12. Dezember 2025
Interviews

Dr. Sebastian Kloth: „Demokratie kann eine Menge“

Ende Oktober übernahm Dr. Sebastian Kloth offiziell die Leitung des Bezirksamts Altona. Im Gespräch berichtet er über den Auswahlprozess, seine ersten Wochen im Amt und die zentralen Aufgaben, die den Bezirk prägen werden.

Bezirksamtsleiter Dr. Sebastian Kloth

Dr. Sebastian Kloth ist der neue Bezirksamtsleiter - ohne Wahl, denn die Parteien einigten sich auf ihn. // Foto: Grüne Fraktion Altona

Herr Dr. Kloth, Ihre Kandidatur für den Posten der Bezirksamtsleitung war die erste von dreien – und Sie galten von Beginn an als aussichtsreichster Bewerber. War es dementsprechend ein ruhiger Wahlkampf?

Es ist ja kein Wahlkampf im klassischen Sinne, sondern eher ein Vorstellen gegenüber den Fraktionen. Und ich hatte das Gefühl, die wollten mich ehrlich kennenlernen und herausfinden, wie ich ticke. Das war sehr spannend, aber auch sehr herausfordernd und es waren zum Teil sehr lange Abende.

Und auch wenn die Bürgerinnen und Bürger den Bezirksamtsleiter nicht direkt wählen, gab es noch ein öffentliches Hearing.

Das war etwas ganz Neues. Und sehr interessant, weil nochmal ganz andere Fragen als von den Fraktionen kamen. Das war auch nicht ohne, weil ich nicht wusste, was mich erwartet und ich mich innerhalb von Sekunden auf ein neues Thema einstellen musste. Aber letztendlich arbeite ich ja für die Bürgerinnen und Bürger, deswegen sollten sie die Gelegenheit haben, mich kennenzulernen.

Was war herausfordernder?

Beides auf seine Art und Weise. Ich bin thematische Verantwortung gewohnt, den Blick auf mich persönlich nicht so. Die Fraktionen wollten herausfinden, wie ich politisch ticke, bei den Bürgerinnen und Bürgern wurde eher das Interesse an meiner Person deutlich.

Demokratie kann Dinge bewegen und in unserem Fall Dinge für Altona voranbringen!

Wie ticken Sie denn politisch?

Demokratisch. Ich versuche in meinem politischen Stil die Dinge so demokratisch und transparent wie möglich zu gestalten. Ich versuche Lösungen anzubieten, ich versuche zuzuhören und empathisch zu sein. Und ich glaube, das hat nicht unbedingt eine Couleur, das ist einfach ein demokratischer Prozess miteinander umzugehen. Vertrauensbildung von beiden Seiten: Man hört uns zu, wir hören den Bürgerinnen und Bürgern zu.

Man wird sich nicht immer einig sein, aber man wird wissen, worüber man spricht, weil die Informationen – hoffentlich – in beide Richtungen geflossen sind. Und dann kann man eine Antwort geben. Denn in unseren politisch unsicheren Zeiten, muss Demokratie zeigen, was sie kann. Und Demokratie kann ziemlich viel. Vor allem kann sie Dinge bewegen und in unserem Fall Dinge für Altona voranbringen.

Kam die Initiative zur Bewerbung von Ihnen selbst oder von anderer Seite?

Es kam überraschend für mich. Der Wechsel meiner Vorgängerin in den Senat kam ja auch überraschend. Als ich gefragt wurde, habe ich mir aus familiären Gründen eine kurze Bedenkzeit erbeten, aber von meiner Frau kam die Antwort „Wenn nicht du, wer macht es dann? Fühlst du dich dann damit wohl?“

Und im Nachhinein habe ich aus der Verwaltung gehört, dass sie sich sehr gefreut haben, dass ich mich aufstellen lassen habe und jemand das Amt übernimmt, der sowohl Verwaltung versteht als auch politische Kontakte hat.
Also ich fühlte mich bereit für die Bewerbung, hatte aber keinen intrinsischen Drang dazu.

