15. November 2021
Magazin-Tipp

Der Gang zur Geschichte – Stolpersteine

Seit 2002 werden auch in Hamburg Stolpersteine gesetzt. Sie dienen der Erinnerung an die NS-Verbrechen. Die Erinnerung will gepflegt werden – in Blankenese übernahmen das am 9. November viele Jugendliche.

Gedenkstein

Gedenksteine wie dieser zeigen bundesweit den Wohnort von Holocaustopfern und damit auch die Wunden, die in die Gesellschaft geschlagen wurden.

Unser Blick geht wohl nur selten zum Boden. Doch hin und wieder bleibt er an den glänzenden Messingblöcken hängen, die an die Opfer des Holocaust erinnern: die Stolpersteine. Sie werden an den ehemaligen Wohnorten der Opfer gesetzt und sind eine Erinnerung an Deportation und Tod. Allein in Hamburg existieren bereits 6.113 Erinnerungssteine. Und es werden noch mehr. Die Stolpersteine sind das Werk des Kölner Künstlers Gunter Demnig, der erstmals 1992 einen Stein im Erinnern an NS-Opfer setzte. Die Steine enthalten Namen, Lebensdaten und den Weg der Vernichtung. Sie gelten heute als größtes dezentrales Mahnmal der Welt. Jeder Interessierte kann einen Antrag bei Gunter Demnigs Stiftung stellen, um einen Stein verlegen zu lassen. Der Weg zum Stolperstein ist auf der Website der Stiftung unter www.stolpersteine.eu beschrieben.

Die düstere Gewissheit, dass Deutschland noch viel Aufarbeitung vor sich hat

Das Bedrückende an den Stolpersteinen ist nicht nur ihre traurig hohe Anzahl, sondern dass sie Opfer beim Namen nennen: Gäbe es die Steine nicht, wüssten Sie, dass ein Opfer, ein Paar oder eine ganze Familie an dieser oder jener Stelle lebte? Darin zeigt sich die düstere Gewissheit, dass Deutschland noch viel Aufarbeitung vor sich hat. Auch Hamburg ist keine Ausnahme, obwohl hier mittels frei zugänglicher Datenbanken, einer App und verschiedenen Institutionen bereits einiges unternommen wurde. Es gibt jedoch die Kritiker, die sagen, es gäbe so viele Mahnmale; müsse man denn noch darauf hinweisen, es sei schlimm genug; es reiche langsam.

Ist das so? Ein Teil der Gesellschaft ist fort und die Lücken sind über die Jahrzehnte zugewachsen, aber weniger wie eine Wunde, denn die bleibt sichtbar, sondern wie eine Fläche, die neu bebaut wurde. Die jüdische Gemeinde der Stadt ist weiterhin unscheinbar. Und so verhält es sich auch im Rest der Republik. Ein Beispiel: Die Vertretung jüdischer Deutscher heißt noch immer „Zentralrat der Juden in Deutschland“ und nicht „Zentralrat deutscher Juden“.

Teilnahme bei der Reinigung der Stolpersteine ab 14 Jahren Pflicht

Die Stolpersteine werden an vielen Orten in Deutschland regelmäßig gepflegt. Am 9. November, dem Tag, an dem sich die Reichsprogromnacht jährt, übernahmen Jugendliche in Blankenese diese Aufgabe. So wollten alle Blankeneser Schulen und Sportvereine auf Initiative des Blankeneser Segel-Clubs (BSC) und des Bürgervereins „Blankenese Miteinander e.V.“ erstmals gemeinschaftlich das Andenken ihrer Mitbürgerinnen und Mitbürger pflegen, die Opfer des Holocaust wurden. Auch die evangelische Kirche und der Verein zur Erforschung der Geschichte der Juden in Blankenese unterstützte das Vorhaben. Die Teilnehmenden übernahmen für diesen Tag die Patenschaft eines oder mehrerer der Stolpersteine in ihrer Nachbarschaft. In Blankenese sind es derzeit 27 Stück.

Neben der Reinigung wurde am 9. November auf vielfältige Weise über die Biografien der Personen „hinter“ den Steinen erinnert, etwa mit temporären Gedenktafeln. Das Projekt vielerorts auch Teil des Schulunterrichts. Die beteiligten Schulen, Vereine und Organisationen wollten hamburgweit ein deutliches Zeichen für gesellschaftliche Verantwortung und gegen Ausgrenzung setzen, so Sören Sörensen vom BSC. Man hoffe auf Nachahmer in anderen Stadtteilen, fügte der BSC hinzu, für dessen jugendliche Mitglieder die Teilnahme ab 14 Jahren Pflicht ist.

ZUR SACHE:

Aufarbeitung in Hamburg

Die Standorte sowie die dazugehörigen biografischen Daten der Hamburger Stolpersteine können online unter www.stolpersteine-hamburg.de eingesehen werden.

Die Behörde für Schule und Berufsbildung hat zudem 2016 die Datenbank „NS-Dabeigewesene Hamburg“ auf den Weg gebracht. Sie verzeichnet über 1.000 wissenschaftliche Einträge zur NS-Zeit in Hamburg. Die Datenbank-

Recherche ist auch per App möglich.

www.hamburg.de/ns-dabeigewesene

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