25. Juni 2024
Magazin-Tipp

Die Zukunft des Buchhandels

Das Buch ist selbst in Zeiten zunehmender Digitalisierung ein treuer Begleiter. Leicht hat es das Medium aber nicht unbedingt und der Buchhandel damit auch nicht. Wir sprachen mit zwei Kennern.

Florian Wernicke und Pascal Mathéus beleben die Literaturszene in den Elbvororten und darüber hinaus. - Keyword: Buchhandel

Florian Wernicke und Pascal Mathéus beleben die Literaturszene in den Elbvororten und darüber hinaus.

Diesmal im Gespräch die Buchhändler Pascal Matthéus und Florian Wernicke.

Pascal, Florian, ihr habt vor gut anderthalb Jahren diese Buchhandlung übernommen. Haben sich eure Erwartungen erfüllt?
Wir sind sehr glücklich mit der Übernahme und freuen uns über die Begeisterung unserer Kunden für die Literatur. Dass die Begeisterung für unsere neuen Impulse – vor allem für unser umfangreiches Veranstaltungsprogramm – dermaßen groß sein würde, hätten wir allerdings kaum zu hoffen gewagt.

Hat euch etwas überrascht?
Überrascht hat uns sicherlich der Teil der bisher unbekannten Firmengeschichte. Bei der Beschäftigung damit sind wir darauf gestoßen, dass die Buchhandlung ganze 73 Jahre älter ist als bekannt und bereits 1848 gegründet worden ist.

Außerdem fanden wir heraus, dass der vormalige Namensgeber Alfred Kortes ein Profiteur und wenigstens Mitläufer der Nazis war. Deshalb haben wir die Buchhandlung nach dem ursprünglichen Gründer wieder Wassermann genannt. Der Buchhandel bleibt in Bewegung.

Auf der Leipziger Buchmesse wurde sogar die Buchpreisbindung zur Frage gestellt. Eure Meinung hierzu?
Die Buchpreisbindung ist ein zentraler Bestandteil eines fairen Wettbewerbs innerhalb des Buchhandels. Der steht durch das aggressive Einwirken (internationaler) Mitbewerber ohnehin unter Druck. Eine Abschaffung der Buchpreisbindung würde den Markt für diese Akteure weiter öffnen.

Das wäre insofern problematisch, da zum einen ein noch stärkerer Wettbewerb einzusetzen droht, der kleine und unabhängige Buchhandlungen gänzlich aus dem Markt drängen könnte, weil diese nicht auf die vergleichsweise riesigen finanziellen und logistischen Ressourcen von Akteuren wie Amazon oder Thalia zurückgreifen könnten. Zum anderen hätten es sicher auch kleinere Verlage und Titel, die nicht dem vordefinierten Bestseller-Format entsprächen, sehr schwer, überhaupt noch eine attraktive Positionierung am Markt zu realisieren.

„Keine andere Kunstform ermöglicht solch intensive Erlebnisse wie das Buch.“

Was sind 2024 die größten wirtschaftlichen Herausforderungen für den stationären Buchhandel?
Neben dem Online-Handel ist die Konkurrenz durch andere (Unterhaltungs-)Medien zu nennen. Für beides haben wir wirksame Gegenmittel.

Zum einen bietet der stationäre Buchhandel individuelle Beratung und veranstaltet Lesungen, auf denen man Schriftsteller hautnah erleben kann, was kein Online-Anbieter ermöglicht. Dass es manchmal bequem ist, online zu bestellen, können wir dagegen natürlich gut verstehen. Alles kein Problem! Auch bei uns kann man im Online-Shop bestellen oder man holt Bücher bei uns ab.

Was die Konkurrenz der anderen Medien betrifft, bleiben wir gelassen. Kein anderes Medium und keine andere Kunstform ermöglicht solch intensive Erlebnisse wie das Buch. Wer einmal infiziert ist, kommt mit Sicherheit nicht mehr davon los. Dass diese Infektionen erfolgreich stattfinden, versuchen wir durch unsere Buchtipps, unsere Beratungen und unsere Veranstaltungen hinzubekommen.

