klingt viel, ist aber im Vergleich zum Mittelalter, mit 1.000 Litern, geradezu verschwindend gering. Allerdings ist das Bier heute auch stärker.

Bier
Da bleibt uns nur noch eins zu sagen: Prost!

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