23. Juni 2022
Interviews

Kinder und Angst: Worüber sorgt sich die nächste Generation?

Wie blicken Kinder auf Krisen, auf Pandemie und Krieg? Welche Informationen haben sie und wie sehen sie die erwachsenen Akteure? Ein Gespräch über die Ukraine, Olaf Scholz und das Vertrauen in Erwachsene.

Angst bei Kindern?

Eine Schulstunde lang unterhielten sich Viktoria und Jarkko mit Kölnschnack-Redaktionsleiter Tim Holzhäuser.

Die Maskenpflicht in der Schule ist jetzt aufgehoben. Freut ihr euch oder ist das ungewohnt?

Viktoria: Ich freue mich schon ein bisschen.

Jarkko: Wir müssen noch testen, aber nur zweimal die Woche.

 

Dann haben wir das Corona-Thema einigermaßen hinter uns. Kommen wir zu den globalen Nachrichten. Was ist in euren Augen jetzt das größte Thema, was uns hier beschäftigen sollte?

Beide: Ukraine.

 

Viktoria
Viktoria Marie Eggerstedt

Woher kommen eure Informationen zu diesem Krieg?

Jarkko: Meine Mutter hat mir viel erzählt. Und Olaf Scholz hat ja vorgestern eine Rede gehalten, die haben wir auch gesehen und wir haben auch die Kindernachrichten oft geguckt. Ich habe auch viel über Politik gelesen.

Viktoria: Ja, ich habe auch die Nachrichten geguckt.

 

Nachrichten für Erwachsene oder „Logo“?

Viktoria: „Logo“, aber auch Erwachsenennachrichten. Bei den Kindernachrichten habe ich mehr verstanden, aber solche Reden wie die von Olaf Scholz habe ich auch geguckt.

 

Jarkko
Jarkko Ede Prill

Informiert ihr euch auch über Social Media?

Viktoria: Meistens Youtube. Man weiß da nie, was wirklich wahr ist. Auf Social Media wird schon häufig gelogen. Alle tun vor der Kamera, als wäre die ganze Welt toll.

Jarkko: Auf Social Media sind aber auch nicht alle so. Da wird schon viel gelogen, aber manchmal habe ich mir da Erklärungen für Kinder angesehen.

 

Gibt es einen Aspekt, der euch besonders verwirrt oder den ihr besonders schwierig findet?

Jarkko: Eigentlich nicht.

 

(lacht) Sehr gute Antwort! Gibt es an eurer Schule Kinder aus der Ukraine?

Viktoria: Es wird jetzt eine Klasse aufgemacht, auch mit einer ukrainischen Lehrerin.

 

Also habt ihr noch keinen direkten Kontakt?

Beide: Nein.

 

Dann zurück zu den Nachrichten über Krieg und unsichere Versorgung. Gibt es Momente, an denen euch das richtig Angst macht?

Jarkko: Ja schon. Ich weiß natürlich, dass Putin eher nicht auf den roten Knopf drückt, weil damit würde er sich selbst …

 

Oha, da bist du ja schon bei der Maximaleskalation …

Jarkko: Oder dass sich der Krieg ausbreitet zum Dritten Weltkrieg. Das wäre auch nicht so toll.

Viktoria: Ich hatte am Anfang auch Angst, dass das alles zu uns rüberkommt.

 

Kannst du das präzisieren? Was meinst du mit „alles“?

Viktoria: Bomben und Raketen. Selenskyj meinte ja auch, dass dieser Krieg nicht nur mit der Ukraine zu tun hat, sondern eher mit der ganzen Welt. Das hat mir schon Angst gemacht.

 

Was hilft in solchen Momenten gegen Angst?

Jarkko: Ich gehe dann zu meiner Mutter, aber am Anfang war sie so traurig, dass sie kaum darüber reden konnte. Das ist aber besser geworden. Jetzt kann ich mit ihr darüber relativ frei sprechen.

Viktoria: Meine Familie kommt damit auch nicht richtig klar – kommt glaube ich niemand. Abends habe ich bei einigen Themen auch ein paar Tränen fallen lassen. Ich hatte halt wirklich Angst, dass Vladimir Putin das alles nach Hamburg bringt. Ich kann aber auch mit meinen Eltern darüber offen reden und das hilft mir sehr.

