22. Mai 2023
Gesellschaft

Zahnmobil für Obdachlose: Ein Lächeln schenken

Zahnschmerzen hat fast jeder mal. Dann geht man zum Zahnarzt und lässt sich durchchecken. Damit auch Menschen ohne Krankenversicherung zahnärztliche Hilfe bekommen, ist das Zahnmobil unterwegs.

Zahnärztin Dr. Cäcilie Kraft-Wolff mit Zahnarzthelferin Anja Kleinschmidt und Fahrer Johannes Remmel im Zahnmobil der Caritas.

Zahnärztin Dr. Cäcilie Kraft-Wolff mit Zahnarzthelferin Anja Kleinschmidt und Fahrer Johannes Remmel im Zahnmobil der Caritas.

Nieselregen, typisches Hamburger Schietwedder. „Meistens ist hier mehr los“, sagt Dr. Cäcilie Kraft-Wolff.  Sie sitzt in einem weißen Bus auf dem Platz vor der CariCare. Nicht irgendein Bus, es ist das elmex® Zahnmobil der Caritas. Im Inneren steht quasi eine kleine Zahnarztpraxis, samt Behandlungsstuhl, Bohr- und Absauganlage. Als hätte er auf sein Stichwort gewartet, kommt ein Mann zum Zahnmobil: „Ich hab Zahnschmerzen“, sagt er.

Fahrer Johannes Remmel fragt nach seinem Namen und Vorerkrankungen, der Mann unterschreibt und betritt das Zahnmobil. Die ehrenamtliche Zahnärztin schließt die Tür, die Behandlung beginnt. Nach gut zehn Minuten kommt der Patient wieder raus, einen Zettel in der Hand. „Ich habe ihm direkt einen Termin in der Zahnambulanz gemacht“, erklärt Dr. Cäcilie Kraft-Wolff.

Mobile Basisbehandlung im Zahnmobil

Denn im Zahnmobil ist nur eine Basisbehandlung möglich. Sie kann hier Füllungen legen, Zähne aufbohren oder ziehen und Zahnstein entfernen. „Aber keine Kronen, kein Zahnersatz, keine Röntgenbilder machen“, sagt sie. Falls das nötig ist, wird eben ein Termin für die Zahnambulanz der Caritas vergeben oder an die Ärzte ohne Grenzen vermittelt.

Das Zahnmobil ist in Hamburg seit 2008 unterwegs. 20 ehrenamtliche Zahnärztinnen und Zahnärzte helfen aktuell, weitere werden gesucht. Es war die erste mobile Zahnarztpraxis in ganz Deutschland, mittlerweile haben sich andere Städte ein Beispiel daran genommen. Das Zahnmobil fährt nach einem festen Tourenplan Einrichtungen der Obdachlosenhilfe wie die Bahnhofsmission, die Alimaus oder eben die CariCare an. Behandelt werden Wohnungslose, aber auch Geflüchtete und alle anderen Menschen ohne Krankenversicherung.

Dr. Cäcilie Kraft-Wolff ist von Anfang an als ehrenamtliche Zahnärztin dabei. Erst einmal die Woche, seit ihrem Eintritt in den Ruhestand vor fünf Jahren auch zweimal. Zudem hilft sie mittwochs in der Praxis ohne Grenzen. „Mein Sohn hat damals ein Sozialpraktikum gemacht und war vom Krankenmobil so beeindruckt, dass er meinte, ich müsse da unbedingt mitmachen“, erzählt sie. „Da kam die Idee des Zahnmobils gerade auf und dann war ich direkt dabei.“

„Das muss man aushalten“

Als sie im Zahnmobil anfing, arbeitete die Zahnärztin noch in einer Gemeinschaftspraxis an der Rothenbaumchaussee. „Es war ein krasser Gegensatz, aber ein guter“, sagt sie. Eigentlich gibt es nur eine Gemeinsamkeit: „Die Angst vorm Zahnarzt findet man in allen Teilen der Gesellschaft“, sagt Dr. Cäcilie Kraft-Wolff lachend.

Sonst sei die Arbeit im Zahnmobil nicht mit der in einer Praxis vergleichbar. „Hier geht es nicht um Mundhygiene. Die Menschen kommen oft mit desolaten Gebissen, sehr kaputten Zähnen, Entzündungen oder auch nur noch Zahnstummeln“, erzählt sie. „Das muss man aushalten.“ Und sie hält es gerne aus: „Ich denke, es ist unsere Aufgabe, allen Menschen zu helfen. Es geht mir leicht von der Hand, ich hab Spaß an der Tätigkeit und ich kann so etwas zurückgeben. Die Dankbarkeit, die man hier bekommt und die Freude, wenn die Menschen wieder gerne lächeln, sind einfach toll.“

Probleme gibt es selten, ab und zu kommt jemand alkoholisiert zum Zahnmobil, „aber dafür ist Johannes dann zuständig“, sagt Dr. Cäcilie Kraft-Wolff zum Fahrer. Er und Anja Kleinschmidt sind bei der Caritas angestellt. Sie sind mit dem Zahnmobil auch noch zu anderen Zwecken unterwegs: Sie fahren in Kindergärten oder auch Jugendeinrichtungen in sozialen Brennpunkten und in Unterkünfte für Geflüchtete. „Wir zeigen den Kindern, wie es beim Zahnarzt aussieht“, erklärt Anja Kleinschmidt. „Sie dürfen sich auf den Behandlungsstuhl setzen, bekommen Zahnbürsten. Wir zeigen, wie man richtig die Zähne putzt und welche Lebensmittel schädlich sind. Wir versuchen, sie zu sensibilisieren und ihnen die Angst zu nehmen.“

Cäcilie Kraft-Wolff, Zahnärztin im Zahnmobil
Dr. Cäcilie Kraft-Wolff

Zur Person

Dr. Cäcilie Kraft-Wolff kommt aus dem Allgäu und kam durch ihren Mann nach Hamburg. „Ich mag tatsächlich das Wetter hier viel lieber“, sagt sie. Die 72-Jährige hat zwei Söhne und arbeitete 35 Jahre lang als selbstständige Zahnärztin. „Ich wollte etwas Manuelles in der Medizin machen“, erklärt sie. „Die Chirurgie war damals noch zu männerdominiert, aber Zahnmedizin hat einfach gepasst. Ich bin bis heute glücklich damit!“

Auch interessant