„Wohnen wird billiger“ hieß es in Die Welt kürzlich. Stimmt das? Ja, die Preise für Immobilien sinken. Aber wird damit Wohnen wirklich preiswerter? Die Expertenmeinungen gehen weit auseinander und kommen zum klaren Ergebnis: Jein. „Wir sehen zwei Grundtendenzen auf dem Immobilienmarkt“, sagt Makler Alexander Richelmann von Richelmann & Vernimb. „Das Bestreben nach mehr Wohnfläche als Resultat der Pandemie und mehr Homeoffice. Andererseits den Zinseffekt: Immer weniger Menschen können sich einen Neubau leisten, das Geschäft bricht zusammen.
Preise beim Neubau stagnieren
Die Baupreise stiegen um bis zu 30 Prozent, die Preise der Neubauten stagnieren.“ Viele Projekte würden sich nicht mehr lohnen. „Ich bin schon lange in der Branche – aber ich bekomme zum ersten Mal mit, dass Käufe wieder zurück abgewickelt werden. Das kannte ich bisher nicht“, betont Richelmann. Besonders kleinere Projekte seien gefährdet, denn Familien, die sich mit niedrigen Zinsen den Bau eines Eigenheims gerade noch leisten konnten, können es mit den steigenden Zinsen eben nicht mehr.
Das hohe Zinsniveau und seine Effekte
Exklusive Projekte haben dieses Problem nicht und laufen dementsprechend immer noch gut, besonders in den Elbvororten. Denn hier ist ein Großteil der Käuferinnen und Käufer unabhängig von Banken und Zinsen, deswegen ist die Nachfrage immer noch hoch. Wegen der hohen Baukosten haben manche Unternehmen zwischenzeitlich den Verkauf von Neubauten jedoch gestoppt, wie auf Nachfrage mitgeteilt wurde. So hatten diese nicht das Problem, dass die Baukosten nach Verkauf weiter explodierten und mit dem Verkauf im schlimmsten Fall sogar ein Verlustgeschäft entsteht. Ähnlich sieht es beim Architekturbüro Mollwitz aus: „Das erhöhte Zinsniveau hat die quantitative Nachfrage reduziert, die Qualität der Nachfrage und das Bewusstsein für Preis und Leistung deutlich erhöht“, sagt Marcus Lakenmacher.
„Gebäude aus den 60ern und 70ern, in denen eine
Familie gewohnt hat, werden für mehrere Parteien
umgebaut.“
Bauen wird also teurer und Geld leihen wird auch teurer. Was allerdings fällt, sind Immobilienpreise für Bestandsgebäude. Altbauten und deren Renovierung werden unattraktiver – das liegt vor allem an den Auflagen zur Energieeffizienz. Um ältere Gebäude auf das geforderte neue Niveau zu bringen, muss immer mehr Geld investiert werden. Da lohnt sich vielleicht doch eher der Neubau. Zudem ist durch den steigenden Zins die Nachfrage gesunken. Das Angebot ist aber gleich geblieben, es findet also eine Umkehr vom Verkäufermarkt hin zum Käufermarkt statt.
Eine Expertin erklärt dem Klönschnack: „Die Leute haben mehr Zeit, um sich alles genauer anzugucken und sich zu entscheiden.“ Wo früher schnell zugeschlagen wurde, ist man heute zurückhaltender mit Konsequenzen auf den Markt: „Man muss nicht innerhalb kürzester Zeit eine Entscheidung treffen, um überhaupt eine Chance zu haben. Deswegen bleiben Angebote länger liegen, die Anbieter bekommen Panik, die Nachfrage könnte noch weiter sinken und damit auch zwangsläufig die Preise.“
„Dem Markt geht es immer noch gut.“
Im Ergebnis bleiben die Preise für Neubauten stabil, trotz gestiegener Baukosten, Bestandsimmobilien verlieren an Wert. In gewisser Weise ist das ein gesunder Prozess, wie die Immobilienexperten verdeutlichen: „Es hat eine Marktkorrektur stattgefunden“, sagt Marcus Lakenmacher und andere sehen das ähnlich: „Das Verhältnis wird bereinigt. Es war unnatürlich, dass die Preise für beides auf einem Niveau lagen. Wenn Neubau und Altbau gleichviel kosten, wie soll man dann einen Altbau kernsanieren oder, wenn das nicht geht, abreißen und neu bauen, ohne Verlust zu machen?“ Viele sehen die aktuellen Entwicklungen eher gelassen: „Dem Markt geht es immer noch gut. Die Preise gingen davor immer nur hoch, hoch, hoch, zwischendurch um fast 25 Prozent. Jetzt geht es zurück auf einen normalen Kurs. Bei den Zinsen ebenso.“
Der überhitzte Markt
Auch Alexander Richelmann spricht von einer „eigentlich gesunden Phase. Der Markt war überhitzt und von Geld überschwemmt.“ Er sieht die Situation aber kritischer: „Im Moment gehen Preise und Erwartungen zu weit auseinander. Der Markt muss sich anpassen, aber er ist träge.“ Noch immer erwarten Verkäufer die stark gestiegenen Preise der letzten Jahre, die aber häufig nicht mehr zu erzielen sind.