Wie war der erste Monat im Amt?

Es war ja nicht so richtig der erste Monat, ich war gemeinsam mit Christoph Brümmer schon die Vertretung von Frau von Berg nach ihrem Weggang. Insofern war ich mir dieser Verantwortung und diesen Aufgaben sehr bewusst. Wobei man sagen muss, ab der Ernennung prasselt noch ein bisschen mehr auf einen ein.

Ich habe im ersten Monat erstmal Mitarbeitende kennengelernt und mich auch sonst sehr vielen Personen vorgestellt. Mir war es wichtig, zu schauen, wo und wie die Menschen arbeiten, welche Probleme es da vielleicht gibt. Und mir ist auch wichtig, dass die Leute mich kennenlernen und als Ansprechpartner sehen.

Es ist, wie ich erwartet habe, aber trotzdem brauche ich noch ein paar Wochen für mich, bis ich mich angekommen fühle und nicht mehr alles zum ersten Mal mache.

Ernennung von Kloth zum Bezirksamtsleiter
Finanz- und Bezirkssenator Dr. Andreas Dressel übergibt die Ernennungsurkunde an Dr. Sebastian Kloth. // Foto: Bezirksamt Altona

Also war bisher nichts Unerwartetes?

Nein. Da ich schon so lange in der Bezirksverwaltung arbeite, tatsächlich nicht.

Hat Ihnen Ihre Amtsvorgängerin, Dr. Stefanie von Berg, ein paar Tipps mit auf den Weg gegeben?

Wir haben die letzten vier Jahre eng zusammengearbeitet, standen und stehen in ständigem Austausch. Das gehört auch zur Netzwerkpflege, Kontakt zum Senat halten.

Frau von Berg hat viel gesprochen, versucht ein Netzwerk aufzubauen. Das ist nicht direkt ein Tipp, aber etwas, was man in dieser Rolle annehmen und können muss. Man muss die richtigen Menschen im richtigen Moment ansprechen. Das hat sie gelebt und das habe ich über die Jahre mitgenommen. Man lernt ja immer voneinander und miteinander.

Was haben Sie gelernt in den letzten Jahren im Bezirksamt?

Ich glaube, dass es das Anspruchsvollste ist, ein gutes Team zu leiten und zu führen. Wenn man Mitarbeitende fürs Bezirksamt begeistern will, dann ist das Team entscheidend. Und dazu gehört auch die Leitungsebene: Wie geht die mit einem um, wie werden Probleme wahrgenommen und transportiert? Da ist eine ruhige und besonnene Art wichtig und jeder hat seinen eigenen Stil. Mein Ansatz ist ein pragmatischer, naher und netter – weil ich einfach so bin und mich keinem gegenüber verstelle.

Man muss Themen immer offen ansprechen können und das lebe ich auch so weiter. Am besten kennt man die Themen schon, bevor sie von außen an einen herangetragen werden.

Der Bausektor gilt als entscheidender Hebel für klimawirksame Maßnahmen. Haben Sie hier als ehemaliger Baudezernent Altonas einen gewissen Heimvorteil?

Es kann nicht schaden, insbesondere bei Aufgaben wie dem Holstenquartier. Zu wissen, wie ein B-Plan aussieht und zu wissen, wie und wann welche Anträge eingehen können und wie man Investoren begegnet – all diese Prozedere zu kennen ist als Bezirksamtsleitung glaube ich elementar.

Man braucht diesen Background und man muss verstehen, dass der Bausektor nicht nur das Bauen von Wohnungen ist. Es geht um Lebensqualität im Quartier. Soziale Infrastruktur, Klimaresilienz, Parkplätze für Autos und Fahrräder an den richtigen Stellen, vielleicht einen Park. Zu jedem Bauvorhaben stellt man sich Tausende Fragen, denn es gibt in Hamburg keine einfache Baufläche mehr.