Bücher sind weiterhin beliebt. Aber die Zahl der  Neuerscheinungen ist in Deutschland gegenüber 2007  um ein Viertel eingebrochen.
Bücher sind weiterhin beliebt. Aber die Zahl der Neuerscheinungen ist in Deutschland gegenüber 2007 um ein Viertel eingebrochen.

Welche Rolle spielt die Demografie für den stationären Buchhandel? Ändern sich die Lesegewohnheiten quer durch die Generationen?
Für uns spielt der demografische Faktor an unserem Geschäftsstandort eine große Rolle. Viele unserer Kunden sind ältere Menschen. Viele haben Zeit, sich mit Literatur zu befassen und zeigen außerdem ein großes Interesse an unseren Büchern und Veranstaltungsangeboten.
Zugleich ist klar, dass wir uns auch um eine jüngere Klientel bemühen und entsprechende Angebote schaffen.

Eine besondere Chance für die kommenden Jahre ist sicher das baldige Ausscheiden der Boomer-Generation aus dem Arbeitsleben. Mit dem Eintreten in den Ruhestand stehen diesen Menschen durchschnittlich fast 20 Jahre zur freien Lebensgestaltung zur Verfügung. Literatur ist eine Einladung, diese Zeit mit Kreativität und Lebensfreude zu füllen.

E-Books und das gute alte Buch

Auf Tiktok gibt es ein Phänomen namens Booktok. Kennt ihr das und ist das in euren Augen ein Weg, neue Leser zu finden?
Dass neue Leser dadurch gewonnen werden, ist eine Tatsache. Und das ist immer gut! Unser Schwerpunkt liegt nicht so sehr auf der dort sehr stark präsenten Romance-Literatur, obwohl wir ein paar Vertreterinnen dieses Genres natürlich auch vorrätig haben. Glücklicherweise gibt es jedoch auch hervorragende Romane von exzellenten Jugendbuchautoren wie etwa Benedict Wells, Caroline Wahl oder Elena Fischer, zu denen wir noch etwas überzeugter raten können als etwa zu Colleen Hoover. Aufgrund der begeisterten Rückmeldungen von jungen Lesern zu diesen Büchern glauben wir, dass wir damit auf dem richtigen Weg sind.

Auch wir beim Klönschnack merken, dass Papier immer teurer wird. Die Alternativen zum Printprodukt sind Reader und Tablets. Sind die noch angesagt oder ist dieser Markt schon auf dem Abstieg?
Die Angst des Buchhandels vor einer Verdrängung des physischen Buchs hat sich schon eine Weile gelegt. Ursächlich hierfür sind vor allem die Zahlen der Buchbranche, die deutlich zeigen, dass digitale Leseangebote seit einigen Jahren auf einem stabilen und nicht besonders hohen Niveau bleiben.

In Deutschland lag der Umsatzanteil von E-Books im Publikumsmarkt im Jahr 2023 bei etwa 6,1 Prozent. Im Jahr davor waren es 6 Prozent. Es zeigt sich zudem, dass E-Books vor allem zum Konsum von Fachliteratur oder zu Urlaubszwecken genutzt werden. Ein Grund für die große Popularität des physischen Buchs könnte unter anderem in der Ästhetik des Buchs und in der Tatsache begründet liegen, dass man dieses wirklich besitzen und verschenken kann – ein Gegenstand, der Generationen verbindet.

Wir halten es in dieser Frage mit Umberto Eco, der gesagt hat, das Buch sei „ein technisch vollendetes Meisterwerk (wie der Hammer, das Fahrrad oder die Schere), das sich, so viel man auch erfinden mag, nicht mehr verbessern lässt“.

Kommen die nächsten Bestseller von KIs?