„Wir haben keinen Wohnraummangel. Nur einen
Mangel an bezahlbarem Wohnraum in guten Lagen.“
Zwischenfazit: Beim Immobilienkauf geht es preislich vorerst nicht weiter nach oben. Was sich hingegen weiter verteuert, sind Mieten. Wenn immer weniger Menschen den Kauf eines Hauses finanzieren können, ist die logische Konsequenz: Die Nachfrage nach Mietobjekten steigt. Wohnen wird daher nicht billiger. Ein Grund hierfür sind auch Spekulationen großer Unternehmen. Um dies zu unterbinden, hat die Stadt Hamburg Ende 2022 beschlossen, dass städtische Grundstücke und Wohnungen zukünftig nur in Erbpacht vergeben werden dürfen. Das heißt, Baugrund und Immobilie bleiben in städtischer Hand, auch wenn eine private Gesellschaft die Bebauung oder Vermietung übernimmt.
Sozialer Wohnraum wächst nicht schnell genug mit den Anforderungen
Die FDP moniert, dies könne Investoren abschrecken. Die Gegenseite sagt, Spekulationen werden ausgeschlossen und als Preistreiber eliminiert. Ebenfalls Ende 2022 beschloss der Senat eine 100-jährige Mietpreisbindung für jährlich 1.000 Sozialwohnungen. Eine Anpassung aufgrund von Rahmenbedingungen wie der Inflation findet aber statt.
Im vergangenen Jahr hatten 425.000 Haushalte
in Hamburg Anspruch auf eine Sozialwohnung.
Der Bestand lag aber nur bei 80.000.
Da nicht nur die Baukosten steigen, sondern auch die Lebenshaltungskosten, steigt auch die Nachfrage des geförderten Wohnraums. Der rot-grüne Senat hat den Anspruch, jährlich 3.000 neue Sozialwohnungen zu schaffen. Dieser Anspruch wird jedoch derzeit verfehlt: Im vergangenen Jahr hatten 425.000 Haushalte in Hamburg Anspruch auf eine Sozialwohnung. Der Bestand lag aber nur bei 80.000. Anstatt der jährlich anvisierten 3.000 Sozialwohnungen bewilligte man 2022 nur 1.884 Sozialwohnungen. Waren es in 2021 noch knapp 3.000 Bewilligungen und zwischen 2015 bis 2019 sogar weitaus mehr, ist der positive Trend nun also vorbei. Zudem fallen mehr Wohnungen aus der Sozialbindung (30 Jahre), als neue nachkommen.
Hamburgs Wohnsenatorin Karen Pein sieht den Grund für die rückläufigen Zahlen in Inflation, Baukosten und Fachkräftemangel. So gesehen kann natürlich nur bewilligt werden, was auch gebaut werden könnte – was derzeit schwierig ist.
Die Fördertöpfe gehen auf
Im Januar hat der Senat nun beschlossen, die Fördertöpfe zu öffnen, um die negative Entwicklung zu stoppen. Zwölf Prozent mehr Förderung und langfristige Zinssicherung sollen die Investoren überzeugen, mehr sozialen Wohnraum zu bauen. Der Ansatz ist gut, doch greift er erst bei den künftigen Bauprojekten. Wie sieht es bei bestehenden Sozialbauten aus?
Eine der größten Hamburger Gesellschaften für sozialen Wohnraum ist die SAGA. Diese berichtet dem Klönschnack: „Bei der SAGA Unternehmensgruppe gibt es aktuell keine Baustopps oder Rückabwicklungen von geplanten oder bereits begonnenen Neubauvorhaben, gleichwohl die gestiegenen Baukosten in Verbindung mit dem Fachkräftemangel zu Herausforderungen bei der Planung führen.“ Erst Anfang März hatte die SAGA Richtfest für 78 öffentlich geförderte Wohnungen im Kroonhorst gefeiert. Und was sagt die SAGA zum Thema Mieten?
Was ist mit den Mieten?
„Bei öffentlich geförderten Wohnungen entspricht die monatliche Kaltmiete den jeweiligen Förderbedingungen, sodass sich die Miete nicht aufgrund von steigenden Kosten erhöht.“ Darüber hinaus hat die SAGA ein Mietenkonzept, das sich am Mittelwert des jeweils geltenden Hamburger Mietenspiegels orientiert. Um die Mietentwicklung sozial verträglich auszugestalten, schöpft die SAGA die möglichen Grenzen nicht aus. Laut SAGA bleiben die Durchschnittsmieten ihres Wohnungsbestands auch ohne Mietpreisbindung seit mehr als 20 Jahren regelhaft 20 Prozent unterhalb des gewichteten Mittelwerts der jeweiligen Hamburger Mietenspiegel.
