27. Oktober 2023
Nachrichten

Boris Herrmanns letztes Interview vor dem Start

Am 29. Oktober beginnt in Frankreich die Regatta „Transat Jacques Vabre“. Der Top-Segler Boris Herrmann geht mit seiner Crew an den Start. Kurz vor dem Flug gab der Skipper dem Klönschnack ein kurzes Interview, das nach der Zieleinfahrt eine ausführliche Fortsetzung finden wird.

Boris Herrmann auf dem Weg zum Ocean Race, Vorbeifahrt an Kiel im Juni 2023 // Foto: Ricardo Pinto / Team Malizia

Boris Herrmann auf dem Weg zum Ocean Race, Vorbeifahrt an Kiel im Juni 2023 // Foto: Ricardo Pinto / Team Malizia

Herr Herrmann, Sie sind Wahl-Hamburger und wohnen mit Ihrer Familie in Ottensen. Wie gestaltet sich Ihr Leben und Arbeiten in Hamburg?

Das Training findet überwiegend in der Bretagne statt, dort liegt unser Schiff. In diesem Jahr war ich ehrlich gesagt nicht viel in Hamburg. Wir sind die ersten sechs Monate um die Erde gesegelt, beim „Ocean Race“, dem wohl härtesten Teamwettbewerb der Sportwelt. Im August gab es zwei Rennen in der Bretagne. Jetzt geht es wieder los, mit einer Regatta über den Atlantik in die Karibik und einer zweiten zurück nach Frankreich. Mitte Dezember bin ich wieder da. Es ist immer ein Kommen und Gehen.

Sie stehen kurz vor dem Start der „Transat Jaques Fabre“, dem Rennen über den Atlantik, und geben noch schnell ein Interview. Sie wirken total gelassen. Täuscht das?

Tatsächlich ist es ungewöhnlich, dass ich so kurz vor dem Start noch in Hamburg bin. Normalerweise müssen wir mindestens ein, zwei Wochen vorher bereits vor Ort sein. Das Rennen ist jedoch wegen eines Wirbelsturms im Nordatlantik um zehn Tage verschoben worden. Deshalb konnte ich nach Hause fliegen und reise heute sozusagen punktgenau wieder an. Allerdings wäre mein Flug beinahe dem Chaos am Hamburger Flughafen nach der Geiselnahme zum Opfer gefallen. Aber ich habe Glück. Ich komme um 17 Uhr in Lorient an, gehe direkt an Bord und schlafe dort ein paar Stunden, weil wir morgen früh um drei Uhr ablegen und hinaussegeln zur Startlinie.

Was geht Ihnen so kurz vor dem Start durch den Kopf?

Es hieß jetzt Abschied nehmen. Heute Morgen konnte ich noch meine Tochter zum Kindergarten bringen, mit meinem Hund spazieren gehen … Es war einfach schön, die Woche in Hamburg unverhofft geschenkt zu bekommen. Meine Tage hier waren sehr entspannt. Den Druck spüre ich eher nachts: In den Nächten vor einem Start schlafe ich nicht gut.

Der Skipper Boris Herrmann beim Ocean Race 2023 // Foto: Azimut/Malizia
Der Skipper beim Ocean Race 2023 // Foto: Azimut/Malizia

Sie hören nach der Regatta nicht sofort auf, sondern nehmen von der Karibik aus auch an der Rück-Regatta teil, an der „Back to La Base“ nach Lorient. Reicht Ihnen ein Atlantikrennen nicht oder ist das einfach Pragmatismus?

Es ist so ein bisschen beides. Mich interessiert die Rück-Regatta besonders, weil es meine erste Einhandregatta 2023 mit dem neuen Schiff ist. Ich habe Ende 2022 eine Regatta allein gesegelt, aber die ist nicht gut gelaufen. Deshalb brauche ich jetzt ein wenig „Wiedergutmachung“. Auch damit ich beruhigt in den Winter gehen kann. Von Januar bis März 2024 ist Regeneration angesagt, im April beginnt die Vorbereitung für die nächste Transatlantik-Regatta. Um die drei ersten Monate im Jahr entspannt zu sein, ist diese Rück-Regatta also wichtig.

Kommen wir zur „Transat Jaques Fabre“ zurück. Sie sagten dem NDR, „dieses Rennen sei total irre, einfach toll“ und bezogen sich dabei auf die große Teilnehmerflotte, allein in Ihrer Klasse 40 Boote, mehr als je zuvor. Reizt Sie die Konkurrenz oder woher kommt die Begeisterung?

Wir mach das alles, weil wir eben Regatta-Segler sind und uns der Wettkampf fasziniert. Da kann es nichts besser als geben als ein starkes Starterfeld. Die ersten fünf Favoriten sind extrem stark und die nächsten 15 bis 20 sind auch wirklich starke Konkurrenten auf Augenhöhe. Es ist also nicht so, als könnten wir da einfach durchmarschieren. Das macht es sehr spannend.

Gibt es bei der anstehenden Regatta eine besondere Herausforderung?

Die Herbststürme im Nordatlantik können sehr hart werden; damit klarzukommen, wird uns alle sehr fordern. Außerdem müssen wir eine kniffelige strategische Entscheidung treffen: Was könnte diesmal der schnellste Weg in die Karibik sein? Spätestens am dritten Tag müssen wir wählen: entweder geradewegs nach Süden um die Kapverden herum segeln oder nach Westen wenden und erst viel später nach Süden. Windrichtung und -stärke bestimmen, welche Route die bessere ist. Das Wetter bleibt allerdings trotz immer präziserer Vorhersagen schwer kalkulierbar, vor allem rund um das Azorenhoch und in den Rossbreiten – und das ist eigentlich das Spannende an diesem Rennen.

 

Die Fortsetzung des Interviews finden Sie in unserer Januarausgabe 2024.

Auch interessant