Und man sollte mit den Menschen vor Ort sprechen. Es wird schließlich deren Nachbarschaft. Und man muss sich nicht alles selber erarbeiten, die Menschen und Initiativen vor Ort haben meist gute Ideen und haben dann auch viel mehr Verständnis für Baumaßnahmen. Das wusste ich vor vier Jahren auch alles nicht in der Form und habe es mir erarbeitet und denke es jetzt direkt mit.

Neben dem Holstenquartier, was sind weitere große Projekte und Meilensteine, die Sie erwarten?

Viele. Ich glaube, die ergeben sich aber aus der Rolle, ich habe keine große Agenda. Außer vielleicht eine echte Digitalisierung. Das werden wir nicht in allen Bereichen hinbekommen, aber ich möchte das unbedingt vorantreiben.

Und ansonsten … viele Wohnungsbauaufgaben. Das Holstenquartier ist sicherlich ein wichtiges Projekt, aber auch sonst geht es wieder los, die Investoren sind wieder da. Und es gibt viele große Themen, die aus dem Senat kommen: Science City Hamburg Bahrenfeld, Olympia, das Bahnhofsumfeld und was aus dem Bahnhof Altona wird, wie der Bahnhof Diebsteich entwickelt wird, die U-Bahn…

An vielen Stellen plant die Stadt große Eingriffe in unseren schönen Bezirk und es ist unsere Aufgabe, dass das verträglich für die Menschen hier passiert, es muss ihnen etwas bringen. Und deren Bedürfnisse und Wünsche vertrete ich gegenüber dem Senat.

Holstenquartier, Wohnungsbau und echte Digitalisierung… Uns erwarten viele große Projekte!

Kommen wir kurz zurück zu Ihrer Wahl: Grüne, CDU und SPD einigten sich kurz vor der Abstimmung darauf, Sie gemeinsam zu unterstützen. Die Kandidaten von SPD und CDU zogen daraufhin ihre Bewerbung zurück. Wie haben Sie diese Phase erlebt und wie davon erfahren?

Zeitgleich wie alle anderen auch. Es war ein Verständigungsprozess und mir wurde dann mitgeteilt, man habe sich auf mich geeinigt.

Dieser Einigung zwischen den Parteien ging etwas anderes voraus: Die drei Bezirksfraktionen verständigten sich auf Eckpunkte einer politischen Zusammenarbeit. Kann man von einer großen Koalition sprechen?

Genau, man hat dieses Vereinbarungspapier entworfen und scheinbar in mir die meisten Vorteile gesehen. CDU und SPD haben sich dann trotz eigener Kandidaten auch zu mir bekannt. Das ehrt mich sehr. Aber es ist ein Verständigungspapier, keine Koalition.

Und es freut mich sehr, und ich glaube auch viele andere, dass wir dieses Papier haben. Wir wissen dadurch, was die Politik will. Und Kompliment, da stehen viele wichtige und richtige Themen drin, die sich in den letzten Jahren herauskristallisiert haben und herausgearbeitet wurden.

Auch die FDP signalisierte ihre Unterstützung. So mehrheitsfähig war eine Bezirksamtsführung schon lange nicht mehr. Hat sich der Ton dadurch spürbar verändert?

Der Ton ist sehr zugewandt, sehr konstruktiv, sehr gemeinsam für Altona. Ich bin mit den verschiedenen Fraktionen im Austausch über verschiedene Themen. Man ist nicht immer einer Meinung, aber wir versuchen, die besten Kompromisse rauszuarbeiten und die Themen gemeinsam zu bewegen.

Herzlichen Dank für das Gespräch, Herr Dr. Kloth!

 

Zur Person:

Dr. Sebastian Kloth

arbeitet seit über zehn Jahren für die Freie und Hansestadt Hamburg. Der promovierte Soziologe war zunächst persönlicher Referent der Senatorin für Wissenschaft, Forschung und Gleichstellung, wechselte dann ins Bezirksamt Bergedorf, wo er das Fachamt Interner Service sowie später die Stabsstelle Klimaschutz leitete. Seit Februar 2022 stand der 45-Jährige dem Dezernat für Wirtschaft, Bauen und Umwelt im Bezirksamt Altona vor.

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