Viele Menschen lassen mittlerweile Geschichten von KI schreiben. Gerade bei Büchern mit wenig Text wie Kinderbüchern lässt sich so im Handumdrehen ein Buch produzieren. Ist das ein Problem? Wird es Normalität?
Der österreichische Schriftsteller Clemens J. Setz hat bereits 2018 ein KI-gestütztes Buch geschrieben, in dem er gezeigt hat, zu welchen poetischen Leistungen die Künstliche Intelligenz in der Lage ist – allerdings immer nur im Austausch mit seinem menschlichen Benutzer!
KI-Tools sind generell mittlerweile gute Imitatoren und können bestimmte Stile erstaunlich gut kopieren. Allerdings ist dabei wenig Überraschendes zu erwarten. Die Vorstellung, dass sich menschliche Originalität und Kreativität in der Menge und Geschwindigkeit zu generierender Texte erschöpfen, scheint uns noch fremd. Vielleicht ein frommer Wunsch, wir werden sehen.

Nehmen wir mal an, dass ein großes Meisterwerk (noch) nicht mittels KI geschrieben werden kann. Aber wie steht es um „Gebrauchsliteratur“, also Belletristik mit wenig Anspruch?
Warum nicht! Immerhin bliebe dadurch den Autoren die Qual erspart, diese Bücher schreiben zu müssen.

Habt ihr eigentlich schon selbst Bücher geschrieben oder schlummern in euren Schubladen noch Manuskripte? Vielleicht Jugendsünden, die euch heute peinlich sind?
Wer mit Florian befreundet ist, kann mit etwas Glück in den Genuss von ein paar wohlgesetzten Versen auf einer Gruß- oder Glückwunschkarte kommen. Geschrieben und veröffentlicht haben wir viel auf unserem Blog aufklappen.com und in wissenschaftlichen Zusammenhängen. Ansonsten sind die Schubladen recht leer. Ein groß angelegtes Fantasy-Epos, das Pascal mit 13 nach der Lektüre des Herrn der Ringe angefangen hatte, kam nicht über drei Seiten hinaus. Das würden wir als lässliche Jugendsünde bezeichnen.

Blankenese bekommt sein eigenes Literaturfestival

Zurück zur Konkurrenz durch alternative Medien. Könnte der Buchhandel mehr auf Veranstaltungen setzen?
Das sollte er unbedingt, die persönlichen Begegnungen mit Schriftstellern und ihren Büchern sind immer ganz besondere Erlebnisse. Bei uns wird auch nie einfach nur aus einem Buch vorgelesen, sondern einer von uns führt mit den Autoren ein Gespräch über die Themen und Hintergründe der Bücher und den dahinter stehenden Menschen.

Ihr habt jetzt die Herbstlese Blankenese geplant. Was erwartet uns da?
Ein großartiges Lesefest, das die Literatur für mindestens 14 Tage zu dem Thema in den Elbvororten machen wird. Wir möchten gerne die Chance nutzen, hier exklusiv die nächsten Autoren bekanntzugeben, die auf der Herbstlese Blankenese auftreten werden: Eröffnen werden wir am 5. September mit Rainer Moritz und seiner Neuübersetzung von „Das Phantom der Oper“ – der Romanvorlage für Andrew Lloyd Webbers Musical. Tags darauf wird der polnische Schriftsteller Szczepan Twardoch sein sensationelles, aber in vielerlei Hinsicht auch verstörendes Buch „Kälte in der Friedhofskapelle“ auf dem Friedhof Blankenese vorstellen.

Eine Riesensache wird am 11. September der Auftritt des schottischen Schriftstellers Andrew O’Hagan, der mit „Caledonian Road“ das gültige UK-Epos unserer Tage vorlegt. Schließlich kommt am 15. September die grandiose Mithu Sanyal zu uns, deren Roman „Antichristie“ ebenfalls im Vereinigten Königreich spielt. Außerdem werden wir am 14. September einen Preis für das beste Romandebüt des Jahres vergeben und im Blankeneser Segelclub werden wir hinterher eine große Party feiern.

Florian, Pascal, wir danken euch
für das Gespräch.

 

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