 

Wenn Erwachsene Prognosen abgeben, zum Beispiel sagen, das und jenes wird nächste Woche höchstwahrscheinlich passieren – oder nicht passieren. Glaubt ihr das dann?

Jarkko: Nicht unbedingt. Niemand kann vorhersagen, was als nächstes passieren wird.

 

Mich ärgern all die Generäle a.D. , die jetzt ständig im Fernsehen auftreten und fast immer falschliegen.

Jarkko: Ich habe die auch in den Nachrichten gesehen. Die geben sich, glaube ich, Mühe, das Volk zu beruhigen. Eine Panik bringt auch nicht viel.

Viktoria: Mich ärgert eher, dass das deutsche Fernsehen manchmal zu viel sagt. Zum Beispiel wurde in der Ukraine ein Krankenhaus in einem Einkaufszentrum gebaut. Das haben sie gesagt. Und ein paar Tage später wurde es bombardiert!

 

Fassen wir zusammen: Wir hatten Corona, jetzt den Ukraine-Krieg, morgen vielleicht eine Energiekrise …

Jarkko: Davor hatten wir noch Afghanistan.

 

Okay, aber nicht mit Auswirkungen auf uns selbst. Unser Alltagsleben war vor der Pandemie doch ziemlich easy, oder? Jetzt haben wir eine völlig andere Weltlage, die wir auch spüren werden. Glaubt ihr, dass sich euer Leben dadurch verändert? Hat es sich vielleicht schon verändert?

Jarkko: Ich habe mitbekommen, dass die Benzinpreise gestiegen sind, aber andere Auswirkungen eigentlich noch nicht.

 

Dann kommen wir zu den Menschen, an deren Entscheidungen viele möglichen Einschränkungen hängen. Seid ihr zufrieden mit Olaf Scholz und seinen Ministern?

Viktoria: Dem Bundeskanzler vertraue ich schon.

Jarkko: Ich finde es gut, dass Olaf Scholz gewählt wurde. Die Grünen alleine wären vielleicht nicht auf die Idee gekommen, Waffen zu liefern.

Viktoria: Ja, ich finde auch, dass Olaf Scholz das wirklich gut macht.

Jarkko: Putin hat allerdings gesagt, dass so etwas wie Sanktionen bestraft werden könnten, und da habe ich mir auch wieder Sorgen gemacht.

Viktoria: Ich finde es aber gut, dass Olaf Scholz sich trotzdem traut, der Ukraine zu helfen. Obwohl Putin gedroht hat.

 

Habt ihr noch deutliche Erinnerungen an Angela Merkel? Wie fandet ihr die im Vergleich zu Scholz?

Jarkko: Ich könnte mir schon vorstellen, dass Angela Merkel auch viel machen würde, aber vielleicht nicht so viel wie Olaf Scholz. Sie hat ja auch in Afghanistan ein paar Leute zurückgelassen.

Viktoria: Ich mochte Angela Merkel gerne. Eine sehr sympathische Frau. Sie hätte vielleicht mit Putin reden können. Die haben sich ja offenbar gut verstanden.

Jarkko: Aber es haben doch alle versucht, mit Putin zu reden und Friedensangebote zu machen, an diesem ewig langen Tisch.

 

Habt ihr denn das Gefühl, dass ihr bei diesem Interview ausreichend zu Wort gekommen seid?

Beide: Ja.

 

Dann vielen Dank für das interessante Gespräch!

 

Hintergrund:

Stimmen aus dem Klassenzimmer

Jarkko und Viktoria sind Schüler der Stadtteilschule Blankenese in der Frahmstraße. Nach einer Bitte des Klönschnacks erklärten sie sich spontan zu einem Gespräch bereit.

Das Gespräch fand in lockerer Atmosphäre in der Schulbibliothek statt. Der Text wurde anschließend lediglich geglättet, inhaltlich aber nicht verändert. Bei Interviews zu politischen Themen eine Seltenheit.

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