Auch beim BVE sowie Fördern & Wohnen, den beiden anderen großen Baugenossenschaften der Stadt, gibt es keine Baustopps. „Alle Projekte, die bereits im Bau sind, werden auch fertiggestellt“, sagt Felix Ebeling, Pressesprecher vom BVE.
Und das sind unter anderem die Wohnanlagen am Strandkai in der HafenCity oder in der Glashüttenstraße in der Sternschanze. Aber: „Projekte, die noch nicht angefangen haben, kommen nochmal auf den Prüfstand. Und wenn die Rahmenbedingungen sich weiter verschlechtern, müssen wir uns vielleicht zurückziehen aus dem ein oder anderen Projekt“, so Ebeling. Denn die Förderung sei bislang nicht in gleichem Maße angestiegen wie die Baukosten. Vorrang habe aktuell die Modernisierung: „Wir sind verpflichtet, die Klimavorgaben einzuhalten“, sagt er. Die Mieten seien noch nicht betroffen, unterstreicht er.
Nachverdichtung – Eine Chance für den Wohnungsmarkt?
Bei einem Punkt sind sich (fast) alle Seiten einig: Bauen ist notwendig. Da kommt die sogenannte Nachverdichtung ins Spiel. Diese akzeptieren viele, aber nicht vor der eigenen Haustür. Denn es grassieren Horrorvorstellungen wie Hochhäuser. Die sucht man beispielsweise rund um Blankenese vergebens. Hier scheint die Nachverdichtung noch keine Rolle zu spielen.
Das stimmt jedoch nicht ganz: „Nachverdichtung steht hier auch auf der Agenda“, sagt Alexander Richelmann. Nur sieht die hier eben anders aus: „Es wird geschaut, auf welche Häuser ein weiteres Stockwerk passt. Oder Gebäude aus den 60ern und 70ern, in denen eine Familie gewohnt hat, werden für mehrere Parteien umgebaut.“
Baurecht stammt teils noch aus den 1950ern
Nicht überall ist das allerdings gewünscht, oft scheitert es auch an Genehmigungen. Zum Teil gilt in einzelnen Straßen noch das Baurecht aus den 1950ern mit starken Einschränkungen. Dieses Baurecht wurde seitdem nicht aktualisiert und man muss sich fragen, ob das noch zu den aktuellen Bedürfnissen passt. Es gibt Stellen am Hochkamp, wo vorgeschrieben ist, dass eine Einheit mindestens 1.500 Quadratmeter groß sein muss. Statt einem kleinen Gartenhaus vier Einfamilienhäuser auf ein 3.000-Quadratmeter-Grundstück setzen? Fehlanzeige.
Der Verkehr und die Magistralen
Ein weiteres großes Thema rund um Nachverdichtung und Wohnungsbau ist der Verkehr, genauer, die Schaffung von sogenannten Magistralen. Altonas Bezirksamtschefin Stefanie von Berg verdeutlicht es am Beispiel ihres Bezirks: „Damit der Wohnungsmarkt entlastet werden kann und damit wir mehr Wohnungen für Menschen mit geringem und mittlerem Einkommen sowie mehr Wohnungen für Familien schaffen, ist es wichtig, dass viele der erkannten Wohnungsbaupotenziale umgesetzt werden – auch wenn es mitunter eine Generationenaufgabe ist. Die perspektivische Entwicklung an Hauptverkehrsstraßen wie der Sülldorfer Landstraße oder der Luruper Chaussee ist eine solche Generationenaufgabe – dort ist ein Potenzial von etwa viertausend Wohnungen.“
Der Wohnungsbau der Zukunft spiele sich vor allem an den Magistralen ab, denn die großen Freiflächen gebe es nicht mehr, verdeutlicht von Berg und fährt fort: „Wenn wir an den Magistralen Wohnraum und Infrastruktur entwickeln, muss nicht auf der grünen Wiese gebaut werden. Für Jahrzehnte haben diese großen Straßen in einer autogerechten Stadt ihre Pflicht als Hauptverkehrsachsen erfüllt. Nun brechen neue Zeiten an. Für uns in Altona ist schon länger klar, dass die Magistralen mehr sein müssen, als die Hauptschlagadern des motorisierten Individualverkehrs. Wenn wir wollen, dass Menschen wirklich entlang einer solchen Magistrale wohnen möchten – und nicht nur dort wohnen, weil sie anderswo keine Wohnung finden – dann werden wir uns auch der Frage stellen müssen, wie wir den motorisierten Individualverkehr dort reduzieren und die Umfeldgestaltung attraktiv vorantreiben können.“
Darauf könnte man aufbauen.